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Transatlantischen Menschenhandel im 19. Jahrhundert

Der Historiker Prof. Dr. Michael Zeuske schreibt:
"Atlantischer Sklavenhandel als Menschenschmuggel sowie Hin- und Rückfahrt zwischen Amerika und Afrika wurde im 19. Jahrhundert vor allem auf Schiffen betrieben, deren Finanziers, Besitzer und Ausrüster auf Kuba oder in Brasilien saßen. [...]
Kubas Zuckerexportökonomie war zwischen 1830 und 1880 die dynamischste und modernste agrarbasierte Wirtschaft der Welt. Die meisten Kapitalien, nicht nur im Sinne von Geld, sondern im Sinne von Menschenkapitalismus (Menschen als Kapital), stammten aus Sklavenschmuggel, Sklavenarbeit und Wertschöpfung durch menschliche Körper. Für Spanien war seine „Kronkolonie“ Kuba die wichtigste Akkumulationsquelle und Kuba selbst war in vielen Kriterien der Modernität des 19. Jahrhunderts (z. B.: Eisenbahnen, Dampfer, Architektur, höheres Pro-Kopf-Einkommen) weit entwickelter als das „Mutterland“. Spanien blieb trotz des Verlustes seiner kontinentalen Kolonien [...] nur wegen seiner Sklavenkolonie Kuba und wegen des atlantischen Sklavenschmuggels bis 1898 im Kreise der imperialen Mächte. [...]

Ingenio Flor de Cuba (1856)
Ingenio Flor de Cuba (1856)
aus: García Mora, Luís Miguel; Santamaría García, Antonio (eds.), Los Ingenios. Colección de vistas de los principales ingenios de az�car de la Isla de Cuba. El texto redactado por Cantero, Justo G. Con las láminas dibujadas del natural y litogra�fiadas por Eduardo Laplante, Madrid: CEDEX_CEHOPU; CSIC, Fundación MAPFRE Tavera y EDICIONES Doce Calles, S.L., 2005, S. 242, zitiert nach: Zeuske, Michael, „Sklavenbilder: Visualisierungen, Texte und Vergleich im atlantischen Raum [19. Jahrhundert, Brasilien, Kuba und USA]“, in: zeitenblicke 7, Nr. 2, [20.11.2013]

Akteure der Hinfahrt nach Afrika aus amerikanischer Perspektive waren Sklavenhändler; nach Afrika zurückkehrende ehemalige Sklaven waren eher die Ausnahme. Trotz des einfachen Wortes ist es schwierig, genau zu erfassen, welche individuellen und kollektiven Akteure mit „Sklavenhändlern“ gemeint sind. Mit slaving hatten auf dem Sklavereiatlantik fast alle zu tun. Aber nicht alle waren „Händler“ (Kaufleute). Aus dem Kreis der Großhändler oder Großkaufleute mit Export-Import-Firmen in amerikanischen Hafenstädten hatten vor allem die Chefs großer Handelshäuser meist direkt nur wenig mit geschmuggelten Menschen zu tun, obwohl sie am deutlichsten vom Sklavenschmuggel profitierten und oft mit den Gewinnen auch volkswirtschaftlich wichtige Funktionen im Geldverleih-, Kredit- und Banksektor einnahmen. Auf Kuba und auch in Brasilien wurden sie negreros (negreiros) genannt. Mit Versklavten unmittelbar hatten vor allem „Faktoren“ zu tun, die nach einem Mande-Wort für „großer Mann“ (mongo) mongos genannt wurden. [...] Andere Akteure auf Versklaverseite, die direkt mit Versklavten zu tun hatten, waren: Kapitäne, Schiffsmannschaften, Offiziere und Hilfskräfte (Köche, Ruderer, Lotsen, Übersetzer), Ärzte, Notare, Priester, Anlandungspersonal, Führer und Bewachungskräfte. Bis zum jeweiligen nationalen Verbot des atlantischen (äußeren) Sklavenhandels sind diese Akteure meist recht leicht zu erkennen. Seit 1815 erzeugte die internationale britische Abolitionspolitik ein Klima der Ächtung vor allem seegestützter Sklavenhändler und -schmuggler. Interne Sklavenhändler mit der entsprechenden Macht und Reputation gab es weiterhin in allen Sklavereigesellschaften. Der Sklavereiatlantik wurde so zum Hidden Atlantic.

Das Sklavenschiff Zeldina
Das Sklavenschiff Zeldina, nachdem es aufgebracht wurde (Kingston, Jamaica 1857)
Slaver "Zeldina" at Port Royal. JPEG. Voyages: The Trans-Atlantic Slave Trade Database. accessed November 20,2013

Die größte (Zwangs-)Migration der Weltgeschichte bis 1830, meist nur mit dem Kürzel „Mittelpassage“ bezeichnet, hat einer Reihe von Eliten, Institutionen, Unternehmern und Kapitänen Profite sowie Status gebracht und war eine „Jobmaschine“ (würde man heute sagen), in der unter ähnlichen Zwangsbedingungen wie in der Sklaverei selbst die ersten Großgruppen von Lohn- und Soldabhängigen entstanden sowie eine riesige Gruppe von Dienstpersonal zwischen Sklaven und Freien.
Vor allem aber, weil man bei „Profiten“ gleich an formiertes Geld denkt, waren die menschlichen Körper der Verschleppten nicht nur „Ware“, sondern vor allem Kapital, das selbst „wert war“. Es schuf mehr Werte, es fungierte als „Weltgeld“ und wichtigstes Tauschmittel, oft sogar als Bezahlung (Steuer, Kreditgrundlage), schuf durch Arbeit und durch die Geburt von Sklavenkindern Werte in jeder Form sehr direkt (einschließlich als Wächter und Soldat Sicherheit und Status) und konnte sich an Land selbst sowie die erarbeiteten Produkte als „Waren“ (Exportwirtschaften) auch noch selbst transportieren. Aus der Gesamtsicht des Westens, der Geschichte des Atlantik und des Kapitalismus war der unter Marginalitätsdiskursen verborgene Sklaven- und Menschenschmuggel über den Hidden Atlantic zentral.

Mit dem illegalen Handel mit menschlichen Körpern und den illegalen Gewinnen der Sklavenhändler wurde die Modernisierung der Zuckerproduktion auf den großen Plantagen im Westen Kubas finanziert, wo der effizienteste Plantagen-Sklavereikomplex der gesamten Weltgeschichte entstand (das sog. Cuba grande). Das bildete die Grundlage für die Modernisierung Spaniens, vor allem Kataloniens, im letzten Drittel des 19. Jahrhunderts. In den USA wurde mit Sklaverei, Sklavenhandel und Sklavenschmuggel die Industrialisierung des Nordens finanziert. Brasilien hielt sich als Staat kontinentaler Größe wegen des Interesses seiner sklavenhandelnden und sklavenhaltenden Eliten an imperialer Macht.



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