Buchtipps, Methoden, Konzepte und Projekte rund ums Lesen und Vorlesen bietet der Ideenpool Lesen gegliedert für alle Schularten und auch für den Elementarbereich.

Bücher des Monats November 2015

Jutta Bauer – Die Königin der Farben/ The Queen of Colours (ab 5 Jahren)

Emil Ostrovski – Wo ein bisschen Zeit ist … (ab 14 Jahren)

Dirk Pope: Idiotensicher (ab 13 Jahren)

Susan Kreller– Schneeriese (ab 12 Jahren)

Heinz Janisch - Der rote Mantel (ab 4 Jahren)

 


Jutta Bauer – Die Königin der Farben/ The Queen of Colours


Zwei Sprachen in einem Buch:
Deutsch / Englisch - Deutsch/Türkisch - Deutsch/Russisch - Deutsch/Polnisch
SchauHoer Verlag
ISBN: 978-3-940106-10-0
Hardcover: 64 Seiten
Altersempfehlung: ab 5 Jahren


 

„Eines Morgens trat Malwida, die Königin, vor ihr Schlosstor. Sie rief ihre Untertanen: „Blau!“ – Mit diesem Befehl beginnt das mehrfach ausgezeichnete Kinder- und Bilderbuch „Die Königin der Farben“ von Jutta Bauer. Die jungen Zuhörer erfahren, dass das Blau sehr sanft und freundlich ist und sich ebenso leise entfernt wie es kam. Ganz im Gegensatz zum Rot, das stark, wild und gefährlich über Malwida hinweg tobt. Es verwandelt sich in ein stürmisches Pferd, das mit der Königin durch ihr Reich galoppiert, Tränen und Zerstörung hinterlässt und nur zögernd verschwindet. Nach dem Rot erscheint das Gelb, das Malwida warm und hell wie eine Decke einhüllt. Allerdings ist das Gelb auch zickig und gemein. Malwida und das Gelb geraten in einen Streit, den nicht einmal das sanfte Blau schlichten kann. Als das neugierige Rot hinzukommt, vermischen sich die drei Farben und werden zu Grau. Auf einmal gibt es kein sanftes Blau, leuchtendes Rot oder warmes Gelbƒ mehr, sondern eine graue Fläche, die sich schnell ausbreitet, Himmel und Landschaft verfärbt und schließlich sogar auf Malwida übergeht. Zuerst ist sie traurig, dann wird sie wütend und schreit, dass das Grau verschwinden soll. Aber das Grau lässt sich nicht wie ihre bisherigen Untertanen kommandieren. Es bleibt. Schließlich resigniert Malwida und man sieht sie winzig klein vor ihrem grauen Schloss kauern. Nach einer langen Zeit der Verzweiflung erfolgt die Rettung wie von selbst. Malwida beginnt zu weinen und ihre bunten Tränen, die erst langsam, dann immer stärker hervorsprudeln, lassen das Grau verschwinden. An seiner Stelle erscheinen wieder das sanfte Blau, das wilde Rot und das warme und manchmal gemeine Gelb. Auf den letzten Seiten spielen eine glückliche Malwida und die Farben miteinander. Es entstehen zarte Linien und Punkte, farbenprächtige Muster und schließlich werden wahre Farbexplosionen entfacht. Als sie müde werden, deckt das sanfte Blau alle zu und Malwida schläft mit einem seligen Lächeln ein.
Die Geschichte beschreibt die Entwicklung Malwidas von der herrischen Königin zu einer Frau, die tanzend und kreativ mit den Gefühlsfarben spielt. Zu Beginn des Buches kommandiert Malwida ihre Farbuntertanen herum, bis diese sich zu einem einheitlichen Grau zusammentun, welches für sie zu einem Sumpf der Traurigkeit wird. Mithilfe ihrer Tränen kann sich Malwida aus der Situation befreien und erlebt, dass erst das Zusammenwirken aller Emotionen reichhaltiges und glückliches Leben ermöglicht.
Jutta Bauer, die das Buch auch illustriert hat, charakterisiert Malwida mit wenigen schwarzen Strichen. Im Gegensatz dazu treten die drei Grundfarben Blau, Rot und Gelb auf, die verschiedene Gefühle wie Sanftheit, Kraft oder Wärme ausdrücken. So entstehen Zeichnungen ohne viele Details, die dennoch den Text gekonnt in Szene setzen.
Eine weitere Ebene wird durch die Sprache begründet. Jeder Satz wird zuerst auf Deutsch, darunter in englischer Sprache wiederholt. So ist es möglich, das Buch bereits in der Grundschule auf Englisch oder zweisprachig vorzulesen. Die Kinder lernen dabei bereits die englischen Bezeichnungen für die Farben, sowie weitere Vokabeln. Damit eignet sich das Buch sehr gut für das frühe Fremdsprachenlernen.
"Die Königin der Farben" wird in weiteren Sprachen angeboten: Deutsch - Türkisch, Deutsch - Russisch, Deutsch - Polnisch. So lädt der Verlag zu mehrsprachigen Vorleseprojekten ein, in denen die Vielsprachigkeit der Grundschulkinder Würdigung erfährt
Nach dem Vorlesen bietet sich eine fächerübergreifende Behandlung des Buches an. Im Deutschunterricht könnten die Schüler angeregt durch die Bezeichnungen „sanftes Blau“, „wildes Rot“ und „warmes Gelb“ weitere Adjektive zu den drei Grundfarben suchen und diese auf blaue, rote und gelbe selbstgestaltete Flächen schreiben, wobei eine Verbindung zum Kunstunterricht hergestellt wird. Eine andere Möglichkeit zur Darstellung der gefundenen Adjektive wäre, sie in den jeweiligen Farben graphisch darzustellen, beispielsweise die roten Wörter mit starkem Druck auf das Blatt zu bringen, kantig, fett oder zackig geschrieben.
Im Kunstunterricht empfiehlt es sich, auf die Farbenlehre nach Johannes Itten einzugehen und ausgehend von den drei Primärfarben die drei Sekundärfarben Orange, Grün und Violett und deren Entstehung zu untersuchen. Am Ende des Buches bemerken aufmerksame Betrachter im lustigen Farbenspiel bereits die Sekundärfarben Grün und Orange.
Zu intensiveren Auseinandersetzung mit der Geschichte und der eigenen Textproduktion könnte die Stelle anregen, als sich die Farben zum Grau zusammentun und es im Buch heißt: „Das Grau ließ sich nichts befehlen, es blieb. So verging eine lange Zeit.“ Diese Zeilen werden verstärkt durch die Illustration der grauen, einsamen Königin. Die an dieser Stelle abgebrochene Geschichte ermutigt die Schüler sich Fortsetzungen zu überlegen und im zweiten Schritt aufzuschreiben.
Auf den letzten beiden Seiten des Buches regen die königlichen Freudentänze zu eigenem Schaffen an.

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Emil Ostrovski – Wo ein bisschen Zeit ist …

FISCHER FJB
ISBN 978-3-8414-2160-9
Gebundene Ausgabe: 302 Seiten
Altersempfehlung: ab 14 Jahren


Der Debütroman „Wo ein bisschen Zeit ist…“ des 23-jährigen Emil Ostrovski ist ein Roadtrip-Abenteuer, dessen Rahmenhandlung schnell erzählt ist, während unter der Oberfläche jedoch viel passiert.

Mit 18 Jahren wird Jack Polovsky ungewollt Vater und entführt seinen zur Adoption freigegebenen Sohn kurzerhand aus der Klinik, weil er noch nicht dazu bereit ist, ihn herzugeben. So beginnt eine abenteuerliche Flucht vor der Polizei, deren Ziel Jacks geliebte demente Großmutter sein soll. Ihr möchte er seinen Sohn Sokrates vorstellen, den er nach dem Philosophen benennt. Dabei begleiten ihn sein bester Freund und letztlich auch seine Exfreundin und Mutter des Kindes. Diese zweitägige, turbulente Reise wird immer wieder durch tiefgründige Zwiegespräche unterbrochen, in denen sich Jack mit seinem Sohn über den Sinn des Lebens und des Daseins unterhält. Philosophische Fragestellungen ziehen sich wie ein roter Faden durch die gesamte Geschichte.

Obwohl es von jungen Erwachsenen handelt, ist „Wo ein bisschen Zeit ist …“ kein typisches Jugendbuch. Das Geplänkel zwischen Jack und seinem besten Freund Tommy, in dem die Sätze fast alle mit dem Wort „Mann“ beginnen oder enden, stehen im starken Gegensatz zu den philosophischen Zwiegesprächen, die Jack mit seinem Sohn führt. Diese Mischung aus Fragen nach dem eigentlichen Sinn des Lebens und der an vielen Stellen auftretenden Situationskomik lassen das Buch zwar rasch lesen – „leichte Kost“ ist es dennoch nicht.


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Dirk Pope: Idiotensicher

Carl Hanser Verlage
ISBN 978-3-446-24744-4
ePUB-Format: ISBN 978-3-446-24861-8

Flexibler Einband , 192 Seiten
Altersempfehlung: ab 13 Jahren


Die drei Freunde Moki, Joss und Basti sind für jedes Abenteuer zu haben. Der farbige Moki ist nicht nur wegen seines verrückten Stils der Anführer der Gruppe. Und so erleben die Adrenalinjunkies beim Motorradfahren im stillgelegten Fabrikgelände, beim Kranspringen in den Fluss oder beim „House-Running“ durch fremde Wohnzimmer immer wieder neue Kicks. Dass dabei Regeln gebrochen werden, ist für die Jungen normal.
Als die drei Jungs gemeinsam mit der Isländerin Elín Drogen finden, gerät das Leben auf der Überholspur, wie zu erwarten, völlig aus der Bahn. Natürlich versuchen die Jungs den großen Deal einzutüten, was natürlich anders abläuft als von ihnen geplant. Erst in letzter Sekunde gelingt es den Jugendlichen unter Mithilfe eines Erwachsenen das Blatt zu wenden.
Dirk Popes Erstlingswerk ist ein frisches und freches Jugendbuch, das vor allem durch seine Direktheit und Sprache zu gefallen weiß. Die Abenteuer der Gruppe erinnern einen teilweise an Mark Twains „Die Abenteuer des Huckleberry Finn“.
Interessant ist vor allem die Erzählweise des Buches. Das in drei Akte aufgeteilte Buch verläuft dabei in einer nicht linearen Erzählweise. In Protokollen mit Basti, Joss und Elín muss sich der Leser die Geschichte vor seinem geistigen Auge zusammensetzen. Der dominierende „Ich-Erzähler“ verlangt immer wieder einen protagonisitschen Perspektivenwechsel. Durch die Protokollerzählung wird auch klar, dass die kriminellen Aktivitäten wohl von der Polizei aufgedeckt wurden.
So hat man hier ein Buch, das sich den Themen: Freundschaft, Moral und Erwachsenwerden widmet und gerade für Jugendliche zwischen 12 und 16 interessant sein dürfte. Das Buch ist durch die kurzen Kapitel und die einfache Sprache auch für Leserinnen und Leser geeignet, deren Lesekompetenz noch wachsen muss. Das Buch "Idiotensicher" könnte somit auch als Klassenlektüre eingesetzt werden.


Link zur Leseprobe


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Susan Kreller– Schneeriese

Carlsen Verlag
ISBN 978-3-551-58318-5
Gebundene Ausgabe: 208 Seiten
Altersempfehlung: ab 12 Jahren


Zwischen dem 14-jährigen Adrian und der gleichaltrigen Nachbarstochter Stella besteht seit langem eine innige Freundschaft. Adrian ist mit 1,94 Metern ungewöhnlich groß, weshalb ihn seine Mutter bittet, sich einer Hormontherapie zu unterziehen, um das Wachstum zu stoppen. Adrian fühlt sich jedoch von seiner Umwelt akzeptiert, vor allem aber von Stella, für die seine Größe so unwichtig ist, dass sie es sich zur Gewohnheit macht, für ihn die „großwüchsigsten Rekorde“ aus dem Lexikon herauszusuchen („Höchster Schornstein der Welt: Kamin eines Kohlekraftwerks in Kasachstan“) und ihn freundschaftlich „Einsneunzig“ nennt. Allmählich verwandeln sich Adrians freundschaftliche Gefühle für Stella in die erste Jugendliebe. Zeitgleich mit dieser Entwicklung ziehen in einer Nacht-und-Nebel-Aktion neue Mieter in das Nachbarhaus der beiden, eine Familie, die aus Georgien geflohen ist. Stella ist vom ersten Moment an neugierig auf diese fremden Bewohner und freundet sich mit Dato, dem gleichaltrigen Sohn an. Während Adrian den geheimnisvollen Dato ablehnt, verliebt sich Stella Hals über Kopf. Es entspinnt sich eine zarte Liebesgeschichte zwischen Stella und Dato, bei der sich Adrian plötzlich überflüssig vorkommt. In seinem Rückzug von Stella zurück gerät er in eine große Krise.
Wie es Adrian schafft, in seinem Elend schließlich wieder Mut zu schöpfen, wer ihm dabei hilft und wie Stella und er am Ende einen Weg finden, sich wieder zu begegnen, erzählt Susan Kreller in einfühlsamen Worten und mit poetischer Sprachgewalt. Sie verwendet Formulierungen, die einem bekannten Wort neue Bedeutungen geben und findet zahlreiche ungewöhnliche Metaphern und neue Wortschöpfungen. Dieser faszinierende und humorvoll-ironische Sprachstil schwächt die Wirkung von Adrians tiefer Depression ein wenig ab.
Gut gelungen ist der Autorin auch der Bezug zu Hans Christian Andersens Märchen von der Schneekönigin. Im Deutschunterricht könnte dieses Märchen einen möglichen Zugang zum Buch darstellen. Schülerinnen und Schüler könnten untersuchen, wie sich märchenhafte Symbole in die heutige Zeit übersetzen lassen. Wie der Protagonist Kay im Märchen wird Adrian im Laufe des Romans erfüllt von Hass und Kälte. Im ganzen Buch finden sich Parallelen zwischen Kay und Gerda aus dem Märchen und Adrian und Stella, deren Geschichte ebenfalls im Winter spielt. Viele Elemente aus dem Märchen, beispielsweise der Eissplitter in Kays Auge, tauchen in „Schneeriese“ auf und verleihen dem Roman einen kleinen Hauch von Magie. Durch diesen Vergleich könnten Schüler erfahren, dass die Jahrhunderte alten Märchen auch in unserer Zeit nichts an Gegenwartsbezug verloren haben.
Das Buch lässt sich nicht eindeutig einem bestimmten Genre zuordnen. Es beinhaltet schaurige Momente, es ist eine tragische Liebesgeschichte und zugleich ein Entwicklungsroman, außerdem berichtet es von den Nöten der Flüchtlinge. Die einfühlsame Beschreibung von Adrians Gefühlslage, die sich wie ein roter Faden durch das Buch zieht, hält das Ganze zusammen, zieht den Leser in seinen Bann und entlässt ihn am hoffnungsvollen Ende des Buches mit einem entlastenden und zuversichtlichem Gefühl.


CB Ideenpool Lesen


Heinz Janisch - Der rote Mantel

Die Geschichte vom roten Mantel
Tyrolia-Verlag
ISBN 978-3-7022-3489-8
Gebundene Ausgabe: 26 Seiten, durchgehend farbig illustriert
Illustratorin: Brigitta Heiskel
Altersempfehlung: ab 4 Jahren


Eingewickelt in eine wärmende rote Decke, erwacht Amir in einem Haus, das wie eine leere Schule aussieht. In der Nacht zuvor war er mit seinem Vater in einem Lastwagen hier angekommen.
Behutsam und ohne das Wort Flucht oder Flüchtlingsunterkunft zu benutzen, führt Heinz Janisch den Leser in die Welt des jungen Amir. Als der Junge frierend auf seinen Vater warten muss, kommt ein Mann mit einer roten Decke vorbei. Der Unbekannte zerteilt seine Decke und gibt Amir eine Hälfte davon. Der Frau, die ihm später eine wärmende Suppe bringt, erklärt er, wie er zu seiner roten Decke kam. Daraufhin schlägt diese vor, den Unbekannten „Martin“ zu nennen und erzählt Amir die Martinslegende in kindgerechter Sprache.
Für Kinder und Menschen aus anderen Kulturen bietet Janisch die Geschichte vom heiligen Martin in einfachen, klaren und gut verständlichen Sätzen an. Dabei werden die wesentlichen Botschaften, zum Beispiel Martins Angst vor den Kämpfen in seiner Zeit als Soldat oder Martins Beharrlichkeit, als der Kaiser ihn nicht zu sich lassen wollte, in roter Farbe herausgestellt.
Brigitta Heiskel setzt die Farbe Rot ebenfalls gekonnt und gezielt ein. Eher zurückhaltende Bleistiftzeichnungen deuten Räume, Situationen und Beziehungen an, die durch das klare, warme Rot die Botschaft der Martinsgeschichte spürbar machen: Hilfsbereitschaft, Mitgefühl, Zweifel, aber auch an Zielen festhalten. Manche im Buch beschriebenen Ereignisse lösen eventuell Fragen bei Kindern aus, die jedoch im Gespräch geklärt werden können.
Für den Einsatz im Kindergarten oder in den ersten beiden Grundschuljahren empfiehlt es sich, einige Bilder vergrößert herzustellen und diese vor dem Vorlesen gemeinsam zu betrachten. Die klaren und aussagekräftigen Zeichnungen von Brigitta Heiskel bieten sich geradezu an, die Geschichte anhand der Bilder vorweg zu erahnen, bevor der Text angeboten wird.


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