Scharfes Sehen in verschiedene Entfernungen - Akkommodation des Auges.


1.) Ein Bild entsteht auf der Netzhaut.

Abbildung beim gesunden Auge

Wie bei jedem Bild, das entsteht, sind mindestens zwei Strahlen nötig, die vom gleichen Punkt ausgehen.
Hier betrachten wir zwei Strahlen, die von der Kerzenflamme ausgehen. Wenn keine Sehstörung vorliegt und das Auge richtig scharfgestellt ist, treffen sich die beiden Strahlen genau auf der Netzhaut. Der Gegenstand wird also scharf gesehen.

Beachte, dass wie bei jeder Sammellinse das Bild dabei "auf dem Kopf steht" und auch noch seitenverkehrt ist. Erst in deinem Gehirn wird das Bild "umgedreht", so dass es aufrecht erscheint.

Babys brauchen am Anfang einige Zeit um dieses "Umdrehen" in ihrem Kopf erst zu lernen. Daher greifen sie in den ersten Lebenswochen oft daneben, wenn sie einen Gegenstand ergreifen wollen.

Wie Lichtreize auf der Netzhaut wahrgenommen und weitergeleitet werden findest du hier.
Auf dieser Seite geht es um die Abbildung mit der Augenlinse.


2.) Das Auge als Sammellinse.

Unser Auge ist also eine Sammellinse.
Um verstehen zu können, wie das Auge Gegenstände, die sich in verschiedenen Entfernungen befinden, scharf auf der Netzhaut abbildet, brauchen wir sowohl Kenntnisse aus der Physik als auch aus der Biologie.

Für Sammellinsen gilt folgende Beziehung, die Linsengleichung:

Linsengleichung

Dabei ist:

  • g die Gegenstandsweite - die Entfernung des Gegenstandes von der Linse,

  • b die Bildweite - die Entfernung der "Leinwand" (Film, Netzhaut) von der Linse,

  • f die Brennweite - die Entfernung des Brennpunkts der Linse von der Linsenmitte.
    (Der Buchstabe f kommt von "Focus", dem englischen Wort für Brennpunkt.)

Diese Gleichung besagt, dass es prinzipiell zwei verschiedene Möglichkeiten gibt, ein scharfes Bild von Gegenständen zu bekommen, die sich in verschiedenen Entfernungen (Gegenstandsweiten g) von der Linse befinden.

  • die Brennweite der Linse f bleibt konstant.
    Wenn sich die Gegenstandsweite g verändert, dann muss sich auch die Bildweite b verändern. Der Abstand der Linse zum Film / Netzhaut muss sich also verändern.
    Dieses Prinzip wird bei der Kamera verwendet: Die Linse wird je nach Entfernung aus der Kamera heraus oder in sie hineinbewegt.
    Als Auge ist dieses Prinzip selten. In der Natur gibt es kaum "Stilaugen". Das Auge des Tintenfisches arbeitet so.

  • der Abstand Augenlinse-Netzhaut, also die Bildweite b bleibt konstant.
    Wenn sich die Gegentstandsweite g verändert, dann muss sich die Brennweite f des Auges verändern.
    Nach diesem Prinzip arbeiten die meisten Augen in der Natur.

Mehr zu diesem Vergleich Auge / Kamera findest du hier.


3.) Ferne und nahe Gegenstände scharf sehen.

Die Brennweite f von Sammellinsen (Konvexlinsen) hängt von ihrer Wölbung ab.

Linse kleine Brennweite
stark gewölbt -> kleine Brennweite f
große Brechkraft
Linse großer Brennweite
schwach gewölbt -> große Brennweite f
kleine Brechkraft

Beim Auge liegt die Bildweite b ( Abstand Augenlinse - Netzhaut ) fest.

Wollen wir Gegenstände in verschiedenen Entfernungen (Gegenstandsweite g) scharf sehen, muss unsere Augenlinse ihre Brennweite f verändern. Das bedeutet, dass die Wölbung der Augenlinse, je nach Entfernung des Gegenstandes, den wir scharf sehen wollen, angepasst werden muss.
Diese Aufgabe übernimmt der Ziliarmuskel.(weiter unten auf dieser Seite)


3.1.) Sehen eines entfernten Gegenstandes.

Die Bildweite b, also auch 1/b ist eine feste Größe.
Wenn ein entfernter Gegenstand gesehen werden soll ist g groß und damit 1/g klein. Da b und damit auch 1/b konstant ist, muß die linke Seite der Gleichung (1/f) ebenfalls klein werden. Das bedeutet, dass die Brennweite f groß werden muß.

Sehen in Entfernung : Große Entfernung g -> große Brennweite f

Linsengleichung Auge fernAuge: Sehen eines fernen Gegenstandes

3.2.) Sehen eines nahen Gegenstandes.

Beachte den Unterschied zum Bild darüber: der Abstand Linse-Netzhaut (die Bildweite b) ist gleich geblieben, die Linsen liegen also untereinander.
Die Brennweite der Augenlinse ist nun aber kleiner, da sie stärker gewölbt ist.

Linsengleichung Auge nahAuge: Sehen eines nahen Gegenstandes

Soll ein Gegenstand in der Nähe gesehen werden (g klein, also 1/g groß), so muß die linke Seite der Gleichung ebenfalls groß sein (1/b ist ja immer noch gleich). Es muß also 1/f groß werden, bzw. die Brennweite f klein werden.

Sehen in die Nähe : kleine Entferung g -> kleine Brennweite f


4.) Der Ziliarmuskel verändert die Brennweite der Augenlinse.

Die Veränderung der Linsenkrümmung steuert der Ziliarmuskel, der die Augenlinse ringförmig umgibt, zusammen mit den Aufhängefasern der Augenlinse.
Das Anpassen der Linsenkrümmung, damit man Gegenstände in verschiedenen Entfernungen scharf sehen kann, nennt man Akkommodation, den Vorgang des Scharfstellens akkommodieren.

4.1.) Sehen in die Entfernung.

Wenn wir in die Ferne sehen, ist der Ziliarmuskel entspannt. Das ist sinnvoll, denn wir schauen meist in die Ferne (g > 1m).

Die Aufhängefasern der Linse sind gespannt. Sie ziehen die Linse straff, dadurch ist die Augenlinse schwach gekrümmt.
Sie hat somit die nötige große Brennweite f. (vgl. 3.1.) oben )

Ziliarmuskel Ferneinstellung

4.2.) Sehen in die Nähe.

Der Ziliarmuskel zieht sich dabei zusammen, er wird also kürzer und dicker.
Dadurch sind die Aufhängefasern der Linse nun nicht mehr so stark gespannt, die Augenlinse wird nicht mehr straff gezogen. Durch ihren Eigendruck kann sich nun stärker wölben.
Die Brennweite f wird dadurch kleiner.

Dies strengt den Ziliarmuskel an. Daher tun uns auch nach langem Lesen (Blick in die Nähe) die Augen weh.

Ziliarmuskel Naheinstellung

5.) Simulation der Akkomodation des Auges.

Klicke nicht einfach herum, sondern arbeite die Aufgaben unterhalb des Applets durch.


Fragen / Aufgaben:

1) Schiebe den Regler unter dem Auge hin und her.

  • Was verändert sich an der Augenlinse?
  • Welche Reglerstellung wird für das Sehen in der Nähe richtig sein?
  • Welche Reglerstellung für das Sehen weit entfernter Gegenstände richtig?

2) Klick nun "Quelle ein/aus". Ein Objekt mit den drei Hauptstrahlen wird eingeblendet.
(Wenn du in die Augenlinse klickst, werden die Brennpunkte eingezeichnet, dann kannst du sehen, dass zwei der Strahlen durch die Brennpunkte verlaufen.)

  • Wo muss der Regler stehen, damit der entfernte Gegenstand (linker Bildrand) scharf gesehen wird?

3) Schiebe nun den Gegenstand ("Pfeil") mit gedrückter linker Maustaste näher an das Auge heran.

  • Wie musst du den Regler für die Augenlinse verschieben, damit der Gegenstand wieder scharf auf der Netzhaut abgebildet wird?
  • Was ändert sich an der Wölbung der Augenlinse?
  • Was macht also der Ziliarmuskel dabei?

4) Wenn du den Gegenstand sehr nahe an das Auge bringst, wirst du feststellen, dass es dir nicht mehr gelingt, das Auge richtig zu akkomodieren.

  • Versuche in der Simulation die Entfernung zu finden, in der das gerade noch funktioniert.
  • Warum bekommt man den Gegenstand nicht näher an das Auge heran?
  • Was müsste der Ziliarmuskel und die Augenlinse tun, damit dies möglich wäre?

5) "Die Augen wären schon noch gut, aber die Arme werden langsam zu kurz!"

Diesen oder einen ähnlichen Satz hört man oft von älteren Menschen. Was steckt dahinter?

Klicke "alter Mensch" .
Versuche den Gegenstand nun wieder so nahe wie möglich an das Auge zu bringen, so dass noch eine Scharfstellung möglich ist.

  • Was ist nun anders als beim "jungen Menschen"?
  • Was ändert sich an der Fähigkeit der Augenlinse sich zu wölben mit zunehmendem Alter?
  • Welche andere Erklärung könnte es noch geben? (Denke an den Ziliarmuskel).

Die gerade untersuchte Erscheinung nennt man "Altersweitsichtigkeit".
Irgendwann geht es nicht mehr anders: wenn es der Ziliarmuskel nicht mehr schafft, dann muß man die Brechkraft des Auges mit Hilfe einer Sammellinse erhöhen. Diesen Zweck kann auch eine Lupe erfüllen, die man vor das Auge hält, (oder das früher so beliebte Monokel [ mono - ein ; oculus - das Auge ], eine Sammellinse, die man sich vor das Auge klemmte). Besser ist jedoch eine "Lesebrille" mit Sammellinsen als Brillengläser.

Mehr zur Weitsichtigkeit findest du hier.


© Grafik Kerze und Auge, Sciene Joy Wagon, Steve Wirt, USA.
Alle anderen Grafiken: Landesbildungsserver Baden-Württemberg.

Physlets am Davidson College

Die Simulationen entstanden mit Hilfe von Physlets von Wolfgang Christian und Mario Belloni vom Davidson College, USA (Copyright Hinweise)
© Javascript dieses Problems und Darstellungen: Klaus-Dieter Grüninger, Landesbildungsserver Baden-Württemberg


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