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Arbeiten mit Zeittafeln: 250 Jahre russlanddeutscher Geschichte und Kultur

In der Bundesrepublik leben circa 2,5 Millionen Bürger, die in der Statistik als Russlanddeutsche auftauchen. In den 90er-Jahren sind viele von ihnen als sog. Spätaussiedler nach Deutschland gekommen und wurden in den letzten beiden Jahrzehnten mehr oder weniger gut integriert. Doch oft sind die Kenntnisse über Russlanddeutsche recht eingeschränkt, womöglich wird lediglich der Name einer prominenten Sängerin genannt, wenn man nach ihnen fragt. Tatsächlich gibt es seit Jahrzehnten viele prominente Russlanddeutsche. Über die Hintergründe der Auswanderung, das Leben im Zarenreich und der Sowjetunion, über die Verfolgungen und der Diskriminierung, denen Russlanddeutsche über Jahrzehnte ausgesetzt waren, bestehen nur geringe Kenntnisse. Deshalb ist es sehr erfreulich, dass der Bildungsplan 2016 für die Klasse 10 dieses Thema vorsieht. 

Helene Fischer - die zweifellos bekannteste Russlanddeutsche

Schleyerhalle, Juni 2013

Weil man wenig Kenntnisse bei Schülerinnen und Schülern (etwa aus der Sekundarstufe I) voraussetzen kann, soll die Behandlung des Themas vor allem über Basisinformationen in Zeitleisten erfolgen. Dass man mit diesen in kurzer Zeit viele Inhalte vermitteln kann, ist bekannt, doch sollen hier ein paar Varianten vorgestellt werden, wie sie als Grundlage einer vertiefenden Arbeit dienen können. Als Informationsquelle zweiter Ordnung werden Zeitleisten auf fundierten Kenntnissen und einer ganz gezielten Auswahl erstellt. Insofern geben sie den ansonsten beliebigen Ereignissen schon ein gewisse Form – allerdings tun sie das anhand des „unoriginellsten“ (Schalansky) Ordnungsprinzips, der Chronologie. Nicht zuletzt deshalb können sie nur der Anfang (oder das nachträgliche Substrat) eines historischen Narrativs sein.

Hinweis zur Datierung: Bis zum 1. Februar 1918 sind alle Daten der russischen Geschichte, falls nicht eigens vermerkt, nach dem julianischen Kalender (alter Stil [A. S.]) angegeben. Ab dem Jahr 1900 betrug der Unterschied zu dem im Westen geltenden gregorianischen Kalender (neuer Stil [N. S.]) 13 Tage, im 19. Jh. – 12 und im 18. Jh. – 11 Tage. Deshalb wurde in der Sowjetunion zum Beispiel der Tag der bolschewistischen Machtergreifung, die sogenannte Oktoberrevolution, die am 25. Oktober 1917 [A.S.] stattfand, am 7. November (25. Oktober plus 13 Tage) gefeiert.

Der Einstieg in das Modul erfolgt über die Anknüpfung an bekanntes und die Öffnung für einen neuen Horizont. Um sich über den geographischen Raum und die Verteilung bewusst zu werden, befassen sich die Schülerinnen und Schüler zuerst mit Landkarten, die die Ansiedlung im 18. und 19. Jh., die Deportation in den 1940-ern und die heutige Besiedlung abbilden. Danach befassen sich die Schülerinnen und Schüler mit den Zeitleisten, die unterschiedliche Entwicklungen abbilden – dies kann arbeitsteilig (differenziert und gleichzeitig) oder arbeitsgleich (nacheinander und zur Vertiefung) erfolgen. Für eine Doppelstunde wäre aber die arbeitsgleiche Variante zu bevorzugen, weil dann Zeitleisten auf unterschiedliche Weise bearbeitet werden - ohne weiteres in Partner- oder Teamarbeit. Die Anforderungen in diesen Stunden sind es, Zäsuren zu setzen und die zugrundeliegenden Kriterien transparent zu machen, eine Grafik unter einem bestimmten Kriterium zu erstellen sowie diagonal unter einem bestimmten Gesichtspunkt zu lesen.  Neben den verschiedenen Anforderungen, die an die  die Schülerinnen und Schüler gestellt werden, erfahren sie Substanzielles über die Geschichte der Migration und Remigration der Russlanddeutschen. Auf dieser Basis können sie auch ein empathisches Verhältnis zu der diskriminierten Minderheit in der Sowjetunion entwickeln. Vertiefend sollen sich die Schülerinnen und Schüler mit dem Medium "Zeitleiste" beschäftigen und abschließend die Migrationsgeschichte der Russlanddeutschen nutzen, um parallele zu der von Migration geprägten Gegenwart herzustellen. 


1. Einstieg: Was weiß man über Russlanddeutsche?

Helene Fischer – russlanddeutscher Hintergrund bekannt?

Was wisst ihr historisch über Russlanddeutsche (evtl. aus euren Familien)? Inwiefern ist ein ein Klischee?

 

2. Annäherung über Kartenarbeit:

Wann sind die Russlanddeutschen emigriert? Wohin sind sie emigriert? Inwiefern sind sie innerhalb Russlands migriert?

Ziel: mehrere Phasen der Migration; Deportationen; geographische Regionen:

Karte 1: Wolgadeutsche, Schwarzmeergebiet, Wolhynien, Südkaukasus

Karte 2/3: Kasachstan, Sibirien, Altai, Uralgebiet

 

3. Arbeit mit Zeitleisten: 

Politische Geschichte (und als docx zur eigenen Weiterarbeit)

AA: Markiere auf dieser chronologischen Liste Einschnitte und ordne so die letzten 250 Jahre in unterschiedliche Phasen ein. Definiere die Kriterien für diese Phasen.

Der Arbeitsauftrag kann aus Zeitgründen arbeitsteilig an eine Gruppe von 4 Schülerinnen und Schülern gegeben werden; als Hilfsmittel ist ein Zeitstrahl (und als docx zur eigenen Weiterarbeit) denkbar.

[Mögliche Kriterien bei der Auswertung: Rolle von Verwaltung/Administration; Wohlstand/Prosperität; Germanophobie; innerrussische Expansion bzw. Migration; Bedrohungen und Deportation, Zwangsarbeit und Verfolgung; Rehabilitierung und Ausreise]

Kulturgeschichte (und als docx zur eigenen Weiterarbeit)

AA: Übertrage die Ereignisse in eine Kurve, die auf der x-Achse die Zeit, auf der y-Achse die Bereiche „Autonomie und Bevormundung“ darstellt.

Als Hilfsmittel ist ein Koordinatensystem (und als docx zur eigenen Weiterarbeit) denkbar.

[Mögliche Kriterien bei der Auswertung: Rolle von Sprache, Bildung, Schulen, Vereinen, kulturellen Institutionen]

Beziehungsgeschichte Russlanddeutsche-Deutschland (und als docx zur eigenen Weiterarbeit)

AA: Arbeite heraus, in welchen Bereichen es Beziehungen zwischen Russlanddeutschen und Deutschland gab.

 [Mögliche Kriterien bei der Auswertung: Rolle von Vereinen, Hilfsorganisationen, Landsmannschaften; Repatriierung und Auswanderung; kulturelle Pflege; Integration und ungenutzte Potenziale]

 

4. Methodik: Getrennte oder gemischte Zeitleisten? Was leisten Zeitleisten (nicht)?

Impuls-Zitat: „Erwiesenermaßen stellt jedoch die Chronologie, die Vergabe fortlaufender Nummern für jeden Neuzugang, wie jede Archivarin weiß, in ihrer hilflosen Folgerichtigkeit das unoriginellste, weil Ordnung nur vortäuschende, aller Organisationsprinzipien dar.“ (Judith Schalansky, Verzeichnis einiger Verluste, Frankfurt/Main: Suhrkamp 2018, S. 21.)

 

5. Problematisierung/Transfer: Bilder von Migranten

Welches Bild habt ihr von Russlanddeutschen? Hat sich das Bild der Russlanddeutschen geändert? (evtl. in der Familie nachfragen)

Warum ändert sich das Bild so schnell? Was kann man daraus für Schlüsse ziehen (z. B. für Flüchtende)?


Zur vertiefenden Weiterarbeit:

Russlanddeutsche Bundesbürger (Landeszentrale für politische Bildung Baden-Württemberg)

Von der Anwerbung unter Katharina II. bis 1917 (Bundeszentrale für politische Bildung)

Vom Kolonisten in Russland zum Bundesbürger (Bundeszentrale für politische Bildung)

Verschiedene Publikationen von mehreren Autoren im Rahmen des Dossiers "Russlanddeutsche" (BpB)


Dieses Modul basiert vor allem auf der Vorarbeit von Viktor Krieger, Kolonisten, Sowjetdeutsche, Aussiedler. Eine Geschichte der Russlanddeutschen, Bonn: Bundeszentrale der politischen Bildung 2015 (Bd. 1631).


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