NATO - Kriseneinsätze

Außer dem Bemühen, die NATO nach dem Zusammenbruch des Warschauer Paktes politisch aufzuwerten, war für diese Entwicklung die Erkenntnis entscheidend, daß in Bosnien-Herzegowina sich die engen Grenzen, die einem UN-Mandat auferlegt waren, als ungeeignet erwiesen hatten, den Krieg zu beenden. Ein Abzug der UN war dringend notwendig, um das Scheitern der UN-Mission nicht zu einem Gesichtsverlust für die gesamte Organisation werden zu lassen. Mit dem Jugoslawienkrieg entstand die Notwendigkeit, auf europäischer Ebene militärische Präsenz zu zeigen und militärischen Druck auszuüben. Die Organisation wuchs auf diese Weise in die Rolle einer Polizeimacht, wobei die politischen Schwierigkeiten unter den Mitgliedsländern die Effizienz immer noch schwächten.

Ein erster Einsatz der NATO, der friedenserhaltenden und friedenstiftenden Charakter hatte, war daher ab 1992 die Kontrolle der UN-Sanktionen gegen das ehemalige Jugoslawien und deren Erzwingung mit militärischen Mitteln. Nach der Beendigung des Konflikts in Bosnien-Herzegowina mit dem Abkommen von Dayton im November 1995 erteilte der UN-Sicherheitsrat mit der Resolution 1031 der NATO das Mandat, den Frieden zu sichern. Dazu wurde eine multinationale Implementation Force (IFOR), bestehend aus 16 NATO-Mitgliedern und 17 anderen Partnerstaaten, gebildet. Unter den 17 Nicht-Mitgliedsstaaten waren 14 Staaten aus dem Rahmen des NATO-Programms Partnership for Peace (PfP), einschließlich Russland und der Ukraine. Als Stabilization Force (SFOR) wurde sie weitergeführt (in Übereinstimmung mit der UN-Resolution 1088 vom 12. Dezember 1996), bis 2004 die EU die NATO als militärische Sicherungsmacht ablöste.

Ebenso beendete die NATO 1999 mit ihrem Eingreifen im Kosovo Mord und Vertreibung, geriet allerdings in zunehmende Gegenerschaft zu Russland, das Serbien und dessen territoriale Integrität unterstützte.

Flughafen Nis 1999
Luftaufnahme nach den NATO-Angriffen auf den Flughafen von Nis, 3. März 1999. © NATO

Der Terroranschlag vom 11. September 2001 brachte eine völlig neue Lage, was die militärische Gefährdung und die Reaktionen darauf angeht. Präsident Bush forderte zwar von der NATO die Feststellung des Bündnisfalls, aber nicht, um damit die militärischen und politischen Struktuiren zu aktivieren. Dies hätte eingehende Konsultationen und Abstimmungen innerhalb der NATO bedeutet, was den selbstständigen Entscheidungsspielraum des US-Präsidenten entscheidend beschnitten hätte. Er wollte die „coalition of the willing“, die Koalition der Willigen, die seine Politik unterstützten, ohne von ihrem Mitspracherecht Gebrauch zu machen.

Seit 2001 führt die NATO die Operationen der Internationalen Sicherheitsunterstützungstruppe ISAF (engl. International Security Assistance Force) auf Ersuchen der neuen afghanischen Regierung und mit Genehmigung durch den Sicherheitsrat der Vereinten Nationen (Resolution 1386 vom 20. Dezember 2001). Der Einsatz ist keine Blauhelm-Mission zur Trennung verfeindeter militärischer Gruppen, sondern ein so genannter friedenserzwingender Einsatz und als Sicherheits- und Aufbaumission, bei dem vor allem für die deutschen Truppen die zivilie Aufbauhilfe für das Land im Vodergrund steht.

Auf dem NATO-Gipfel in Prag am 21./22. November 2002 beschlossen die Staats- und Regierungschefs den Aufbau der NATO Response Force (NRF) als einer Eingreiftruppe der NATO, die zeitlich schnell verfügbar und durch modularen Aufbau sehr variabel und individuell einsetzbar sein sollte. Fünf Monate später legte der NATO-Militärausschuss (Military Committee) die wichtigsten militärischen Rahmenbedingungen für die Aufstellung und den Einsatz der NRF in Grundsatzdokumenten fest.