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Der Frieden von Tilsit 1807

Kurzinfo über Johann Gustav Droysen und Justus Scheibert:

Johann Gustav Bernhard Droysen, ein deutscher Historiker, wurde am 6. Juli 1808 in Treptow an der Rega geboren und starb am 19. Juni 1884 in Berlin. 1848 war er rechtsliberaler Abgeordneter der Nationalversammlung ("Casino"), "seine Geschichte der preußischen Politik (1855-1886) ist die umfassendste Darstellung der preußisch-kleindeutschen Geschichtsidee" ( Wikipedia). Der Geschichte schrieb er eine erzieherische Aufgabe zu.

Justus Scheibert (1831-1903), Königl. Preuß. Major z.D., schrieb das Buch "Kaiser Wilhelm I. und seine Zeit" anlässlich des 100-jährigen Geburtsjubliäums Kaiser Wilhelms I., der 1797 geboren wurde.


Aus: Justus Scheibert: Kaiser Wilhelm I. und seine Zeit, Erster Band, Berlin wohl 1897, S. 105

Über die traurigen Tage, die durch den Tilsiter Frieden über Preußen kamen, gibt uns Droysen in seinen Vorlesungen ein treffliches Bild:

Preußen hatte in dem Frieden von Tilsit [1807] nahe an 5 Millionen Untertanen verloren; es behielt wenig über 5 Millionen übrig. Der Staat war durch den Krieg bis in seine tiefsten Grundlagen erschüttert, aber der Friede erst brachte den ganzen Jammer völliger Auflösung. Die zweideutig gefassten Friedensartikel gaben dem Übermut des Siegers Handhaben zu immer neuen Quälereien. Bis zur Abzahlung der maßlos gesteigerten Lieferungen und Nachforderungen blieben die größten Festungen in Feindeshand und auch diese Besatzungen musste das zerrüttete und überbürdete Land unterhalten.

Es waren fast unermessliche Geldabzapfungen - allein die Kosten für die vom Feinde besetzten Festungen beliefen sich auf monatlich 750.000 Mark. Wie sollte man die so ungeheuren Verluste decken? Die Kontinentalsperre tötete den Handel; allein Schlesiens Leinenausfuhr hatte sonst gegen 10 Millionen Taler gebracht, nun war sie nichts.

Der Landmann war ruiniert; in Ostpreußen war die Pferdezucht auf den zwölften Teil ihres Bestandes gesunken, auf einem Raum von vier Quadratmeilen gab es noch drei Kühe; man hatte kein Korn zur Aussaat, ganze Gegenden blieben unbebaut; an der Passarge schwanden ganze Dörfer mit ihren Bewohnern, bald bedeckte Wald die Stellen. Überall Verarmung der einst Wohlhabenden, Brotlosigkeit des Mittelstandes, grenzenlose Not der kleinen Leute. Überladen von Beamten, hatte der Staat nicht die Mittel, sie zu besolden. Abzüge, oft gänzliches Ausbleiben der Gehälter und Pensionen stürzten die Beamten und ihre Familien, stürzten Witwen und Waisen in Schulden und Elend. Dazu strömten die nun brotlosen Staatsdiener aus dem ehemaligen preußischen Polen zurück [Napoleon hatte das Großherzogtum Warschau gebildet]. Ihrer 7.000 hatten sich gemeldet, sie mussten bei Freunden und Verwandten Zuflucht suchen, um mit ihrer Hände Arbeit oder sonst wie ihren Unterhalt zu erwerben. Eine große Zahl Offiziere wurde auf halben Sold gesetzt. So weit ging die Not, dass (1808) ihnen und den Unteroffizieren bis zur nächsten Ernte von Staats wegen unentgeltliche Proviantrationen, täglich zwei Pfund, gereicht werden mussten.

Wozu allen Jammer aufzählen? Es war ein Zustand, recht eigentlich dazu gemacht, den furchtbaren Druck durch alle Klassen der Bevölkerung fühlbar zu machen. Es waren ungeheure Zeiten!

Andererseits riss die gleiche Not die Schranken der Stände nieder, brachte die Menschen einander menschlich nahe, verband sie zu "Freundesvereinen" menschenfreundlichen Helfens, weckte Tugendübungen, wie das Glück sie nicht kennt, gab der Armut selbst einen sittlichen Adel nie gekannter Art; überall fand man tausend schöne Züge von Eintracht!

In Wahrheit: Die Zeiten der heiteren Freude waren vorüber. Ein tiefer Ernst ergriff das Leben. Wer mochte helfen, wenn nicht Gott und mit Gottes Beistand die sittliche Kraft aller, des Volkes Treue, der `Wille freier Männer`.

Wundervoll war es, wie man sich innerlich aufrichtete.

(Text vorsichtig modernisiert; Quelle)


Aufgaben:

  1. Unterscheide im Text, wo Droysen und wo Justus Scheibert spricht.
  2. Differenziere im Text zwischen den Bestimmungen des Friedens von Tilsit und dessen Folgen.
    Unterstreiche die jeweiligen Textpassagen mit unterschiedlichen Farben.
    Untersuche, welche Wirkung die Art der Darstellung auf den Leser hat. Nenne auch sprachliche Beispiele.
  3. Zeige, wo die Darstellung unglaubwürdig ist.
  4. Erörtere, ob die im Text geschilderten Zustände einen Beitrag zur Herausbildung der deutschen Nation leisten.

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