Bemerkungen für Lehrer

A. Bemerkungen für Lehrer


Bisher habe ich immer in dritten und vierten Klassen unterrichtet. Wenn ich die Kinder zu Beginn von Klasse drei übernahm, waren sie Freies Arbeiten - bis auf eine Klasse - nicht gewohnt. Also begann ich schrittweise mit der Hinführung zu mehr Selbstständigkeit und zur Freien Wahl der Arbeitsformen und -mittel. Die Kinder lernen und akzeptieren dies schnell und arbeiten fröhlich und sehr diszipliniert an ihren Themen.
Methodisch-didaktische Vielfalt im Unterricht ist ausdrücklich im Bildungsplan der Grundschule (BW) gewünscht und projektorientiertes Arbeiten bzw. Epochenunterricht sind durch die "Stundentafel-Öffnungsverordnung" (vom 27. Juni 1998, K.u.U. S. 143/1998) auch organisatorisch möglich. Das Reformkonzept "Grundschule der Zukunft" sieht auch Varianten mit jahrgangsübergreifendem Arbeiten vor.

1. Wie ich mit einer Lernwerkstatt arbeite
Mit einer Lernwerkstatt besteht die Möglichkeit, dass die ganze Klasse über einen längeren Zeitraum (etwas vier bis sechs Wochen) gemeinsam und doch auf gänzlich verschiedene Weise an einem Thema (z. B. Weihnachten, Schriften, Indianer, Tiere im Winter, usw.) arbeitet. Dabei besteht ein vielfältiges Arbeitsangebot, die Kinder wählen selbst, womit sie sich beschäftigen wollen. Es ist nicht notwendig, dass jeder alles bearbeitet. Warum sollte ein sehr sicherer Rechtschreiber zu Rechtschreibübungen gezwungen werden, wenn ihn oder sie brennend die Rechenthemen interessieren oder die Schreibaufgaben. Ein schwaches Kind findet vielleicht Selbstvertrauen, wenn es zur Ausgestaltung des Klassenzimmers beitragen kann und dann noch Lesen übt, während es Angstzustände bekäme, sollte es eine Geschichte zum Thema schreiben. So trägt das Freie Arbeiten dazu bei, dass jedes Kind - angstfrei - seiner Begabung gemäß gefördert und gefordert wird. Es kann vorkommen, dass leistungsschwächere in einer frei gewählten Arbeitsgruppe mit sehr leistungsstarken Kindern nicht sehr viel beizutragen haben, aber durch die gemeinsame Arbeit werden auch sie angespornt, sich anzustrengen und gegebenenfalls über sich hinauszuwachsen. Kinder, die Freies Arbeiten gewohnt sind, entdecken auch schnell über das Angebot hinausgehende Aufgaben für sich selbst. So haben sich z. B. während unserer "Frühlingswerkstatt" einige Jungen zusammengefunden, die über mehrere Einheiten hinweg thematisch orientierte Rechenaufgaben für ihre Klassenkameraden erfunden, aufgeschrieben und ausgedruckt, illustriert und auch gleich die Ergebnisse zur Selbstkontrolle auf die produzierten Karteikarten notiert haben.
Pro Tag lasse ich die Kinder etwa ein bis zwei Schulstunden daran arbeiten, sollten Vertretungsstunden notwendig werden, ist für die Kinder immer Arbeit vorhanden!
Die Kinder sind äußerst motiviert, die Ergebnisse werden entweder täglich im Morgenkreis und/oder zum Abschluss der Werkstatt (u. U. auch einem größeren Publikum) präsentiert. Dazu gibt es vielfältige Möglichkeiten: Ausstellung, Wandzeitung, Zeitung, musikalische oder spielerische Vorführungen oder ein gemeinsames Fest.
Eine Lernwerkstatt zu erstellen ist eine Fleißarbeit (sind wir Lehrerinnen und Lehrer doch immer auch Jäger und Sammler!), aber viele Verlage bieten heute schon komplette Lernwerkstätten in einem Heft an, man muss nur noch kopieren, ...
Allerdings genügt es meiner Ansicht nach nicht, eine Reihe von Seiten aus einem Heft zu kopieren, zu laminieren und im Klassenzimmer aufzustellen. Man muss darüberhinaus auch Material (Werkstattcharakter!) zur Verfügung stellen, das Aufforderungscharakter für die Schülerinnen und Schüler hat.
Auch die Integration der Neuen Medien halte ich für wichtig. So sollten mindestens zwei Computer zur Verfügung stehen zum Schreiben von Texten, Präsentieren von Ergebnissen, Recherchieren im Internet (das ist leider ganz oft noch Zukunftsmusik) oder in multimedialen Lexika, zum Üben, Malen und Visualisieren.
Wie bereits angedeutet, ist die Ausarbeitung einer Lernwerkstatt sehr arbeitsintensiv. Allerdings benötige ich während der Laufzeit für die Werkstatt-Stunden keine Vorbereitung, höchstens Korrekturzeit. In den Unterrichtsstunden selbst muss ich auch nichts "bieten", sondern ich bin frei, mich um einzelne Kinder oder Arbeitsgruppen zu kümmern, sie zu beraten oder aufzumunten, gegebenenfalls auch ihren Eifer zu bremsen. Natürlich muss ich bei manchen Kindern, die sich nicht entscheiden können oder immer wieder nur die einfachsten Aufgaben erledigen, steuernd eingreifen. Ich kann die Kinder beobachten, mir Klarheit über ihre Lernstände und Lernwege verschaffen und so Anhaltspunkte für weitere Fördermöglichkeiten feststellen. Gelegentlich kommt es auch vor, dass mich gar keiner braucht, das sind die "Glücksmomente" in meinem Lehrerleben, wenn alle Kinder leise und konzentriert arbeiten und ich sie beobachten kann in ihrer Lernfreude und in ihrem Eifer.
2. Warum eine Lernwerkstatt nie fertig ist
Eine Lernwerkstatt hat in zweifacher Hinsicht Werkstattcharakter: Sie soll eine zeitliche und räumliche Plattform sein, in der Kinder selbstbestimmt handeln und ausprobieren, auch Fehler und Fehlversuche machen dürfen. Zum anderen besteht aber auch für die Lehrkraft der Anspruch, dass das von ihm/ihr zur Verfügung gestellt Material und die Aufgaben immer erweiterbar sind. Es kann auch sein, dass manche Angebote sich nicht als sinnvoll erweisen, weil keines der Kinder sich davon angezogen fühlt. Dann kann es entfernt oder ersetzt werden. Wenn die Arbeit an einer Lernwerkstatt beendet ist (im neuen Jahr ist das Thema "Weihnachten" nicht mehr so interessant), packe ich das Material in eine Kiste und stelle sie weg. Wenn mir während des Jahres etwas Passendes in die Hände kommt, stecke ich es in den entsprechenden Karton. So erweitern sich die Aufgaben immer mehr und es macht auch mir Spaß, mit einer anderen Klasse neue Angebote zu erproben.
3. Wie ich die Arbeit der Kinder kontrolliere
In der Klasse hängt ein Bogen mit den Namen aller Kinder und der entsprechenden Aktivitäten. Hat ein Kind eine Arbeit beendet, so kreuzt es dort seinen Namen an. Schriftliche Arbeiten werden mir mit Namen versehen in ein Körbchen gelegt, bei den meisten Angeboten ist aber auch zusätzlich eine Selbstkontrolle möglich. Darüber hinaus werden die Ergebnisse täglich oder am Ende allen präsentiert, was ich bereits erwähnte. Die Kontrolle der erledigen Arbeit ist nicht nur sinnvoll um festzustellen, was in den Zeiten Freien Arbeitens überhaupt getan wird, sondern auch um die Ergebnisse entsprechend zu würdigen.
Allerdings halte ich es nicht für angebracht, Noten zu geben. Das schränkt m. E. die Kreativität ein und führt zu Konkurrenzverhalten.