Der „Sedantag“ in Rastatt – Ausdruck einer gemeinsamen Erinnerungskultur im Kaiserreich?

Hintergrund

Bedeutung


Am 2. September 1873 wurde in Berlin die mit erbeuteten Kanonen aus dem Deutsch-Französischen Krieg verzierten Siegessäule eingeweiht. Damit wurde die militärische Komponente der Reichseinigung hervorgehoben. Desgleichen wurden viele Kriegerdenkmäler im Reich am 2. September eingeweiht.

Am Beispiel der Sedanfeierlichkeiten – und auch der Feiern zum Kaisergeburtstag – in Rastatt lassen sich typische Programmpunkte und Merkmale eines einerseits militärisch geprägten Gedenktages mit volksfestähnlichem Charakter andererseits herausarbeiten, der die ganze Bevölkerung in die gemeinsame Erinnerung an die glorreichen Heldentaten der Soldaten und des Kaisers einband.

Nicht nur die Facetten der Sedanfeierlichkeiten selbst, sondern auch die Akzeptanz dieses Gedenktages durch unterschiedlichen Gruppierungen gewähren einen interessanten Einblick in die politischen Strömungen des Kaiserreiches und die jeweils eigenen Erinnerungskulturen, denn sowohl Sozialdemokraten als auch Katholiken boykottierten das Sedanfest als „Reichsschlachttag“ oder als „Satansfest“. Diese fehlende Beteiligung mancher Gruppen wird im Rastatter Wochenblatt 1878 sehr kritisch kommentiert. In Rastatt lässt sich diese Ambivalenz der unterschiedlichen Erinnerungskulturen auch in den Diskussionen um die Errichtung der Denkmäler für die Gefallenen von 1870/71 einerseits und die getöteten Revolutionäre von 1849 andererseits erfassen.

B 4 Aufruf zur Finanzierung eines Kriegerdenkmals für die Gefallenen von 1870/71

Die Feier des 25-jährigen Jubiläums des Tages von Sedan im Jahr 1895 wurde nicht nur in Rastatt, sondern im ganzen Reich groß gefeiert, ist aber auch zugleich der letzte Höhepunkt der Feierlichkeiten, die nach und nach an Bedeutung verlieren. In Rastatt wie im Reich insgesamt lässt sich nach 1895 ein Rückgang der Feierlichkeiten nachweisen – im Rastatter Tagblatt von 1908 heißt es: „Die Feier des Sedantages ist weniger rauschend geworden im Laufe der Zeit… zurückgedrängt von der Freude an der friedlichen Entwicklung.“ Der Sedantag wurde in der Rastatter Zeitung oft nur noch als eines von anderen historischen Ereignissen aufgeführt.

B 5 Rastatter Tagblatt vom 2. September 1908 mit einem Eintrag zum Sedantag

Besonderes Interesse an den Feierlichkeiten hatten die Militär- und Kriegervereine, die sich diesem Gedenken besonders verschrieben. Die Kriegsveteranen wurden zu den Feierlichkeiten gesondert eingeladen und marschierten bei Paraden mit. Zum 25-jährigen Jubiläum beschloss der Gemeinderat einen Ehrensold für die Kriegsveteranen auszuzahlen.

B 6 Zeitungsartikel, der über die Zahlung eines Ehrensoldes für die Kriegsveteranen von 1870/71 informiert

Am Beispiel Rastatts lassen sich demnach typische Abläufe der Feierlichkeiten in ablesen und gerade die Frage nach einer einigenden Erinnerungskultur untersuchen.
In Rastatt als Revolutionsort war die Inakzeptanz dieses Festes und die Errichtung der damit verbundenen Denkmäler spürbar, obwohl die SPD selbst erst 1904 gegründet wurde.

 


 - Arbeitskreis Landeskunde/Landesgeschichte RP Karlsruhe  -