Die Universität Heidelberg als bedeutendes Zentrum des deutschen Humanismus im 15. und 16. Jahrhundert

Methodenvorschlag

Didaktische Hinweise

Das Modul stellt ein landeskundliches Vertiefungsangebot dar, mit dem sich eine Brücke zwischen den Teilstandards 'Lebenswelt der mittelalterlichen Stadt' und 'Epochenwechsel vom Mittelalter zur Neuzeit' schlagen lässt. So kann die Universität als besonderer Rechts- und Lebenskreis zunächst in Ergänzung zur Behandlung städtischer Selbstverwaltungskörperschaften wie z.B. Rat und Zunft behandelt werden, um anschließend als Wirkungsstätte bedeutender Vertreter des deutschen Humanismus in den Blick zu treten. In diesem Zusammenhang kommen vereinzelt auch bereits Aspekte der Reformation (Aufkommen des lutherischen Bekenntnisses, Niedergang des Mönchtums, Reformation in der Kurpfalz, Prädestinationslehre) zur Sprache, deren Verständnis die gesonderte Behandlung des Teilstandards 'Reformation als Umbruch' jedoch nicht voraussetzt, sondern vielmehr dazu überleiten kann.

Das Modul beinhaltet einen für alle Niveaustufen identischen Einführungsteil, mit dessen Materialien sich sowohl ein Überblick über die europäischen Universitätsgründungen seit dem 12. Jh. als auch ein genauerer Einblick in die Gründungsgeschichte der Universität Heidelberg gewinnen lässt und der an diesem Beispiel die spezifische Rechtsstellung und Organisationsstruktur mittelalterlicher Universitäten aufzeigt.

Der Hauptteil des Moduls ist der Geschichte der Universität im Zeitalter des Humanismus bzw. dem Wirken bedeutender Heidelberger Humanisten gewidmet. Er ist im Gegensatz zum Einführungsteil nach drei Niveaustufen differenziert, wobei die Differenzierung sowohl durch unterschiedliche thematische Schwerpunktsetzungen bzw. Materialien als auch durch mehr oder weniger anspruchsvolle methodische Zugänge gewährleistet wird.

Niveau G stellt auf der Basis überwiegend kurzer Darstellungstexte die Inhalte des Grundlagenstudiums sowie die Neuausrichtung von Forschung und Lehre in allen vier Fakultäten im Gefolge der von Kurfürst Ottheinrich initiierten Universitätsreform von 1558 in den Mittelpunkt. In dem Bemühen um die Pflege der alten Sprachen bzw. die Erschließung antiker Autoren (Micyllus), dem Rückgriff auf das römische Recht (Donellus), dem Wandel im Umgang mit der Natur bzw. dem menschlichen Körper (Vesalius) sowie nicht zuletzt dem Aufkommen des evangelischen Bekenntnisses (Confessio Augustana) erkennen die Schülerinnen und Schüler zentrale Aspekte humanistischen Gedankenguts.

Niveau M ermöglicht mittels eines Auszugs aus Rudolf Agricolas berühmtem Brieftraktat 'De formando studio' einen Zugang zum Selbstverständnis humanistischer Gelehrter. Anhand der von Agricola formulierten Bildungsziele erkennen die Schülerinnen und Schüler, inwiefern es zu Beginn der Neuzeit zu einer Erweiterung des geistigen Horizonts gekommen ist. Der Text bietet zudem eine reizvolle Gelegenheit, sich - ganz im Sinne der Leitperspektive BO ('Berufliche Orientierung') des Bildungsplans 2016 - mit der Frage der Studienmotivation auseinanderzusetzen. Parallel oder ergänzend zu dem Text von Agricola kann an einem sprachlich nicht modernisierten Auszug aus den Universitätsstatuten von 1558 gearbeitet werden, der das Leben und Lernen in den Heidelberger Bursen zum Gegenstand hat und der Schülerinnen und Schülern im Sinne einer Alteritätserfahrung vor Augen führen soll, dass das Studentenleben im 16. Jahrhundert ungleich reglementierter war als heute.

Niveau E bietet arbeitsteilig einsetzbare Quellen und Darstellungen zu drei bedeutenden Humanisten, die zeitweilig in Heidelberg gelehrt haben:

Auszüge aus Briefen der in Heidelberg verstorbenen Gräzistin Olympia Fulvia Morata, an die auch ein Epitaph in der Peterskirche erinnert, sind geeignet, Schülerinnen und Schülern die Erkenntnisinteressen gebildeter Männer - und Frauen - im Zeitalter des Humanismus exemplarisch vor Augen zu führen, v. a. aber auch aufzuzeigen, wie sich die Menschen jener Epoche als eigenständig-schöpferische Individuen zu verstehen begannen, ohne dadurch notwendigerweise vom Glauben an Gott abzufallen.

Der Typus des humanistischen Universalgelehrten wird durch Sebastian Münster repräsentiert, der v. a. als Kosmograph große Bekanntheit erlangt hat, obgleich er sich auch als Mathematiker und Astronom betätigt und nicht zuletzt als Begründer der christlichen Hebraistik Großes geleistet hat. Als lebensweltlicher Bezugspunkt mag der an sein Wirken in Heidelberg erinnernde Brunnen auf dem Karlsplatz Schülerinnen und Schülern Anlass zu offenen Interpretationen geben, die freilich mit Hilfe der angebotenen Materialien zu Münsters wissenschaftlichen Leistungen und seiner Bedeutung überprüft werden müssen.

Den Zwiespalt der Epoche zwischen der Hinwendung zur Empirie und dem Festhalten an überkommenen Lehrmeinungen antiker Autoritäten soll schließlich das Beispiel des Heidelberger Medizinprofessors (und Reformationstheologen) Thomas Erastus in seinem erbitterten Kampf gegen die neuartigen chymiatrischen Therapieansätze des Paracelsus Schülerinnen und Schülern verdeutlichen.

- Arbeitskreis Landeskunde/Landesgeschichte RP Karlsruhe -


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