Erinnerungskultur im monarchischen Deutschland und ihre Bedeutung für das nationale Selbstverständnis: Die Karlsruher Feierlichkeiten anlässlich des Sedantags in den Jahren 1877 und 1895

Hintergrund

Bedeutung


Das Deutsche Kaiserreich wurde von Helmuth Plessner als „Großmacht ohne Staatsidee“ charakterisiert. Dieses Defizit wurde staatlicherseits und in besonderer Weise auch im evangelischen Bildungsbürgertum deutlich empfunden. Als Gegenmittel wurde nach 1871 der am 2. September gefeierte Sedantag als „National-Festtag" etabliert. Der Sedantag diente dazu, über die Mythologisierung der Schlacht bei Sedan die Hohenzollern-Monarchie zu stabilisieren, die durch innere Spannungen immer wieder hinterfragte nationale Einheit jährlich durch eine deutschlandweite Nationalfeier zu beschwören, „Reichsfeinde“ wie „vaterlandslose“ Sozialdemokraten, „ultramontane“ Katholiken oder nationale Minderheiten auszugrenzen und - insbesondere unter Wilhelm II. - das Militär zu verherrlichen. Dies gelang freilich nur partiell aufgrund des föderalen Charakters des Deutschen Kaiserreichs, der sich ausformenden Diversität von Politik und Gesellschaft und des Umstands, dass oppositionelle Gruppen im Kaiserreich trotz phasenweiser massiver Einschränkungen durchaus die Möglichkeit hatten, sich zu organisieren und zu artikulieren. Anders als der 1880 in Frankreich als Nationalfeiertag ins Leben gerufene 14. Juli gewann der Sedantag somit nicht das Potential, dauerhaft und umfassend im Sinne einer Stabilisierung der Hohenzollern-Monarchie zu wirken.

- Arbeitskreis Landeskunde/Landesgeschichte RP Karlsruhe -


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