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Staatliche Maßnahmen und menschliche Schicksale am Ende des Krieges

Die Maßnahmen von Seiten der Reichs- bzw. Landesbehörden waren unverbindlich, unkoordiniert und in Teilen planlos. Alles wurde den Lokalverwaltungen überlassen, und so kam es, dass manche Schulen vielerorts zwar bereits im Oktober geschlossen waren, andere, z.B. in den umliegenden Gemeinden, erst zwei Wochen später – als dann die ersteren schon wieder aufgemacht wurden. Ein Schreiben vom württembergischen Kultministerium riet den Schulen dazu, diese möglichst zurückhaltend zu schließen. Trotz Schulschließungen wurden aber Großveranstaltungen, auch politische, noch im Oktober erlaubt und mit mehreren hundert Teilnehmern auch durchgeführt, und zwar nicht nur in den Großstädten. Zu drastischen Maßnahmen, die praktisch zum Stillstand des öffentlichen Lebens geführt hätten, inklusive einem generellen Verbot von Versammlungen, der Schließung von Gaststätten und dem Aussetzen von Gottesdiensten, wie sie etwa einige Kantone der Schweiz verordneten, konnte sich kaum eine Gemeinde im Reich durchringen. Hier spielte wohl nicht zuletzt die angespannte Stimmung in der Bevölkerung, das allmähliche Durchsickern der drohenden Niederlage und soziale Unzufriedenheit eine Rolle. Überhaupt stellt die Gleichzeitigkeit der globalen Grippehöhepunkte mit dem Waffenstillstand an der Westfront und der sogenannten Novemberrevolution eine einzigartige Erscheinung dar. Nicht nur überlagerten die politischen Ereignisse ganz das Infektionsgeschehen, sie beschleunigten es vermutlich noch vielfach durch Massenversammlungen in geschlossenen Räumen.

Es kann davon ausgegangen werden, dass viele Familien die Zeit als grausamen Eingriff des Schicksals erlebten: Beinahe jeder kannte Opfer der Grippe und auch Erzählungen von ganzen Ortschaften, die infiziert waren. Und natürlich sprachen sich auch die Symptome der Grippe schnell herum, vermutlich ähnlich schnell wie das Virus selbst. In allen Ländern war 1918/19 die Grippe (im Gegensatz zu heute) keine meldepflichtige ansteckende Krankheit, d.h. es gibt nur wenige amtliche Zahlen oder Erhebungen. In der Mehrzahl der Fälle starben die Menschen zudem nicht direkt an der Grippe, sondern wohl an Sekundärinfektionen, vor allem bakteriellen Lungenentzündungen, denen das durch die Grippe geschwächte Immunsystem nichts mehr entgegensetzen konnte. Die Betroffenen litten, so wird berichtet, unter hohem Fieber, starken Kopf- und Gliederschmerzen. Schwerkranke bluteten aus Nasen und Ohren oder spuckten Blut. Aus Sauerstoffmangel liefen sie im Gesicht blau an.

Es ist nur schwer zu ermessen, wie die Menschen nach vier Jahren Entbehrung, Not und Sorge um die Söhne und Väter im Krieg diesen weiteren Schicksalsschlag erlebt haben. Aus manchen Traueranzeigen spricht die pure Verzweiflung und gleichzeitige auch eine tiefe religiöse Sinnsuche, wenn z.B. auf „Gott den Allmächtigen, dem es gefallen hat“ diese „heimtückische Krankheit“ zu schicken, verwiesen wird. Oder wie im folgenden Fall, wo vier unmündige Kinder daheim am Sterbebett der Mutter ausharrten, während der Vater noch als Soldat „in Russland“, also bei den im Osten nach dem Frieden von Brest-Litowsk stationierten Truppen, war:

Aus der Ipf- und Jagstzeitung, Ellwangen

(Es handelt sich beim Datum um einen Druckfehler.)

 


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