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Wir beginnen mit dem einfachsten Fall des freien Teilchens um uns der
Idee der Schrödingerschen Materiewellen zu nähern. Ausgangspunkt ist
die Einsteinbeziehung für Lichtquanten
und
, die de Broglie auf materielle Teilchen
angewandt hatte.
Ein freies Teilchen zeichnet sich dadurch aus, daß keinerlei äußere
Einflüsse auf es stattfinden. Das einzige, was wir über das Teilchen
wissen müssen, um eine Wellengleichung aufzustellen, die es
beschreiben soll, ist die sog. Dispersionsrelation, d.h. den
Zusammenhang zwischen Kreisfrequenz
und Wellenvektor
. Diese Beziehung können wir aber vermöge der klassischen
Mechanik durch den Zusammenhang zwischen Energie und Impuls unter
Zuhilfenahme der Einstein-de Broglie-Beziehung gewinnen. Für ein
freies nichtrelativistisches Punktteilchen ist die Energie identisch
mit der kinetischen Energie, und die ist durch die Beziehung
 |
(2) |
gegeben, wobei
der Impuls des Teilchens und
seine Masse
ist. Hier ist die Masse der einzige das Teilchen näher
charakterisierende Parameter, ansonsten ist es als völlig
unstrukturiert punktförmig abstrahiert. Setzen wir die Einstein-de
Broglie-Beziehung ein, finden wir die gesuchte Dispersionsrelation:
 |
(3) |
Die einfachste Form einer Welle ist nun die aus der allgemeinen
Wellenlehre bekannte ebene Welle, die durch eine Sinuswelle
beschrieben wird. Aus rechentechnischen Gründen verwenden wir hier
die Form der Exponentialfunktion und komplexe Zahlen. Wir werden
sogleich sehen, daß die Schrödingersche Wellenfunktion ohnehin am
bequemsten mit komplexwertigen Funktionen beschrieben wird. Wir setzen
also an
 |
(4) |
Die Dispersionsbeziehung (3) muß nun durch eine
Wellengleichung gegeben sein, also eine partielle
Differentialgleichung, der
identisch genügen muß. Dazu leiten
wir den Ansatz (4) einmal nach
und zweimal nach
ab:
mit  |
(5) |
Vergleichen wir dies mit (3) sehen wir, daß die
Wellenfunktion der Gleichung
 |
(6) |
zu genügen hat, damit die Dispersionsbeziehung identisch erfüllt
wird. Dies ist schon die gesuchte Schrödingergleichung des
freien Teilchens.
Erinnern wir uns jetzt der Bornschen Interpretation der Wellenfunktion
als Wahrscheinlichkeitsamplitude. Demnach sollte also
 |
(7) |
die Wahrscheinlichkeitsdichte der Teilchen sein, also die
Wahrscheinlichkeit pro Volumenelement, zur Zeit
ein Teilchen der
Masse
am Ort
zu finden. Setzen wir da unsere ebene Welle
ein, finden wir für
eine Konstante. Damit aber unsere Welle eine
Interpretation in dem Bornschen Wahrscheinlichkeitssinne überhaupt
besitzen kann, muß die Wahrscheinlichkeit, das Teilchen überhaupt
irgendwo im Raum zu finden, auf
normierbar sein. Das ist aber
offenbar nicht der Fall, denn eine Konstante läßt sich gewiß nicht
mit endlichem Resultat über den ganzen Raum integrieren.
Die ebene Welle entspricht auch ganz und gar nicht unserer Vorstellung
von einem Teilchen, ist es doch zu dem einen Zeitpunkt
überall
gleich wahrscheinlich, es zu finden, denn es ist für die ebene Welle
ja
const. Unserer Teilchenvorstellung käme also ein
Wellenpaket viel näher, d.h. eine Lösung der Schrödingergleichung,
die auf einem relativ schmalen Gebiet eine große Amplitude besitzt,
entsprechend einer hohen Aufenthaltswahrscheinlichkeit in einer mehr
oder weniger großen Umgebung6 eines
Punktes. Weiter weg von diesem Punkt soll das Wellenpaket eine
vernachlässigbare Amplitude besitzen.
Nun hat die Schrödingergleichung (7) die sehr angenehme
Eigenschaft, daß sie linear ist, d.h. für sie gilt das
Superpositionsprinzip. Das bedeutet, daß zu zwei Lösungen
und
der Schrödingergleichung auch jede Linearkombination der
Gestalt
eine Lösung derselben ergibt, wobei
und
beliebige komplexe Konstanten sind. Das kann man mit
beliebig vielen Lösungen so machen und sogar mit kontinuierlich
vielen. Auf diese Weise werden wir sehr natürlich auf die
Fourierdarstellung der Wellenfunktion geführt, d.h. wir machen
den Ansatz:
![$\displaystyle \psi(t,x)=\int \frac{\d^3 \vec{k}}{(2 \pi)^{3/2}} A(\vec{k}) \exp[-\i \omega(\vec{k})t +\i \vec{k} \vec{x}].$](img38.gif) |
(8) |
Dabei ist der Faktor
nur aus
Bequemlichkeitsgründen eingeführt. Damit dieser Ansatz die
Schrödingergleichung erfüllt, gehen wir davon aus, daß das Integral
absolut konvergiert und wir Integration und Differentiation
vertauschen können. Unter diesen Bedingungen die
Schrödingergleichung auf (8) angewandt ergibt sofort
wieder die schon oben benutzte Dispersionsrelation:
 |
(9) |
Diese Dispersionsrelation in (8) eingesetzt gewährleistet
allein schon die Erfüllung der Schrödingergleichung, und zwar für
beliebige Spektralfunktionen
! Das bedeutet wir können für
irgendeine Funktion einsetzen, die absolut über
integrierbar ist.
Um unsere Forderung nach einem Wellenpaket zu erfüllen, setzen wir die
einfachst mögliche Form ein, nämlich eine Gaußverteilung.
Wegen der allgemein großen Bedeutung von Gaußverteilungen in der
Physik wollen wir hier die Fouriertransformation (8)
ausführlich vorrechnen.
Es sei also die Spektralverteilung gegeben zu
![$\displaystyle A(\vec{k})=N \exp \left [ -\frac{(\vec{k}-\vec{k}_0)^2}{4 \alpha} \right ].$](img43.gif) |
(10) |
Wir finden folglich für die Schrödingersche Wellenfunktion gemäß
(8 und (9):
![$\displaystyle \psi(t,\vec{x})=N \int \frac{\d^3 \vec{k}}{(2 \pi)^{3/2}} \exp \l...
...0)^2}{4 \alpha} - \i \frac{\hbar \vec{k}^2}{2 m} t + \i \vec{k} \vec{x}\right].$](img44.gif) |
(11) |
Wir bemerken als erstes, daß sich in diesem Fall die Wellenfunktion
in Form eines Produktes aus Wellenfunktionen für jede der drei
Raumrichtungen schreiben läßt, d.h. es ist
mit
![$\displaystyle \psi_1(t,x_1)=N' \int \frac{\d k_1}{(2 \pi)^{1/2}}\exp \left[-\frac{(k_1-k_{01})^2}{4 \alpha} - \i \frac{\hbar k_1^2}{2 m} t + \i k_1 x_1 \right].$](img46.gif) |
(12) |
Zur Ausführung dieses Integrals berechnen wir zunächst
 |
(13) |
Zunächst führen wir im Argument der Exponentialfunktion eine
quadratische Ergänzung und eine Substitution
aus. Dann
folgt
 |
(14) |
Verbleibt das letzte Integral zu berechnen. Dazu bemerken wir, daß
dieses Integral für
mit positivem Realteil existiert. Für reelle
ist das Integral positiv, und wir können schreiben
 |
(15) |
Damit haben wir das Integral vollständig berechnet. Es sind nur noch
die Werte für die Parameter
,
und
einzusetzen. Die
Ausdrücke werden etwas länger, so daß wir hier nur das Ergebnis
für die Wahrscheinlichkeitsverteilung angeben wollen:
![$\displaystyle w_1(t,x_1)=\frac{\vert N'\vert^2 \sqrt{4 \alpha m}}{\sqrt{m^2+4 \...
...^2 t^2} \left [ \left(x_1-\frac{k_{01} \hbar}{m} t \right)^2 \right] \right \}.$](img53.gif) |
(16) |
Die Normierungskonstante
ist so zu bestimmen, daß
 |
(17) |
wird, entsprechend der Forderung, daß das Teilchen mit
Wahrscheinlichkeit
an einem Ort mit der
-Komponente
gefunden wird. Unter Verwendung des Integrals (15)
ergibt sich
![$\displaystyle \vert N'\vert=\sqrt[4]{\frac{m}{2 \pi}}$](img57.gif) |
(18) |
Wir bemerken, daß die Normierungskonstante zeitunabhängig
ist. Weiter ist klar, daß bisher keinerlei Hinweise aus irgendeiner
Forderung aufgetreten sind, wie der Phasenfaktor (also eine komplexe
Zahl vom Betrag
) von
bzw.
bestimmt werden soll.
Bevor wir in der allgemeinen Entwicklung der Quantentheorie
fortfahren, die diese Beobachtungen klären wird, wollen wir kurz die
Implikationen betrachten, die unser spezielles Resultat ergeben
hat. Die Wahrscheinlichkeitsverteilung
, die sich durch
Multiplikation von drei Faktoren der Form
ausdrückt, ist wieder
ein Gaußsches Wellenpaket. Das verwundert weiter nicht, denn
Gaußsche Glockenkurven sind invariant unter
Fouriertransformationen. Physikalisch interessant sind aber die
Parameter dieses Gaußschen Pakets.
Wir erinnern kurz an die Bedeutung dieser Parameter. Die allgemeine
Form einer Gaußverteilung ist
![$\displaystyle w_G(x)=\frac{1}{\sqrt{2 \pi \sigma}} \exp \left[-\frac{(x-x_0)^2}{2 \sigma} \right].$](img61.gif) |
(19) |
Der Erwartungswert für
ist
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(20) |
Das rechnet man übrigens am geschicktesten durch Ableiten des
Normierungsintegrals nach
aus. Das ergibt natürlich wegen des
von
unabhängigen Wertes 0. Die Ableitung ist aber
. Genauso findet man die Varianz, also die
mittlere quadratische Abweichung vom Erwartungswert. Der Trick mit der
Ableitung ergibt
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(21) |
Wenden wir das auf (16) an, ergibt sich
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(22) |
d.h. der Erwartungswert des Ortes des Teilchens ergibt die freie
Bewegung eines Newtonschen Massepunktes mit dem Impuls
. Die Ortsunschärfe wächst allerdings mit der Zeit, gemäß
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(23) |
Zur Zeit
beträgt die Ortsunschärfe
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(24) |
Für unsere Anfangsverteilung für den Impuls war sie hingegen:
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(25) |
Es gilt also
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(26) |
Wir werden im nächsten Abschnitt zeigen, daß dies die unterste
überhaupt mögliche Grenze für den Ausdruck
ist
(Heisenbergsche Unschärferelation),
und daß dies genau für die Gaußverteilung, die wir als
Anfangsbedingung für die Schrödingergleichung angegeben hatten,
zutrifft. In gewissem Sinne ist unser Gaußsches Wellenpaket das
Beispiel, das größtmögliche Annäherung an ein klassisches Teilchen
bietet, die im Rahmen der Quantentheorie möglich ist.
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