Die Ambivalenz moderner Lebenswelten um 1900: Beiträge Karlsruher Juden zur Modernisierung ihrer Stadt und konservative Gegenstimmen

Methodenvorschlag

Verlaufsplanung mit Materialien

Zeit/
Phase
Inhalte/
methodische Hinweise
Material
G M E (G8/G9)
1. Doppelstunde

Einstieg

Nach der Vorstellung des übergeordneten Themas "Modernisierung einer deutschen Stadt um 1900 am Beispiel Karlsruhes" sollen die Schülerinnen und Schüler fünf zeitgenössische Fotografien (B 1-5, Informationen zu den Fotos bietet D 1), die der Klasse zum Beispiel mit Hilfe eines Beamers oder eines Overhead-Projektors gezeigt werden können, beschreiben und im Plenum/Unterrichtsgespräch auf Elemente der Modernisierung im Straßenbild hin untersuchen (Telegrafie und Telefon, Elektrifizierung der Stadt, Straßenbahn, Straßenbeleuchtung, Reklame im öffentliche Raum/Litfaß-Säulen, Warenhäuser, Bahnhofsneubau, Auto, Fußball als neue Formen der Freizeitgestaltung). Die Ergebnisse können auf verschiedenen Niveaustufen fixiert werden, so verweisen z. B. die festzustellenden Elemente von Modernität (vgl. D 2) auf die Intensivierung des Eisenbahnverkehrs, auf Leitsektoren der zweiten Industrialisierungsphase (Elektroindustrie, Automobilbau), auf die Entstehung moderner Urbanität, auf neue Betriebsformen im Einzelhandel, auf Veränderungen im Konsumverhalten, auf die gestiegene Mobilität des Individuums und auf das Aufbrechen von bisherigen Normen, z. B. durch das Praktizieren der zunächst von konservativer Seite angefeindeten Sportart Fußball.

Anhand der Bilder kann bereits verdeutlicht werden, dass Juden bei der Modernisierung Karlsruhes eine aktive Rolle spielten: Das Kaufhaus Knopf (B 3) und das Kaufhaus Tietz (B 4) waren im Besitz von Max und Johanna Knopf bzw. Hermann Tietz , Deutschen jüdischen Glaubens, und der Gründer der Karlsruher Kickers, Walther Bensemann (auf dem Foto B 5 der Spieler mit Ball), entstammte ebenfalls einer deutsch-jüdischen Familie. Auf diese Weise wird deutlich, dass die deutschen Juden auch als aktive Gestalter der deutschen Geschichte zu sehen sind (vgl. D 3).

Möglich wird anschließend die Erarbeitung der Leitfragen:

Wie zeigte sich die Modernisierung Karlsruhes?

Inwiefern leisteten deutsche Juden einen Beitrag zur Modernisierung Karlsruhes (Beispiele)?

Waren die Modernisierungsprozesse unumstritten?

B1 - B5

D 1

D 2

D 3

B1 - B5

D 1

D 2

D 3

B1 - B5

D 1

D 2

D 3

Erarbeitungsphase 1
Problematisierung

Es schließt sich die Erarbeitung der Situation der Juden in Karlsruhe um 1900 mittels des Arbeitsblattes 1 an (Einzel- oder Partnerarbeit), wobei im Sinne einer Problematisierung verdeutlicht werden kann, dass die Karlsruher Juden keine monolithische Gruppe, sondern eine in politischer, wirtschaftlich-sozialer und religiös-kultureller Hinsicht heterogene Gruppe darstellten, in der es ebenfalls moderne und konservative Strömungen gab.

AB 1a

AB 1b

AB 1c

Erarbeitungsphase 2

In der Erarbeitungsphase können die Schülerinnen und Schüler in Gruppenarbeit oder auch in Form eines Lernzirkels exemplarisch Beiträge Karlsruher Bürgerinnen und Bürger jüdischen Glaubens zur Modernisierung der Stadt Karlsruhe erarbeiten. Zur Verfügung stehen hierbei Materialien auf unterschiedlichen Niveaustufen zu folgenden Themen:

Walther Bensemann als Begründer des Karlsruher Fußballsports (1889-1899) - AB 2, AB 3

Julius Hirsch und Gottfried Fuchs als Spitzenspieler des KFV (1907-1913) - AB 4

Die Eröffnung des Kaufhauses Geschwister Knopf in der Kaiserstraße (1914) - AB 5, AB 6

Rahel Goiteins Abiturrede anlässlich des ersten Mädchenabiturs in Karlsruhe bzw. Baden (1899) - AB 7, AB 8

Die Arbeit des Architekturbüros Curjel & Moser (1895-1915) - AB 9, AB 10, AB 11

Da auf den Niveaustufen M und E und im Gymnasialbereich auch noch die Ambivalenz der Moderne zu verdeutlichen ist, kann bei der Auswahl der Materialien, die die Modernisierung Karlsruhes verdeutlichen, eine Auswahl getroffen werden. Beispielsweise könnte man sich auf die Materialien zu Walther Bensemann (AB 2-3), zum Kaufhaus Geschwister Knopf (AB 5-6) und zu Rahel Goitein (AB 7-8) beschränken, die sich direkt den in der zweiten Doppelstunden zum Einsatz kommenden Materialien den modernisierungsfeindlichen Gegenstimmen zuordnen lassen. Auf die Materialien zu Gottfried Fuchs und Julius Hirsch (AB 4) könnte dann in Zusammenhang mit der Behandlung der NS-Zeit oder bei der Behandlung des Themas Aufarbeitung der NS-Zeit nach 1945 in der Bundesrepublik zugegriffen werden.

AB 2a

AB 3a

AB 4a

AB 5a

AB 6a

AB 7a

AB 8a

AB 9a

AB 10a

AB 11a

AB 2b

AB 3b

AB 4b

AB 5b

AB 6b

AB 7b

AB 8b

AB 9b

AB 10b

AB 11b

AB 2c

AB 3c

AB 4c

AB 5c

AB 6c

AB 7c

AB 8c

AB 9c

AB 10c

AB 11c

2. Doppelstunde

Erarbeitungsphase 3 und Problematisierung

Fortsetzung der Erarbeitungsphase 2

Im Bereich der Niveaustufen M und E des gemeinsamen Bildungsplans der Sekundarstufe I und im Gymnasialbereich lernen die Schülerinnen und Schüler, die gemäß dem Bildungsplan die Ambivalenz der modernen Lebenswelten erläutern bzw. analysieren sollen, nun auch konservative Gegenstimmen zur Modernisierung kennen. Hierzu stehen folgende Materialien für eine Gruppenarbeit oder für einen Lernzirkel zur Verfügung:
Auszüge aus Karl Planck: Fußlümmelei. Über Stauchballspiel und englische Krankheit (1898) - AB 12. Planck wendet sich hier als konservativer Anhänger der Turnbewegung gegen die sich in Deutschland ausbreitende neue Sportart des Fußballs.

Auszüge aus Paul Julius Möbius: Über den physiologischen Schwachsinn des Weibes (1900) - AB 13. Der Neurologe und Psychiater Möbius stellte auf dem Höhepunkt der Debatte um die Zulassung von Frauen zum Medizinstudium die These auf, dass Frauen physiologisch bedingt geringere intellektuelle Fähigkeiten als Männer hätten.

Bericht im sozialdemokratischen "Volksfreund" über einen gegen Kaufhäuser gerichteten Vortrag des Generalsekretärs der Deutschsozialen Partei, Johannes Henningsen (1905) - AB 14

 

AB 12b

AB 13b

AB 14b

AB 12c

AB 13c

AB 14c

Ergebnissicherung

Hier wären zusammenfassend Beispiele für die Modernisierung Karlsruhes, die auch durch deutsche Juden mitbewirkt wurde, aufzuführen. Weiter müssten für die Niveaustufen M und E der Sekundarstufe I und für den Gymnasialbereich resümierend die Hauptargumente der Modernisierungsgegner aufgeführt werden (Lösungsvorschlag D 4).

D 4

D 4

D 4

Lernorterkundung

Es wird verwiesen auf den Stadtrundgang im Rahmen des Moduls "Geschichte der Juden in Karlsruhe" auf www.landeskunde-bw.de (AB 2 und AB 3). Stationen dieses Stadtrundgangs sind die beiden ehemaligen jüdischen Synagogen, die ehemaligen Kaufhäuser Geschwister Knopf und Hermann Tietz sowie die von Curjel & Moser errichteten Gebäude der ehemaligen jüdischen Gemeindeverwaltung in der Herrenstraße und des ehemaligen Bankhauses Veit L. Homburger in der Karlstraße (Kaufhaus Tietz ebenfalls Curjel & Moser-Bau).

Unterrichtsmodul: Geschichte der Juden in Karlsruhe

In der Karlsruher Nordweststadt befinden sich in unmittelbarer Nachbarschaft des ehemaligen KFV-Platzes der Gottfried-Fuchs-Platz und die Julius-Hirsch-Straße.

Vor dem Altenheim "Haus Karlsruher Weg" in der Julius-Hirsch-Straße 2 ist inzwischen eine Informations- und Gedenktafel angebracht, die an Julius Hirsch und Gottfried Fuchs erinnert.

 

- Arbeitskreis Landeskunde/Landesgeschichte RP Karlsruhe -


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Quelle: https://www.schule-bw.de

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