2.1.4 Lösung der Schrödingergleichung für das Wasserstoffatom

s - orbitale

Die Schrödingergleichung für das Wasserstoffatom zu lösen ist nicht ganz einfach, aber auch nichts besonderes. Auszurechnen was passiert, wenn man in eine Flöte bläst, ist erheblich komplizierter.
Wenn man die Lösungen kennt, sieht man zuerst, daß die magnetische Quantenzahl m und die Spinquantenzahl s das "Aussehen" d.h. den Wert von y am Ort (x,y,z) nicht beeinflussen, sondern nur die Hauptquantenzahl n und die Nebenquantezahl l.
Wir betrachten zunächst die einfachsten Wellenfunktionen, man erhält sie für die "s-Zustände", d.h. für die Kombinationen n = 1,2,3,.. und l = s, d.h. l = 0 für alle n.
Die entsprechende Lösung ist kugelsymmetrisch, d.h. ihr Wert ist nur vom Abstand r des Punktes (x,y,z) vom Nullpunkt abhängig. Die zugehörigen Energien E sind exakt die Energien aus dem Bohrschen Atommodell!
Wir erhalten folgende Funktionen, denen gemeinsam ist, daß sie mit wachsendem r gegen Null streben. (dargestell ist im Zweifel der Betrag der komplexen Funktion y).

Radialwellenfunktionen y von Wasserstoff für n = 1, 2, 3. Die r - Skala gilt für alle Graphiken; in was für Einheiten y aufgetragen ist spielt hier noch keine Rolle.
 
Wenn wir nun die Aufenthaltswahrscheinlichkeit für ein Elektron in einem Volumenelement dV graphisch darstellen, also y·y* multipliziert mit dem differentiellen Volumen dxdydz, erhalten wir für die s-Zustände, also für alle Lösungen der Schrödingergleichung für die l = 0 ist, ebenfalls radialsymmetrische Funktionen. Radialsymmetrisch heißt, daß der Wert von y nur von r abhängt, und damit nur vom Wert des Potentials am Abstand r vom Atomkern.
Es empfiehlt sich damit natürlich, nicht nach der Wahrscheinlichkeit zu fragen, das Elektron in einem Würfelchen mit Kantenlänge dx zu finden, sondern nach der Wahrscheinlichkeit es in einer Kugelschale mit den Radien r und r + dr zu finden. Wegen der Radialsymmetrie ist das unabhängig vom genauen Ort auf der Kugelschale.
Damit wird das Volumenelement dV proportional zu r2dr (genau ist es 4pr2dr) und die Aufenthaltswahrscheinlichkeit in diesem dV ist proportional zu y·y* r2dr. Wir erhalten die folgenden Graphiken:
Das ist durchaus trickreich! Der Übergang von cartesischen Koordianten zu Kugekoordinaten wegen der Radialsymmetrie ändert ganz entscheidend die Betrachtugsweise: y·y*dxdydz hat ein Maximum am Ort des Atomkerns, während y·y* r2dr für r = 0 schlicht Null ist und dafür ein Maximum bei einem bestimmten r hat. Dies ist in einem besonderen Modul ausführlich dargestellt.
Wir erhalten die folgenden Graphiken:
 
Aufenthaltswahrscheinlichkeiten (= radiale Verteilungsfunktion) für Elektronen des Wasserstoffatoms in den s - Orbitalen (relative Einheiten). Die r - Skala gilt für alle Graphiken

In einer dreidimensionalen Darstellung ist das "s-Elektron", das durch diese Wellenfunktionen beschrieben wird, radialsymmetrisch um den Nullpunkt, d.h. den Ort des Atomkerns "verschmiert".
Dieses "Verschmieren" ist aber nicht als eine Art zeitlicher Mittelwert zu sehen, weil wir nicht schnell genug hinschauen (so ähnlich wie ein "verschmierter" Propeller beim Flugzeug), sondern das Elektron ist diese "Verschmierungswolke", oder, um endlich einen Namen ohne Anführungszeichen zu haben, das Elektron ist das s - Orbital, falls es sich in diesem Zustand befindet.
Auch den Lateinern sei gesagt: Obwohl in diesem Wort noch die "Umkreisung" des alten Bohrschen Planetenmodells steckt, hat die lateinische Wurzel hier ihre Bedeutung verloren. Nichts kreist mehr.
Das Elektron ist mit gleicher Wahrscheinlichkeit (zu jeder Zeit) an jedem Punkt zu finden, der den Abstand r vom Ursprung hat. Dicht am Ursprung, oder weit weg, ist die Wahrscheinlichkeit beliebig klein, sie ist am größten (aber keinesfalls = 1) bei einem bestimmten Radius r0, wie es aus obiger Figur hervorgeht.
Was bedeutet: "Wahrscheinlichkeit, das Elektron zu finden"?
Es bedeutet, daß nur das Eingreifen von außen, eine Messung mit einem geeigneten Gerät, durchgeführt von einem "Beobachter", eine eindeutige Aussage darüber machen kann, wo die durchgeführte Messung das Elektron gefunden hat.
Für diese Messung (und nur diese) ist der Ort, an dem das Elektron war, dann präzise bekannt. Wiederholt man die Messung, findet man in der Regel einen anderen Ort, so wie man beim Würfeln in der Regel eine andere Zahl erhält.
Wiederholt man die Messung oft und zeichnet die gefundenen Positionen (zur Vereinfachung nur zweidimensional) in ein Koordinatensystem ein, erhält man für ein "s"-Elektronen folgende Bilder:

"Experimentelle" Darstellung der s - Orbitale.
Hier wurde ein Experiment durchgeführt (per Simulation im Computer): Mit einer geeigneten Anordung wird der exakte Ort eines Elektrons "gemessen". Der gefundene Ort wird als Punkt in ein x,y,z - Koordinatenkreuz eingetragen. Danach wird das Experiment wiederholt, der jetzt gefundene Punkt eingetragen, usw. Die entstehende Punktwolke gibt dann einen unmittelbaren visuellen Eindruck über die Wahrscheinlichkeit, das Elektron bei der Koordinate x,y,z zu finden.
 
Alle s-Orbitale sehen ähnlich aus, sie haben jedoch verschiedene räumliche Ausdehnungen und verschiedene Energien E. Für n = 1 ist das Elektron mit größter Wahrscheinlichkeit am nächsten am Atomkern zu finden und hat die größte (negative) Energie, d.h. ist am stärksten an den Kern gebunden. Für größere Hauptquantenzahlen ist es "weiter weg" und schwächer gebunden.
Das Bild gibt exakt die Wahrscheinlichkeiten wieder, die man mit der Schrödingergleichung ausgerechnet hat. Und mehr als Wahrscheinlichkeiten kann man nicht ausrechnen. In der Quantentheorie gibt es nur noch Gewißheit bezüglich der (direkt nicht meßbaren) Wellenfunktion, aber nicht mehr bei den beobachtbaren (d.h. direkt meßbaren) Größen!
Diese Tatsache hat bis heute zu ungelösten philosophischen Fragen über das Wesen der Quantentheorie geführt. Die tiefste Frage ist vielleicht aber, um mit Steven Weinberg zu sprechen, ob all diese "tiefen" philosophischen Fragen in Wahrheit vielleicht völlig bedeutungslos sind, und uns nur durch unsere Sprache, die in einer "klassischen" Welt evolutionär entstand, suggeriert werden!
Da noch nie, seit mit der Quantenmechanik gerechnet wird, irgendetwas falsch herausgekommen ist, d.h. irgendetwas in einem Experiment anders gemessen wurde als vor- oder nachher berechnet, brauchen wir uns um die Bedeutung der Quantenmechanik nicht weiter zu kümmern, wenn wir "nur" verstehen wollen, was die Materialien im Innersten zusammenhält, wie ein Transistor funktioniert,oder warum Glas bricht, wenn man mit dem Hammer draufhaut, Gummi aber nicht.
Trotzdem gehört es zur Allgemeinbildung - wenigstens in der naturwissenschaftlich-technischen Welt - ein Minimum an Einblick in die metaphysischen, d.h. philosophischen Fragen nach der Bedeutung der Quantenmechanik zu besitzen. Ein Schlagwort wie "Schrödingers Katze" sollte zumindest so weit bekannt sein, daß man es den ungelösten (philosophischen) Paradoxa der Quantentheorie zuordnen kann. Die aufgeführten Bücher zur Quantentheorie geben dazu reichlich Material. Wer eine kurze, dafür aber mit einfachen Formeln behaftete Darstellung haben will, die darüberhinaus die Unschärferelation als intrinsische Eigenchaft eines Quantensystems begründet, kann in dem Link "Zwei-Zustands System" (demnächst) mehr daürber finden.
Aber nochmals soll betont werden: Wie auch immer diese Fragen beantwortet werden; sie sind für die Ausübung der Materialwissenschaft nicht wichtig. Solarzellen, Chips, Farbfernseher, Flugzeugturbinen, Lambdasonden usw. - alles Produkte der Quantentheorie - funktionieren unabhängig davon, wie man zur "Philosophie" der Quantentheorie steht.

p - orbitale


Als nächstes betrachten wir die Lösungen mit l = 1; d.h. die p - Orbitale. Sie existieren nur für n = 2, 3, ..., nicht für n = 1. Die Maxima dieser Wellenfunktionen ergeben folgendes dreidimensionales Bild

 
Darstellung der Maxima von y für l = 1 (und alle zulässigen n). Beim Übergang zu Aufenthaltswahrscheinlichkeiten verzerren sich die Kugeln zu Keulen.
p - Orbitale im Aufenthaltswahrscheinlichkeitsbild sehen aus wie Keulen; d.h. es ist wahrscheinlicher, das Elektron in einer der drei durch das Koordinatensystem gegebenen Richtungen zu finden, als in einer anderen Richtung. .
Beim Wasserstoffatom (und nur beim Wasserstoffatom!) haben alle l - Zustände jedoch die gleiche Energie wie der zugehörige n - Zustand; d.h.Zustände mit gleichem n und verschiedenem l sind energetisch entartet
Auch hier gilt: Alle p - Orbitale sehen unabhängig vom Wert der Hauptquantenzahl ziemlich ähnlich aus. Sie unterscheiden sich aber hinsichtlich ihrer exakten räumlichen Ausdehnung.

d-Orbitale

Als nächstes sind die d - Orbitale zu betrachten. Wir brauchen mindestens die Hauptquantenzahl n = 3, damit die Nebenquantenzahl den Wert l = 2 annehmen kann.
In der jetzt (hoffentlich) vertrauten y Darstellung ergibt sich folgendes Bild:

 
Darstellung der Maxima von y für die l = 2 oder d - Orbitale. Beim Übergang zu Aufenthaltswahrscheinlichkeiten gibt es wieder Verzerrungen, doch bleibt die Symmetrie erhalten.
 

Magnetische Quantenzahl und Verallgemeinerung

Es wird langsam kompliziert. Deshalb hören wir hier auf, denn für unsere Zwecke müssen wir die möglichen Orbitale nicht im Detail verstehen; wer will kann sich das im Link genauer anschauen. Wir fragen uns lieber, was die magnetische Quantenzahl m und die Spinquantenzahl s noch bewirken.
Einfach ist die Spinquantenzahl s. Sie bewirkt - soweit es uns an dieser Stelle interessiert - noch gar nichts. Jede Lösung der Schrödingergleichung für das Wasserstoffatom ist eine Lösung für ein Elektron mit Spin +1/2 und eine Lösung für ein Elektron mit Spin -1/2. Die Energie ist (ohne Magnetfelder) immer entartet, d.h. für jeden der beiden möglichen Spins gleich groß.
Aber bitte jetzt nicht denken, der Spin ist unwichtig! Er ist - unter anderem- verantwortlich für so wichtige Materialeigenschaften wie Magnetismus!
Außerdem ist die schlichte Tatsache, daß der Spin der Elektronen halbzahlig ist, letzlich dafür verantwortlich, daß es überhaupt Atome gibt - wir werden das gleich sehen.
Ähnliches gilt für die magnetische Quantenzahl m. Sie ändert zwar, wie man oben sieht, die Form der Orbitale; die Energie ist jedoch beim Wasserstoffatom bezüglich m ebenfalls entartet, d.h. alle möglichen Zustände mit verschiedenen l und m haben dieselbe Energie.
Wir haben ein wichtiges Wort nebenbei eingeführt: Den Zustand des Elektrons. Der Zustand beschreibt die eine spezifische Lösung von den vielen möglichen, die beim betrachteten Elektron greift. Der Zustand eines Elektrons im Wasserstoffatom ist durch die 4 Quantenzahlen hinreichend beschrieben.
Fassen wir zusammen, was wir für das Wasserstoffatom gelernt haben:
 
Es gibt schon für ein Elektron viele Lösungen der Schrödingergleichung.
Die Lösungen werden durch einen Satz von 4 Quantenzahlen (n, l,m,s) charakterisiert, zu jedem Satz gehört eine bestimmte Gesamtenergie und eine bestimmte Orbitalform.
Die Orbitalform ist durch n, l und m gegeben; sie gibt an, wie hoch die Wahrscheinlichkeit ist, das Elektron in einem gegebenen Raumsegment zu finden.
Beim Wasserstoffatom sind die Energien bezüglich l,m,s entartet; d.h. werden nur durch n bestimmt. Sie sind identisch mit den Energiewerten aus dem Bohrschen Modell.

Wo "ist" nun das Elektron, oder, präziser gefragt, welche der mögliche Lösungen "sucht es sich aus"?
Ganz auf sich gestellt, wird es immer den Zustand mit der kleinsten Energie aufsuchen, den sogenannten Grundzustand, also den 1s1 - Zustand.
Steht es in Wechselwirkung mit dem Rest der Welt, z.B. durch elektromagnetische Strahlung (inkl. Licht), wird es hin- und wieder genau die richtige Energie aus dem Strahlungsfeld aufnehmen können, um zu einem der höheren Zustände gelangen zu können. Dort wird es einen Weile "sitzen", um dann auf einen energetisch niedrigeren Zustand zu springen - unter Aussendung eines Photons mit exakt der Energiedifferenz der beiden Zustände. Haben wir genügend viele Wasserstoffatome, die bei genügend Energiezufuhr - z.B. in einer elektrischen Entladung oder im Strahlungsfeld einer Sonne - das ziemlich häufig tun, sehen wir ein leuchtendes Gas.
Schauen wir das leuchtende Gas durch ein Spektrometer an, sehen wir scharfe Spektrallinien bei Frequenzen, die exakt den Energiedifferenzen der möglichen Zustände entsprechen.

Erstaunlicherweise findet man aber nicht alle Frequenzen, die eigentlich vorkommen könnten. Nicht alle Übergänge zwischen Zuständen sind erlaubt; es gibt sogenannte Auswahlregeln, die angeben welche Übergänge vorkommen und welche nicht.
Auf diesen beiden Prinzipien: Übergänge zwischen verschiedenen Zuständen und Auswahlregeln beruht die komplette Spektroskopie. Wir wollen sie hier jedoch nicht näher verfolgen, sondern uns als nächstes mit den verbliebenen 91 Atomen beschäftigen
Vorher machen wir aber noch zwei Übungen, eine Nachdenkübung und eine richtige Rechenübung

Nachdenkübung 2.1-3
Testfragen

Übung 2.1-4
Lösung der Schrödingergleichung für eine Potentialstufe

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