Die Abschiebung der Wimpfener Ortsarmen nach Amerika im Jahr 1854/55 im Spiegel der amerikanischen Presse

Hintergrund

Bedeutung


Abschiebungen von Ortsarmen aus badischen und württembergischen Gemeinden in die USA kamen in der Mitte des 19. Jahrhunderts häufig vor. Einige Beispiele: Victor von Scheffel schrieb als junger Jurist am 12. April 1851 an seine Eltern: „Bis Ende Mai werden gegen 500 Personen aus dem Kirchspiel Herrischried nach Amerika spediert. Um diese Biedermänner ins Amerika zu schaffen, sind alle Kräfte in Anspruch genommen, der Pfarrer von Herrischried muss Kittel schneidern und Stiefel schustern lassen.“ Am 23. Mai schreibt Scheffel: „Der Staat wendet mehr als 50 000 Gulden für sie auf, jeder Kopf bekommt in Amerika noch einiges Geld für sich.“

Der Gemeinderat von Großweier bei Achern beschloss im Dezember 1852 „einen großen Teil hiesiger armer Ortsbewohner, welche der Gemeinde lästig fallen, auf Kosten der Gemeinde nach Amerika zu liefern“. Betroffen waren ca. 300 Personen. Aus dem badischen Gamshurst schob man 344 Personen nach Kanada (Québec) ab: 229 Erwachsene, 107 Kinder unter 12, darunter 8 Säuglinge. Im Staatsarchiv Freiburg findet sich eine dicke Akte mit der Bezeichnung: „Soziale Zustände in Dürrheim und Abschiebung unliebsamer bzw. unbemittelter Personen aus Dürrheim nach Nordamerika sowie Gesuch der Gemeinde Dürrheim um staatliche und armenbehördliche Unterstützung der Auswanderung.“ Das Dorf Winzeln im württembergischen Amt Oberndorf schickte in diesen Jahren über 500 Arme, mehr als ein Drittel der Bevölkerung, nach Amerika. Die Vereinigten Staaten waren von solchen Abschiebungen alles andere als erbaut und versuchten dieser Entwicklung - wie der Fall Wimpfen zeigt - durch gesetzliche Bestimmungen, Aufklärungsarbeit und Presseaktionen entgegenzuwirken.

Häufig erfährt man in den Ortsgeschichten wenig oder nichts darüber, was mit den Abgeschobenen geschah, nachdem sie ihre Heimatgemeinde verlassen hatten. Im Stadtarchiv Wimpfen haben sich Dokumente, die u.a. aus den Vereinigten Staaten nach Wimpfen gesandt wurden, erhalten. Auch in dem inzwischen online gestellten Jahrgang der Allgemeinen Auswanderungs-Zeitung von 1855 spiegelt sich in Berichten aus der amerikanischen Presse die Reaktion auf die Wimpfener Abschiebungsaktion.

Die „Allgemeine Auswanderungs-Zeitung. Ein Bote zwischen der alten und neuen Welt“ wurde laut Angaben auf dem Kopf der Zeitung  „redigiert von G.M. von Ross in Nord-Amerika“ und erschien im thüringischen Rudolstadt.

B 5, New Orleans um 1857

 

Schülerinnen und Schüler erfahren durch die Auseinandersetzung mit deutschsprachigen amerikanischen Quellen, was Abschiebung von Ortsarmen aus südwestdeutschen Gemeinden in der Mitte des 19. Jahrhunderts bedeutete und wie die amerikanische Öffentlichkeit darauf Schülerinnen und Schüler erfahren durch die Auseinandersetzung mit deutschsprachigen amerikanischen Quellen, was Abschiebung von Ortsarmen aus südwestdeutschen Gemeinden in der Mitte des 19. Jahrhunderts bedeutete und wie die amerikanische Öffentlichkeit darauf reagierte. In einem Vergleich mit der Abschiebungsdiskussion heute diskutieren sie Unterschiede und Parallelen.


- Arbeitskreis Landeskunde/Landesgeschichte RP Stuttgart -


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