Der 'Bauernkrieg' von 1524/25 im Südwesten

Landesgeschichtliche Einordnung

 Autor: Dr. Wolfgang Wulz

(Arbeitskreis RP Stuttgart)

Die Vorgeschichte des "Bauernkriegs" beginnt im Jahr 1502 im Raum Bruchsal, wo Joß Fritz, Anführer der so genannten Bundschuh-Bewegung, damals lebte. Die Fahne mit dem Bild eines mit Riemen gebundenen Bauern -Schuhs war das Kennzeichen dieser Verschwörung. Unter ihr hatten bereits 1493 Bauern rebelliert, deren Anführer anschließend hingerichtet worden waren. Ziele der Bundschuh-Bauernerhebung waren die Abschaffung der Leibeigenschaft, die Verteilung der kirchlichen Güter und der freie Zugang aller Dorfbewohner zur Allmende (Wälder, Wiesen, Wasser). Als Herrn wollten die auf mehrere tausend geschätzten Bundschuh -Anhänger lediglich den Kaiser anerkennen. Die Bewegung wurde vor Pfingsten 1502 verraten, mehr als 100 Anhänger konnten gefangen genommen werden, Joß Fritz allerdings entkam. Wer nicht gefoltert oder, wie zehn der Anführer, gevierteilt wurde, musste das Land verlassen oder hohe Strafgelder bezahlen.

Bauer mit Bundschuhfahne. Titelbild der Flugschrift

Bauer mit Bundschuhfahne. Titelbild der Flugschrift "Der Bundschuh..." (1514)
© Wolfgang Wulz/Bauernkriegsmuseum Böblingen

Auch in Württemberg hatte der Bauernkrieg seine Vorläufer: Ulrich, seit 1498 Herzog von Württemberg, schlug im Jahr 1514 mit Unterstützung der Landstände die Bewegung des "Armen Konrad" im Remstal nieder. Er musste jedoch als Gegenleistung eben diesen Ständen, die ihm seine Politik finanzierten, politisch entgegenkommen. Noch im selben Jahr gewährte er verfassungsmäßig festgeschriebene weitgehende Mitspracherechte im so genannten "Tübinger Vertrag".

Am Hochrhein und in den benachbarten Landschaften schlossen sich die ersten Bauernhaufen dann im Sommer 1524 zusammen. Nachdem zwischen Fastnacht und Ostern 1525 in Oberschwaben mit den Memminger "Zwölf Artikeln" sozusagen ein Programm des Bauernkriegs entstanden war, das sich dank des Buchdrucks rasch verbreitete, lag der Höhepunkt des Konflikts im Frühsommer 1525. Erste Unruhen waren im Sommer 1524 in Stühlingen ausgebrochen. Die Bauern wollten von ihrer Herrschaft in erster Linie die vielen ungeliebten und als ungerecht empfundenen Frondienste abgeschafft und die "alte" Ordnung wieder hergestellt sehen. Die Lupfener Herrschaft indessen war verhandlungsunwillig, was die Stühlinger Aufständischen dazu bewog, mit 800 Mann nach Waldshut zu ziehen. Ähnliche Aktionen richteten sich auch gegen das Kloster St. Blasien, gegen die vorderösterreichische Herrschaft im Hegau, gegen die Stadt Villingen oder gegen die Grafen von Sulz. Heranziehende Militärhilfe benachbarter Herrschaften löste die Bauernhaufen zwar wieder auf, aber insgesamt waren die Aufständischen wohl nicht so schlecht organisiert.

Darstellung aus Thomas Murner: Von dem großen lutherischen Narren, Straßburg, 1522, Holzschnitt

Darstellung aus Thomas Murner: Von dem großen lutherischen Narren, Straßburg, 1522, Holzschnitt
© Wolfgang Wulz/Bauernkriegsmuseum Böblingen

Auch in Oberschwaben begannen sich im Winter 1524/25 Aufständische zu organisieren, im Allgäu wurde am 14. Februar 1525 in Sonthofen ein Bund gegründet, der sich später "Christliche Vereinigung" nennen sollte. Anfang März beschlossen Delegierte des Allgäuer, des Baltringer und des Bodenseer Haufens in Memmingen die so genannten "Zwölf Artikel", ein Schlüsseldokument des Bauernkrieges. Die militärischen Auseinandersetzungen in Oberschwaben zogen sich hin bis Ostern, um die 50 Schlösser und Klöster hatten die Bauern bis dahin eingenommen. Nachdem bei Weingarten 12 000 Bauernsoldaten auf Truppen des Schwäbischen Bundes unter Georg Truchsess von Waldburg trafen, begann man zu verhandeln, da der militärische Ausgang der Sache nicht so recht ersichtlich schien. Die beiden Parteien einigten sich am Ostersonntag auf die Inhalte des "Weingartener Vertrags".

Titelblatt der Memminger

Titelblatt der Memminger "Zwölf Artikel" (1525)
© Bauernkriegsmuseum Böblingen

Die Memminger Zwölf Artikel verbreiteten sich schnell, fanden auch Nachahmer und zogen die Bildung weiterer Bauernheere nach sich. Am 16. April nahmen die Bauern des Neckartal-Odenwalder Haufens die Stadt Weinsberg ein und trieben ihre Feinde, die ihnen mit dem Verbrennen ihrer Dörfer gedroht hatten "durch die Spieße". Erschreckt durch dieses blutige Ereignis gaben viele Städte den Forderungen der Bauern nach, so beispielsweise auch Heilbronn, das sich trotz Mitgliedschaft im Schwäbischen Bund am 18. April 1525 kampflos ergab. Überall wurden nun Klöster und Schlösser geplündert und häufig auch Archive angezündet, in denen Urkunden und Verträge lagerten - Symbole für die Unterdrückung des "gemeinen Mannes".

Auch im Kraichgau, in der Markgrafschaft Baden und in der Pfalz beriefen sich die Bauern auf "göttliches Recht" und verlangten von ihren Herren, alles zu tun, was dem Evangelium, dem Wort Gottes und dem "gemeinen Nutzen" entspreche. Was diese auch zunächst zusicherten, solange die Lage militärisch noch nicht zu klären war. Doch die Verhandlungserfolge des "gemeinen Mannes" blieben von kurzer Dauer. Waren die Angegriffenen häufig, so lange jedenfalls, bis sie ihre Streitmächte zusammengezogen hatten, zu Verhandlungen bereit, so häuften sich schließlich die militärischen Niederlagen der Bauern. Die militärischen Verluste auf Seiten der Herren waren gering, sie waren in der technischen Ausstattung und der Kampftaktik überlegen und sie wüteten erbarmungslos in den Reihen der Aufständischen. Zwischen 70.000 und 100.000 Menschen, so die geschätzten Zahlen, verloren ihr Leben in den folgenden "Gemetzeln".

Die Wende hatte zuvor bereits am 12. Mai 1525 die Schlacht bei Böblingen herbeigeführt, in der sich auf Seiten der Bauernhaufen an die 12.000 Mann beteiligten. In Schwarzwald und Hegau kam die Niederlage im Sommer. Ende Juni/Anfang Juli 1525 erlitten die Bauern bei Hilzingen eine vernichtende Niederlage. Die Odenwalder unter Florian Geyer waren bereits am 2. Juni 1525 vom Schwäbischen Bund unter Georg Truchsess von Waldburg besiegt worden und in Thüringen hatte die Schlacht von Frankenhausen am 15. Mai das Ende bedeutet.

Der Kurpfälzische Kurfürst Ludwig V. bestrafte "seine" Aufrührer, nachdem er mit Hilfe des Schwäbischen Bundes auch den Aufstand im Kraichgau schnell unterdrückt hatte. Bruchsal ergab sich am 25. Mai 1525 und wurde zu hohen Geldbußen verpflichtet, seine Befestigungsanlagen wurden zerstört. Anderen Städten, die mit den Bauern kooperiert hatten, erging es ähnlich. Besonders hart wurden Anführer bestraft: Anton Eisenhut etwa, der den Kraichgauer Haufen geführt hatte, wurde verhaftet und auf dem Schlossplatz in Bruchsal mit drei seiner Mitstreiter enthauptet.

Die Gründe für die Aufstände waren vielfältig. Der Hinweis auf eine zunehmende Verelendung ist - nicht nur für das Jahr 1525 - keine hinreichende Antwort auf die Frage, warum sich Menschen gegen Leibeigenschaft, Frondienste, Zinsen und Abgaben wehrten. Meist, das zeigt auch der Vergleich mit anderen Aufständen zu anderen Zeiten und an anderen Orten, mussten aber schon eine ganze Reihe von Faktoren zusammenkommen, bevor der "gemeine Mann" sich zur Wehr setzte: Das Gefühl, ungerecht behandelt zu werden, der Verdacht, um "alte", althergebrachte Rechte betrogen zu werden, die Einführung neuer Regelungen in der Rechtssprechung ohne Beteiligung der bisher dafür zuständigen Gruppen oder der Versuch, den Dorfbewohnern ihre Rechte auf Gemeindegut, die Allmende, einzuschränken, erregten den Zorn der Menschen. Nicht die Tatsache, dass man Abgaben zu zahlen hatte, verärgerte die Aufständischen, sondern der Versuch, diese ungerechtfertigt zu erhöhen. Wobei in unzähligen Fällen, wenn die Betroffenen nicht freiwillig zahlen oder sich weigern wollten, vom Status eines Freien in die Leibeigenschaft abzusinken, mit Gewalt seitens der Herrschaft nachgeholfen wurde.

Nicht zuletzt auch die Reformation und manche sozialutopische, sozialreligiöse Theorie trugen dazu bei, dass sich der "gemeine Mann" auf die Einforderung "göttlichen Rechts" verlegte. Religiöse Motive spielten, vor allem auch in den Städten, eine große Rolle bei der Rechtfertigung des Aufstands und bei der Formulierung der Forderungen. Hier trafen zwei Bewegungen zeitlich zusammen, die sich, wenn auch zum Unmut der Mehrzahl der Reformatoren, zu ergänzen schienen. Luther, Melanchthon und andere wandten sich gegen die Bauern. Luther leistete den Herren ideologische Schützenhilfe mit seiner im Mai 1525 erschienen Schrift "Wider die räuberischen und mörderischen Rotten der Bauern".

Martin Luther: Ermahnung zum Frieden auf die Zwölf Artikel der Bauernschaft in Schwaben. Auch wider die räuberischen und mörderischen Rotten der anderen Bauern, Wittenberg, 1525

Martin Luther: Ermahnung zum Frieden auf die Zwölf Artikel der Bauernschaft in Schwaben. Auch wider die räuberischen und mörderischen Rotten der anderen Bauern, Wittenberg, 1525
© Bauernkriegsmuseum Böblingen

Der Konflikt zwischen dem "gemeinen Mann" und der Obrigkeit hatte sich im Jahr 1525 zumindest nach Ansicht der letzteren zu einem regelrechten Krieg ausgeweitet. Die Bauern ihrerseits revoltierten nicht einfach nur, sie organisierten sich militärisch, sie schufen sich eine militärische und ideologische Führung und erarbeiteten, etwa mit den zwölf Artikeln, Programme. Insgesamt stellten sie jedoch weniger die Herrschaftsverhältnisse in Frage als deren Praxis.

Nimmt man den "Bauernkrieg" als ein Symptom einer Krise der "alten Ordnung" - Adel, Kirche, Städte und Territorialfürsten handelten ihre Machtbereiche neu aus und auch die Kirche musste ihre spätmittelalterliche Krise bewältigen -, dann bleibt die Frage, was die langfristigen Folgen dieser blutigen Auseinandersetzungen waren. Eine pauschale Antwort darauf gibt es nicht. Zwar musste der "gemeine Mann" sich verpflichten, sofern er überlebt hatte, sich niemals wieder gegen seine Herren zu erheben. Doch es wurden auch - nicht immer nur zu seinem Nachteil - manche neue, klarere Regelung in Bezug auf Frondienste oder Abgaben vertraglich festgelegt.

Autorinnen: Ute Grau/Barbara Guttmann, Bauernkrieg im Südwesten

in: Baden -Württemberg. Landeskunde - Landesgeschichte - Landespolitik 4 / 2002, Faltblatt, hrsg. von der Landeszentrale für Politische Bildung, Bad Urach, gekürzt durch Wolfgang Wulz (der vollständige Text ist als Flyer bei der Landeszentrale für Politische Bildung erhältlich).

Europäische Bezüge

Der Bauernkrieg im Südwesten des Alten Reichs (Schwaben, Oberrhein) gewinnt seine Bedeutung nicht nur als Teil des "Deutschen Bauernkriegs von 1525" mit den weiteren Schwerpunkten in Franken, Thüringen, Sachsen, Österreich und der Schweiz, sondern steht in der Reihe der Bauernaufstände und Revolten, die in Europa seit dem Spätmittelalter stattfanden, wie etwa die Peasants’ Revolt in England (1381), der schwedische Engelbrekt-Aufstand (1434-36), die "Empörung im Gefolge des Paukers von Niklashausen (Hans Böhm)" in Franken (1476), der Kärntner Bauernaufstand 1478 unter der Führung von Peter Wunderlich oder der Windische Bauernkrieg in Kärnten (1515). Als weitere Bauernerhebungen folgten nach 1525 der Dacke-Aufstand in Schweden (1542-43), der kroatisch-slowenische Bauernaufstand unter der Führung von Matija Gubec (1572-1573) sowie mehrere Bauernkriege in Oberösterreich (1595-1597; 1626), Niederösterreich (1632) und der Schweiz (1653).

 

- Arbeitskreis Landeskunde/Landesgeschichte RP Stuttgart -

 


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