„Hier hört alles Denken und alle Vernunft auf.“ Fritz Blum – Ein Mannheimer Abiturient im Ersten Weltkrieg

Hintergrund

Zeittafel

 

Fritz Blum 1904

B 3 Fritz Blum 1904.

Fritz Blum
Die Familie Blum stammte aus Kehl am Rhein, wo Fritz am 01.11.1897 als erstes Kind von Friedrich und Anna Blum zur Welt kam. Im Oktober 1899 wurde seine Schwester Agnes und 11 Jahre später seine Schwester Lily geboren. Im Herbst 1902 wurde Dr. Friedrich Blum Direktor des neu gegründeten Lessing-Gymnasiums und die Familie zog von Kehl nach Mannheim. Sie wohnten zuerst in der Elisabethstraße und erwarben 1907 ein Haus in der Lachnerstraße. Nach den Osterferien 1904 kam Fritz in die Bürgerschule und im Herbst 1907 in das Realgymnasium II, das heutige Lessing-Gymnasium.

Fritz Blum 1909

B 4 Fritz Blum 1909 im Alter von zwölf Jahren.

Neben vielen anderen öffentlichen Gebäuden war in diesem Jahr auch der Neubau des Lessing-Gymnasiums zum 300-jährigen Jubiläum der Stadt Mannheim fertig geworden. In seinem Buch berichtet Dr. Blum, dass er in seiner Rede zur Einweihung des Gebäudes nachdrücklich den dreifachen Zweck betont hat, dem es dienen sollte: „Das Gebäude sollte bestimmt sein litteris, virtuti, patriae, der wissenschaftlichen Ausbildung, der sittlichen Ertüchtigung und der Pflege der Vaterlandsliebe. Er (der Vater) ahnte, als er diese Worte sprach, nicht, dass so mancher von seinen jugendlichen Zuhörern, darunter auch sein eigener Sohn, ein Dezennium später die Treue zum Vaterland mit dem Tod besiegeln sollte.“

Der Vater Dr. Friedrich Blum

B 5 Der Vater Dr. Friedrich Blum.

Der Vater beschreibt Fritz als sehr sprachgewandt, was sich auch in dessen Feldpostbriefen zeigt. Neben der Literatur interessierte sich Fritz für Geschichte und Philosophie und spielte ausgezeichnet Violine. 1912 wurde er in der Christuskirche konfirmiert. Als Wahlspruch gab ihm Stadtpfarrer Klein folgende Verse aus dem Korintherbrief mit auf den Weg: „Wachet! Stehet im Glauben! Seid männlich und seid stark!“

Der Beginn des Krieges führte im Lessing-Gymnasium zu einer Kürzung des Stundenplans, da ein Teil der Lehrer zum Militär eingezogen wurde, darunter auch der Direktor Dr. Friedrich Blum. Als Offizier zog er mit seinem Bataillon im November 1914 an die Front.

Bereits im Sommer 1914 fielen die ersten ehemaligen Schüler des Lessing-Gymnasiums. Im Laufe des Krieges notierte sich Fritz in seinem Tagebuch die Namen von gefallenen Lehrern und Schülern. Im Mai 1916 legte Fritz seine Abiturprüfung ab, die er mit der Gesamtnote „gut“ bestand.

 

Fritz Blum als Abiturient 1916

B 6 Der Abiturient Fritz Blum 1916.

Fritz wollte anschließend in Heidelberg Nationalökonomie studieren. Er konnte sein Studium jedoch nicht aufnehmen, da er bereits am 17. April 1916 den Gestellungsbefehl erhielt.
 
Ein Abiturient im Krieg
Am Freitag, den 5. Mai um 7 Uhr morgens hatte er sich im Hof der Mannheimer Kaiser-Wilhelm-Kaserne zur Musterung einzufinden. Trotz seiner labilen Gesundheit wurde er eingezogen und dem Infanterie-Regiment Nr.170 zugewiesen. In Gengenbach erhielt er seine erste militärische Ausbildung.

 

Fritz Blum als Soldat 1916

B 7 Fritz Blum 1916 als Soldat in Mannheim.

Den körperlichen Strapazen dieser Zeit war er nicht gewachsen, so erkrankte er an einer schweren Lungenentzündung. Nach Behandlungen in Gengenbach und im Reservelazarett in Baden besserte sich sein Gesundheitszustand und er wurde in ein Erholungsheim geschickt, wo ihn seine Eltern besuchten. Nach einer weiteren schweren Erkrankung und einem kurzen Aufenthalt in Mannheim kehrte er im April 1917 nach Gengenbach zurück. Am 8. Mai kam sein Regiment an die Westfront und wurde in eine Reservestellung nach Wetteren an der Schelde in Ostflandern verlegt.

Fritz Blum im Mai 1917 in Gengenbach

B 8 Fritz Blum im Mai 1917 in Gengenbach.

Über Pfingsten erhielt Fritz Urlaub und besuchte seinen Vater in Antwerpen. Bei einem Gegenbesuch in Wetteren im Juli 1917 sah Friedrich Blum seinen Sohn zum letzten Mal lebend. Fritz kam im August in einem Transport an die Front in Flandern und wurde dem Regiment 25 zugewiesen. Ende August erreichten sie ihre Stellung in unmittelbarer Nähe des Ortes Langemarck, der im November 1914 zum Schauplatz eines militärischen Desasters geworden war, dem Tausende von deutschen Soldaten zum Opfer fielen. Am Abend des 4. September kam Fritz mit seinem Bataillon in die vordersten Stellungen, wo sie tagelang dem Trommelfeuer ausgesetzt waren. In einem Brief vom 6. September 1917 schrieb er „im Leichenfeld von Langemarck“ an seinen Vater:
„Heute, am zweiten Tage, da wir hier vorne im Granatloch liegen, haben wir bereits zweimal schwerstes Trommelfeuer gehabt, allerschwerstes Kaliber. O mein Gott, das war eine fürchterliche Heimsuchung. Nur wer diese Höllenqualen schon ausgestanden hat, wenn man ohne Deckung und Schutz im schweren feindlichen Granatfeuer liegt, der kann sich einen Begriff machen, wie's uns geht und zumute ist. Ich hatte mich in ein kleines Schlupfloch verkrochen, als das Höllenkonzert losging. Als es zu Ende war, musste ich mich aus einem Hügel von Lehmbrocken, Erde und Schutt hervorarbeiten, Haushoch waren die Mordgeschosse aufgespritzt und hatten uns halb zugedeckt. Etwa zwei Stunden sind seit dem letzten Schuß vergangen, wenn nicht noch mehr, und jetzt erst habe ich wieder so viel Kraft gefunden, mich aufzuraffen und zu schreiben.“

Nach vierwöchigem Dauerbeschuss wurde die Einheit abgelöst und in die Nähe von Metz in eine ruhigere Stellung gebracht. Die Ruhe tat Fritz nach den Anstrengungen in Flandern gut, jedoch wimmelte es in den neuen Stellungen von Ungeziefer und die Verpflegung war viel schlechter. Wiederholt bat er in Briefen an seine Mutter, sie möge ihm Nahrungsmittel, warme Sachen, Bücher und Geld schicken: „Auch für etwas Süßes wäre ich Euch furchtbar dankbar, damit man doch mal wieder etwas anders in den Mund bekommt. Das ewige Einerlei wird einem zuwider. Bei uns gibt's bald nichts mehr als Graupen, Dörrgemüse, Sauerkraut und ab und zu - bei festlichen Gelegenheiten - Nudeln.“
 
Im Oktober 1917 wurde sein Regiment nach Saint Mihiel verlegt, wo Fritz, inzwischen zum Gefreiten ernannt, am 1. November seinen 21. Geburtstag feierte. Ein Urlaubsgesuch wurde abgelehnt und Ende November kam sein Bataillon in die Gegend von Cambrai, wo sie an der Offensive gegen die englischen Stellungen teilnahmen. Über den Sturmangriff und den verzweifelten Widerstand der Engländer schrieb Fritz am 6. Dezember 1917 an seine Eltern: „Dort haben wir schwere Verluste gehabt, bekamen starkes Flankenfeuer. Auch hatten wir von unserer eigenen Artillerie, die vielfach zu kurz schoß, viel zu leiden. Mein Nebenmann fiel dort durch Kopfschuß, er war kurz vor mir, die Kugel flog mir am Gesicht vorbei.“

Fritz überstand die Kämpfe unverletzt und wurde anschließend zu einem dreiwöchigen Maschinengewehrkurs nach Villers-Outreaux abkommandiert, wo er zusammen mit einigen Kameraden sein letztes Weihnachtsfest feierte.
Im Januar 1918 erkrankte er an Furunkulose und blieb mehrere Wochen in Behandlung. Ende Januar wurde er zum Unteroffizier befördert und kehrte zu seiner Kompanie zurück. Nach einem weiteren Maschinengewehrkurs wurde er Führer eines Maschinengewehrs 08/15, das zur Flugabwehr bestimmt war.

 

Fritz Blum an der Front im März 1918 in Frankreich

B 9 An der Front im März 1918 in Frankreich.

Am 21. März begann eine große Offensive gegen die englischen Stellungen. Fritz nahm am Vormarsch nach Péronne teil. Nach zweitägigem, ununterbrochenem Marschieren und Kämpfen wurde die Stadt erobert. Von dort schrieb Fritz seine letzte hoffnungsvolle Karte an seine Mutter. Am Morgen des 25. März 1918 wurde Fritz Blum bei einem Feuergefecht mit englischen Scharfschützen durch einen Bauchschuss in der Nähe von Péronne getroffen und starb eine Stunde später an seiner schweren Verletzung. In der Nähe der Somme-Brücke bei Péronne wurde er von seinen Kameraden in einem Feldgrab bestattet.
 
Heimkehr nach Mannheim
Am 11. April erhielt Friedrich Blum die Nachricht vom Tode seines Sohnes und am 22. April eine Skizze über den Ort, wo er begraben worden war. Als Offizier erhielt er die Genehmigung, den Leichnam seines Sohnes nach Mannheim zu überführen. Gemeinsam mit seinem Adjutanten und einigen Helfern machte er sich auf die Suche nach dem Grab. Am 23. Mai fanden sie mit Hilfe der Skizze das Grab und begannen am folgenden Tag mit der Ausgrabung des Leichnams. Anschließend wurde der Sarg mit der Bahn nach Mannheim gebracht, wo am 29. Mai 1918 auf dem Hauptfriedhof die Beerdigung stattfand.

 

Das Grab von Fritz Blum auf dem Mannheimer Hauptfriedhof

B 10 Das Grab auf dem Mannheimer Hauptfriedhof im September 1918.

Damit hatte Fritz Blum aber dennoch nicht seine letzte Ruhestätte gefunden, denn das Grab auf dem Hauptfriedhof in Mannheim existiert schon seit 1921 nicht mehr.
Nach seiner Rückkehr aus dem Krieg bat Dr. Friedrich Blum um seine Versetzung, da es für ihn aufgrund der Erinnerung an seinen toten Sohn nicht mehr möglich war, die Leitung des Lessing-Gymnasiums wiederaufzunehmen. Er wurde daraufhin Schulleiter am Gymnasium Hohenbaden in Baden-Baden.
Nachdem die Familie Blum 1919 nach Baden-Baden umgezogen war, kam beim Vater offenbar erneut der Wunsch auf, die sterblichen Überreste seines Sohnes an den neuen Wohnort der Familie zu überführen. So wurde am 15. August 1921 der Leichnam erneut exhumiert und nach Baden-Baden überführt. Dort fand er nun in der Grabstätte der Familie Blum (Feld 3, Nr. 2186) seine letzte Ruhe und liegt dort bis heute.
Dr. Friedrich Blum blieb noch bis zu seinem Ruhestand 1932 Schulleiter des Gymnasiums Hohenbaden. Er starb am 9. August 1936 und wurde am 12. September 1936 neben seinem Sohn auf dem Friedhof in Baden-Baden beerdigt.

 

Das Grab von Fritz Blum auf dem Friedhof in Baden-Baden

B 15 Das Grab von Fritz Blum auf dem Friedhof in Baden-Baden im Dezember 2008.


- Arbeitskreis Landeskunde/Landesgeschichte an der ZSL-Regionalstelle Mannheim -


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