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"Volksgemeinschaft" via Ausgrenzung?

Besteht ein Zusammenhang zwischen der Ausgrenzung von Minderheiten und der Schaffung einer gemeinsamen Identität innerhalb der von den Nationalsozialisten propagierten "Volksgemeinschaft"?

"Die 'Volksgemeinschaft' war ein attraktives, auf die Zukunft hin ausgerichtetes Leitbild." So formuliert die Prof. Paula Lutum-Lenger, Ausstellungsleiterin des Hauses der Geschichte Baden-Württemberg in Stuttgart, in ihrer Einleitung zum Ausstellungskatalog der Ausstellung "Anständig gehandelt - Widerstand und Volksgemeinschaft 1933-1945". Die Nationalsozialisten legten durch diesen Begriff eindeutig fest, wer dazugehörte und wer nicht. Dieses Prädikat der Zugehörigkeit war von Geburt an via Rassenzugehörigkeit festgelegt - und nicht durch persönliche Leistungen zu erringen. Inklusion und Exklusion waren dadurch endgültig und unumkehrbar. Wer dazugehörte, genoss enorme Vorteile: Er konnte in einer der vielen nationalsozialistischen Organisationen Karriere machen, er profitierte von sozialpolitischen Leistungen und er hatte, solange er sich im Rahmen des nationalsozialistischen Leitbilds und seiner Ideologie bewegte, nichts zu befürchten. Deshalb entwickelte das Leitbild der "Volksgemeinschaft" durchaus eine Dynamik von der Basis her, erlebten viele die Symbole und Rituale doch als positiv und wollten dazugehören.

Volksgemeinschaft, NS-Propagandaplakat von 1938
Volksgemeinschaft, NS-Propagandaplakat von 1938
Quelle: Landesmedienzentrum Baden-Württemberg

Ganz anders die von der "Volksgemeinschaft" ausgeschlossenen Minderheiten: Sie verloren den Zugang zu gesellschaftlichen Institutionen, wurden aus ihren Berufen gedrängt, verfolgt und verloren nicht nur Besitz und soziale Position, sondern häufig genug ihr Leben.

Die utopische Dynamik der "Volksgemeinschaft" war so stark, dass sich eine Vielzahl von "Volksgenossen" bis zum Kriegsende und dem staatlichen Zusammenbruch an das Regime gebunden fühlten. Jeder, der sich zur "Volksgemeinschaft" bekannt hat, tolerierte zugleich die Ausgrenzung der diskriminierten Minderheiten von Juden, Sinti und Roma, von geistig Behinderten und allen, die unter dem Begriff der "Volksschädlinge" subsumiert wurden - dazu musste er sich nicht aktiv an den Terrormaßnahmen des NS-Regimes beteiligen. So kann das Konzept der "Volksgemeinschaft" mit seinen Gegenbegriffen vom "Volksschädling", "Volksverräter" oder "Volksfremden" bis zu einem gewissen Grad erklären, warum das nationalsozialistische System über einen langen Zeitraum mit solcher Unterstützung aus der eigenen Bevölkerung rechnen konnte.


Der Text orientiert sich weitgehend an dem Ausstellungskatalog zu "Anständig gehandelt - Widerstand und Volksgemeinschaft 1933-1945". Katalog zur Ausstellung im Haus der Geschichte Baden-Württemberg 9. Mai 2012 - 31. März 2013. Haus der Geschichte Baden-Württemberg (Hg.). Stuttgart 2012.

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