Das Gerundium und das Gerundivum

Diese Aufstellung dient der schnellen Orientierung; sie kann eine Lektüre der entsprechenden Kapitel der jeweils verwendeten Schulgrammatik nicht ersetzen. Die verschiedenen Grammatiken unterscheiden sich an manchen Stellen in der Begrifflichkeit.

Beim Übersetzen einer Verbalform mit der Endung –ndus /-nda/ -ndum (also: agendus etc.) gilt es zuerst zu unterscheiden, ob ein Gerundium oder Gerundivum vorliegt.

Das Gerundium

Das Gerundium ist ein deklinierter Infinitiv und damit ein Verbalsubstantiv. Auch im Deutschen kann jeder Infinitiv als Substantiv verwendet werden: Durch das Lehren lernen wir. Lateinisch: docendo discimus.

Im Lateinischen tritt hier das Gerundium ein. An den Verbalstamm wird die Endung –ndum angehängt, und zwar mit diesen vier Kasusendungen:

  1. Genitiv: ars dimicandi: die Kunst des Kämpfens
  2. Der Dativ kommt sehr selten und fast nur in formelhaften Wendungen vor: solvendo non esse ~ zahlungsunfähig sein

  3. Der Akkusativ kommt nur in Verbindung mit Präpositionen, am häufigsten 'ad' vor: paratus ad pugnandum: bereit zu kämpfen, bereit zum Kämpfen. Gemäß der Regel, nach der im Neutrum Akkusativ und Nominativ immer gleich sind, wird als Akkusativ des Infinitivs die übliche Infinitivform verwendet: Vos beate vivere in voluptate ponitis: Ihr setzt das glückliche Leben mit der Lust gleich (wörtlich: ihr setzt das glückliche Leben in die Lust; nach Cicero, De finibus 2, 86).

  4. Relativ häufig wird der Ablativ verwendet, wie in dem oben angeführten Beispiel (docendo discimus).

Das Gerundium kann die gleichen Ergänzungen wie das Verb haben, also z.B. Objekte oder Adverbien.

Das Gerundivum ist dagegen ein Verbaladjektiv. Wie jedes andere Adjektiv ist es mit einer Nominalform (einem Substantiv oder Pronomen) kongruent, d.h. in Kasus, Numerus und Genus gleich (Weiteres siehe unten). Es kommt in allen Kasus vor.

Nur bei den drei Kasus-Endungen -ndi / ad …-ndum / -ndo (also: pugnandi / ad pugnandum / pugnando) muss man sich beim Übersetzen zwischen Gerundium und Gerundivum unterscheiden. Sobald eine andere Kasusendung vorliegt (z.B. …-ndam), liegt sicher ein Gerundivum vor.

Das Gerundivum

Das Gerundivum wird in allen Kasus dekliniert und steht in Kongruenz mit seinem Bezugswort. Folgende Verwendungsweisen sind zu unterscheiden:

  1. Kommt das Gerundivum in attributiver Funktion, also ohne eine Form von esse vor, dann kommen verschiedene Übersetzungsmöglichkeiten infrage:
    multum tempus consumpsit in opere perficiendo.
    Übersetzung:

    1. Mit Nebensatz: Er verwandte viel Zeit, als / indem er das Werk vollendete.

    2. Mit einer adverbialen Wendung, am besten mit einem Verbalsubstantiv auf -ung: ... bei der Vollendung des Werkes

    3. bei der Präposition ad auch mit Infinitiv + zu: Romam iit ad studia perficienda – Er ging nach Rom, um seine Studien zu vollenden.

    4. Mit der Postposition 'causa': Imperii augendi causa Romani multa bella gerebant – Um ihr Reich zu vergrößern, führten die Römer viele Kriege.

  2. In prädikativer Funktion, d.h. mit einer Form von esse, hat es die Bedeutung des „Müssens“ und das Verb tritt in der Übersetzung ins Passiv:
    Hoc opus mihi perficiendum est - wörtlich: Dieses Werk muss von mir vollendet werden = Dieses Werk muss ich vollenden.

Zu merken ist also Folgendes:

a. Die handelnde Person steht im Dativ; siehe auch die Übersicht zur Kasuslehre.

b. In der Verneinung bedeutet das Gerundivum „nicht dürfen“: Hoc mihi faciendum non est: Das darf ich nicht tun.

c. Das prädikative Gerundivum kommt auch im AcI vor:
Hoc mihi faciendum esse puto: Ich meine, dass ich das tun muss.
Die Form esse wird dabei oft weggelassen.