Das Protokollheft – ein Instrument zur Förderung nachhaltigen Lernens im Geschichtsunterricht
Wer hat es innerlich noch nicht beklagt: Unsere Schülerinnen und Schüler sind häufig nicht mehr in der Lage, historische Zusammenhänge kohärent darzustellen. In Klausuren erleben Korrigierende oft ihr blaues Wunder, wenn Schülerinnen und Schüler Konstellation oder Entwicklungen strukturiert darzustellen versuchen. Die Gründe hier zu suchen, wäre müßig; ein geeignetes Gegenmittel zu finden, wäre aus der Sicht vieler Lehrender aber wünschenswert.
Eine Möglichkeit, die narrative Kompetenz der Schülerinnen und Schüler (außerhalb von Klausuren) zu fördern, ist das sog. Protokollheft, das auf eine Idee eines Kollegen am Gymnasium Ebingen in Albstadt zurückgeht. Es fordert Schülerinnen und Schüler dazu auf, sich im Anschluss an jede Doppelstunde summarisch Rechenschaft über das Erarbeitete abzulegen – nicht als Verlaufsprotokoll des Unterrichts, sondern in einem Fazit, das Ergebnisse genauso wie Fragestellungen und Problemorientierungen aus dem Unterricht pointiert ausformuliert. Dieser Ansatz erzieht auch zum stetigen und nachhaltigen Lernen und setzt so einen Kontrapunkt zur Saisonarbeit vor Leistungsfeststellungen und ermöglicht den Schülerinnen und Schülern längerfristige Zusammenhänge zu erkennen. Nicht zuletzt stellt das Protokollheft auch eine permanente Übung für den schriftlichen Ausdruck dar, deren Effekt zweifellos über den Geschichtsunterricht hinausgeht.
Selbstverständlich ist das „Protokollheft“ keine Gewähr dagegen, dass Gelerntes defizitär bleibt, dennoch zwingt es die Lernenden, sich ein weiteres Mal mit dem Stoff zu befassen, zu reflektieren, was der Kern des Unterrichts für sie war, und diese Überlegungen selbstständig in Worte zu fassen. Neben dem reflexiven Anspruch werden auch Grundfertigkeiten gefördert, die im Alltag des (Geschichts-)Unterrichts oft zu kurz kommen. Die Schülerinnen und Schüler investieren hierdurch aktiv in ihre historische Bildung – eine Übung, die unabhängig von der Niveaustufe des einzelnen Schülers sinnvoll erscheint.
Christoph John aus Albstadt berichtet: „Ich lasse die Protokolle in der Kursstufe 1 (Geschichte 2-stündig) verpflichtend schreiben (1 Korrektur pro Halbjahr), in der Kursstufe 2 freiwillig. Immerhin 15 von 20 Schülern haben dieses Halbjahr in der Kursstufe 2 das Heft freiwillig abgegeben! Ich zähle das Heft wie eine Klassenarbeit. Meine Erfahrung: Die Schüler geben sich meist recht große Mühe. Natürlich ist es für ruhige Schülerinnen und Schüler eine gute Gelegenheit, sich zu verbessern.
Teilweise recherchieren die Schüler zusätzlich im Netz, kleben Texte und Bilder ein.
Für mich ist das Korrigieren interessant, ich erfahre den einzelnen Schüler viel unmittelbarer und persönlicher als in Klassenarbeiten. Laut Schülerrückmeldung eignet sich das Heft auch sehr gut für die Klausurvorbereitung und natürlich fürs mündliche Abitur.“
Zweifellos ist das Protokollheft ein Werkzeug für die selbstständige Auseinandersetzung mit dem Stoff auf der Sekundarstufe II, genauso ist es aber denkbar, dass es für einzelne Unterrichtseinheiten in der Sekundarstufe I eingesetzt werden kann bzw. über einen längeren Zeitraum hinweg die Voraussetzungen für eine GFS erfüllt.
Abschließend soll noch die ästhetische Dimension des Protokollhefts betont werden.
Anleitung zur Erstellung eines Protokollhefts
Beispiele für ein Protokollheft von Julia Gutsche, Gymnasium Ebingen, Albstadt:
Welche Rolle hatten Frauen im „3. Reich“?
Besonderheiten der Expansionspolitik im Osten (Hausaufgabe)
Auschwitz als Zivilisationsbruch
Was waren die Hauptziele der jeweiligen Besatzungsmacht?
Welche Idee verfolgte Adenauer in der Deutschland- und Außenpolitik?
Dieses Modul geht auf die Idee von Christoph John (StD) und die tätige Mithilfe von Julia Gutsche (beide Gymnasium Ebingen, Albstadt) zurück.
Herausgeber: Landesbildungsserver Baden-Württemberg
Quelle: https://www.schule-bw.de
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