„Unser Kaiser ist die Zierde des deutschen Volkes“
Politische Festkultur in Sigmaringen um 1900 im Vergleich mit dem republikanischen Frankreich

Hintergrund

Zeittafel


 

 

 

B 9 Tiefe gesellschaftliche Verwurzelung republikanischer Kultur in Frankreich: Childe Hassam, July Fourteenth, Rue Daunou, 1910

 

Frankreich:


14. Juli 1789
Sturm auf die Bastille

14. Juli 1790
Föderationsfest zum ersten Jahrestag der Erstürmung der Bastille. Ludwig XVI. schwört einen Eid auf die Verfassung. Revolutionsfeier der „nationalen Versöhnung“.

1. / 2. September 1870
Schlacht bei Sedan, Gefangennahme Napoleons III., Kapitulation der französischen Truppen

4. September 1870
Unter dem Eindruck der Niederlage von Sedan wird in Paris eine „temporäre Republik“ ausgerufen. Gründungstag der Dritten französischen Republik. Bis 1875 Ausarbeitung einer republikanischen Verfassung.

6. Juli 1880
Der 14. Juli wird durch ein Gesetz zum französischen Nationalfeiertag.

1889
Hundertjahrfeier der Französischen Revolution, Pariser Weltausstellung. Feier der Französischen Revolution als „Wendepunkt der Menschheitsgeschichte“.

 

B 8 Triumph über Frankreich als monarchischer Identifikationspunkt: Einweihung der Berliner Siegessäule am dritten Jahrestag der Schlacht bei Sedan, 2. September 1873

 

Deutschland:


1. / 2. September 1870
Schlacht bei Sedan, Gefangennahme Napoleons III., Kapitulation der französischen Truppen

18. Januar 1871
Proklamation des preußischen Königs Wilhelm I. zum Deutschen Kaiser im Spiegelsaal von Versailles

Frühjahr 1871
Ein Gremium von Persönlichkeiten aus kirchlich-evangelischen und liberalen Kreisen richtet eine Petition an Kaiser Wilhelm I. mit der Bitte um Einrichtung eines Feiertages, der als Stiftungstag des Reiches gefeiert werden kann. Kaiser Wilhelm I. lehnt jede obrigkeitsstaatliche Anordnung ab zugunsten freiwillig durchgeführter Feste nach dem Vorbild der Feiern zur Leipziger Völkerschlacht.

2. September 1873
Durch die Einweihung der Siegessäule in Berlin am 2. September 1873 wertet Kaiser Wilhelm I. den Sedantag auf. Zu diesem Zeitpunkt hat sich der Sedantag als Feiertag bereits weitgehend durchgesetzt. Eine Anordnung des Preußischen Kultusministeriums für Festveranstaltungen an Universitäten und Schulen verleiht dem Sedantag den Charakter eines offiziellen Erinnerungstages.

2. September 1895
Große mehrtägige Jubiläumsfeierlichkeiten am Sedantag

22. März 1897
Höhepunkt der großen, dreitägigen Feierlichkeiten zum 100. Geburtstag des verstorbenen Kaisers Wilhelm I.

11. November 1918
Ausrufung der Republik in Berlin

28. November 1918
Abdankung Kaiser Wilhelm II.

27. August 1919
Offizielle Abschaffung des Sedantags

2. September 1993
Die Aufstellung einer Nachbildung des 1945 zerstörten Kaiser-Wilhelm-Denkmals am Deutschen Eck in Koblenz am ehemaligen Sedantag führt zu Irritationen in Frankreich.

Sigmaringen:

8. September 1873
Einweihung des „Landeskriegerdenkmals“ auf dem Brenzkofer Berg als Ehrenmal für die in den Einigungskriegen 1866-1871 gefallenen hohenzollerischen Soldaten. Sowohl das Datum der Grundsteinlegung am 10. Mai (zweiter Jahrestag des Friedens von Frankfurt) als auch der Einweihung (eine Woche nach dem Sedantag) beziehen sich auf die Auseinandersetzung mit Frankreich. Das Denkmal wird für die auch in Sigmaringen Jahr für Jahr stattfindenden Sedanfeierlichkeiten zu einem zentralen Bezugspunkt.

Sowohl die politische Zugehörigkeit zu Preußen als Regierungsbezirk als auch die dynastischen Nähe zum Kaiserhaus befördern die Feierlichkeiten am Sedantag und an Kaisers Geburtstag im hohenzollerischen Sigmaringen.

 

B 2 Der „Kaiserstuhl“, ein Bankdenkmal in der hohenzollerischen Sommerresidenz Krauchenwies: Erinnerung an einen Besuch Wilhelms I. im Jahre 1875 und Zeugnis der dynastischen Verbundenheit der schwäbischen Hohenzollern mit ihren preußischen Verwandten.

 

16. Oktober 1897
Der von Wilhelm II. geförderte Kult um seinen Großvater Wilhelm I. findet anlässlich der großen Feierlichkeiten zum 100. Geburtstag des verstorbenen Kaisers auch in Sigmaringen seinen Niederschlag: Auf Initiative Fürst Leopolds (1835-1905) entsteht ein Denkmal Kaiser Wilhelms I. am Eingang zur Allee neben dem Marstallgebäude. Die Enthüllung des Denkmals „zur Erinnerung an die Wiederaufrichtung des Deutschen Reiches“ erfolgt am Jahrestag der Völkerschlacht von Leipzig.
Die Büste des Kaisers wird 1942 „zur Verstärkung der Rüstungsreserve“ demontiert.

22. September 1910
Die Enthüllung des Fürst-Leopold-Denkmals durch Kaiser Wilhelm II. wird in Sigmaringen als große Huldigungsfeier für Kaiser und Reich zelebriert. Das hohenzollerische Fürstenhaus demonstriert seine dynastische Verbundenheit mit dem Kaiserhaus.  

B 4 Offizielle Begrüßung Kaiser Wilhelms II. durch die Sigmaringer Stadtverordneten vor dem Rathaus anlässlich der Enthüllungsfeier des Fürst-Leopold-Denkmals, 22. September 1910.

 

  - Arbeitskreis Landeskunde/Landesgeschichte RP Tübingen -


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