Ovid, Tristia (Lieder der Trauer) 1, 3

Inhalt dieser Seite: Einführung II Text mit Übersetzung und Erläuterungen II Bearbeitungsaufgaben II Internetadressen II andere Dateiformate

Einleitung

Wer einen fesselnden modernen Roman über Ovids Schicksal lesen möchte, der findet in Christoph Ransmayrs 'Die letzte Welt' eine anregende Lektüre. Ransmayr stellt Ovids Leben am Schwarzen Meer dar, wohin der Dichter von Kaiser Augustus verbannt worden war. Ransmayrs Roman verschränkt genaue historische Schilderungen mit Anklängen an das moderne Leben sowie mythischen Erzählungen aus Ovids Werken. In diesem modernen Roman findet die Leserin oder der Leser ein passendes Bild Ovids während seiner Zeit des Erfolges in Rom: Ovid als Popstar. Nur wenn man sich vor Augen hält, wie sehr der Dichter bewundert und verehrt wurde, kann man ermessen, wie tief sein Fall war. Augustus besaß die unumschränkte Macht, über das Schicksal seiner Untertanen zu entscheiden, und so bestimmte er, für das Opfer seines Erlasses offenbar völlig unerwartet, dass Ovid Rom verlassen und nach Tomi ans Schwarze Meer gehen musste.

Was ihn zu Fall brachte bzw. was der Grund für seine Verbannung (etwa um das Jahr 8 n. Chr.) war, das lässt sich auch nach Jahren intensiver Forschungsdiskussion nicht sicher feststellen. In einem der Gedichte aus der Verbannung nennt Ovid zwei Gründe: 'carmen', also ein Gedicht, und 'error', d.h. eine Verfehlung. Das anstößige Gedicht kann die 'ars amatoria' ('Liebeskunst) gewesen sein, in der Ovid Augustus' Vorstellungen von einer Erneuerung der Ehemoral (wenn auch indirekt) verhöhnte, aber es kommt auch das Epos 'Metamorphosen' infrage, in dem der Kaiser nicht die zentrale Rolle spielte, die er sich vielleicht wünschte. Mit dem 'error' kann gemeint sein, dass Ovid Mitwisser oder Mitbeteiligter an einer Affäre der Julia, der Enkelin des Kaisers, wurde. Die rechtliche Form der Verbannung bestand in einer relegatio, die dem Verbannten immerhin seinen Besitz ließ. Es war diesem jedoch nicht verstattet, auch nur für einen kurzen Besuch in seine alte Heimat zurückzukehren. Alle Gnadengesuche blieben unerhört.
Es soll nicht unerwähnt bleiben, dass zeitweilig auch darüber diskutiert wurde, ob Ovid überhaupt in Tomi war. Die äußerst phantastischen Schilderungen der natürlichen Gegebenheiten am Schwarzen Meer können den Eindruck erwecken, dass Ovid dort nie war: Das Klima, von dem der Dichter berichtet, lässt eher an nördliche Gefilde Norwegens als an Rumänien denken. Das Meer, so Ovid, sei wochenlang gefroren gewesen. Zudem gibt es keinen anderen Text der Antike, der von Ovids Verbannung berichtet. Freilich kann Ovid auch im Vertrauen darauf, dass es nicht wie heute Reportagen über fremde Länder gab, seine Lage schwärzer gemalt bzw. das Klima kälter dargestellt haben, als es in der Realität war, um das Mitleid der römischen Leserinnen und Leser anzustacheln.
Es dürften übrigens, ähnlich wie heute, deutlich mehr Frauen als Männer gewesen sein, die sich für Literatur interessierten.
Die Übersetzung zielt in erster Linie darauf ab, das Textverständnis zu erleichtern. Sie ahmt daher an den Stellen die lateinische Wortstellung und -reihenfolge nach, wo die deutsche Syntax das erlaubt.

 


P. Ovidius Naso: Tristia 1, 3. Text, Übersetzung und Erläuterungen

Zum folgenden Text: Im dritten Gedicht des ersten Buches seiner Elegiensammlung Tristia ("Traurige Lieder") beschreibt der Dichter Ovid die Nacht seines Abschieds aus Rom.

Cum subit illius tristissima noctis imago,

quod mihi supremum tempus in urbe fuit,

cum repeto noctem, qua tot mihi cara reliqui,

labitur ex oculis nunc quoque gutta meis.[4]

Übersetzung: Immer wenn mir das Bild jener traurigen Nacht vor Augen tritt, die für mich die letzte Zeit in der Stadt bedeutete, immer wenn ich mich an die Nacht erinnere, in der ich so viel Liebes verließ, fällt aus meinen Augen auch jetzt noch ein Tropfen.
Erläuterungen: urbs: gemeint ist mit diesem Wort immer Rom.

iam prope lux aderat, qua me discedere Caesar

finibus extremae iusserat Ausoniae.

nec spatium nec mens fuerat satis apta parandi:

torpuerant longa pectora nostra mora. [8]

Übersetzung: Schon war beinahe das Licht des Tages da, an dem ich nach Caesars Befehl die äußerste Grenze Ausoniens zu verlassen hatte. Weder Zeit noch Geistesgegenwart reichten aus, die notwendigen Dinge vorzubereiten: Je länger es dauerte, desto schlimmer wurde die Beklemmung in meiner Brust.
Erläuterungen: Caesar: Augustus
Ausonia: Italien; gemeint ist hier das römische Imperium.

non mihi servorum, comitis non cura legendi,

non aptae profugo vestis opisve fuit.

non aliter stupui, quam qui Iovis ignibus ictus

vivit et est vitae nescius ipse suae. [12]

ut tamen hanc animi nubem dolor ipse removit,

et tandem sensus convaluere mei,

alloquor extremum maestos abiturus amicos,

qui modo de multis unus et alter erat.[16]

Übersetzung: Nicht Sklaven, nicht Begleiter auszuwählen hatte ich die Muße; und es gab für den Flüchtling keine geeignete Kleidung und auch nicht die angemessenen Geldmittel. Ich erstarrte nicht anders, als jemand, der vom Feuer des Zeus berührt wurde, zugleich lebt und sich seines Lebens nicht bewusst ist. Sobald aber der Schmerz selbst diese Wolke vom Geist entfernt hatte und endlich meine Sinne wieder erstarkt waren, sprach ich, schon fertig zum Aufbruch, meine traurigen Freunde ein letztes Mal an, aus deren großer Zahl nur der eine oder andere noch da war.
Erläuterungen: ignis: der Blitz

uxor amans flentem flens acrius ipsa tenebat,

imbre per indignas usque cadente genas.

nata procul Libycis aberat diversa sub oris,

nec poterat fati certior esse mei. [20]

Übersetzung: Die liebevolle Ehefrau hielt weinend den Weinenden umso fester, während der Regen immer weiter über die erbarmungswürdigen Wangen floss. Die Tochter war fern an der Küste Libyens und konnte noch nicht von meinem Schicksal benachrichtigt werden.
Erläuterungen: nata: Ovid hatte nur eine Tochter, die ihren Mann nach Afrika begleitete.

quocumque aspiceres, luctus gemitusque sonabant,

formaque non taciti funeris intus erat.

femina virque meo, pueri quoque funere maerent,

inque domo lacrimas angulus omnis habet. [24]

Übersetzung: Wohin du auch schautest, ertönten Schluchzen und Stöhnen, und drinnen herrschte der Eindruck einer lärmenden Begräbnisfeier. Mann und Frau, auch die Kinder trauerten bei meinem Begräbnis, und im Haus war jeder Winkel voller Tränen.

si licet exemplis in parvis grandibus uti,

haec facies Troiae, cum caperetur, erat.

iamque quiescebant voces hominumque canumque

Lunaque nocturnos alta regebat equos. [28]

Übersetzung: Wenn es erlaubt ist, große Beispiele für kleine Dinge zu verwenden, dann war dies der Anblick des gefallenen Troia. Schon schwiegen die Stimmen der Menschen und der Hunde, und Luna lenkte hoch oben die nächtlichen Pferde.
Erläuterungen: Luna: die Mondgöttin, wird hier als Pferdelenkerin vorgestellt.

Römische Münze, um 100 v. Chr. Vorderseite Roma, Rückseite Luna mit Pferdegespann (biga).
Mit freundlicher Genehmigung von der Münz-Auktionsseite cngcoins

Münze

hanc ego suspiciens et ad hanc Capitolia cernens,

quae nostro frustra iuncta fuere Lari,

'numina vicinis habitantia sedibus,' inquam,

'iamque oculis numquam templa videnda meis, [32]

dique relinquendi, quos urbs habet alta Quirini,

este salutati tempus in omne mihi.

Übersetzung: Auf diesen schaute ich und dann aufs Kapitol, das unseren Laren benachbart war, und ich sprach: "Göttliche Mächte, die ihr an benachbarten Stätten wohnt; ihr Tempel, die nun meine Augen niemals mehr sehen dürfen, und ihr Götter, die ich verlassen muss, die die hohe Stadt des Quirinus besitzt, seid mir für alle Zeit gegrüßt!<
Erläuterungen: auf diesen: auf den Mond
Capitolia: das Kapitol, einer der sieben Hügel Roms, der an das Forum Romanum grenzte und auf dem ein Iuppiter-Tempel stand.
Lares: die Laren, römische Hausgötter. Ovids Haus stand in der Nähe des Kapitols.
Quirinus: altrömischer Gott

et quamquam sero clipeum post vulnera sumo,

attamen hanc odiis exonerate fugam, [36]

caelestique viro, quis me deceperit error,

dicite, pro culpa ne scelus esse putet,

ut quod vos scitis, poenae quoque sentiat auctor:

placato possum non miser esse deo.' [40]

Übersetzung: Und obwohl ich erst spät nach meiner Verwundung den Schild aufnehme, entlastet diese meine Flucht von dem Hass und sagt dem göttlichen Mann, welcher Irrtum mich täuschte, damit er nicht meint, meine Schuld sei einem Verbrechen gleichbedeutend, und damit der Urheber meiner Strafe auch das bemerkt, was ihr bereits wisst: Wenn der Gott besänftigt ist, kann ich nicht elend sein.
Erläuterungen: exonerate / entlastet: Bitte, gerichtet an die in V. 33 angesprochenen Götter.
caelestis vir: Augustus. Auch mit 'deus' und 'poenae auctor' ist Augustus gemeint.
culpa / scelus: Siehe die Erläuterung in der Einleitung zu diesem Text.

hac prece adoravi superos ego, pluribus uxor,

singultu medios impediente sonos.

illa etiam ante Lares passis adstrata capillis

contigit extinctos ore tremente focos, [44]

multaque in aversos effudit verba Penates

pro deplorato non valitura viro.

Übersetzung: Mit dieser Bitte beschwor ich die Überirdischen; meine Frau flehte mit noch mehr Gebeten, wobei Schluchzen sie mitten im Sprechen unterbrach. Jene warf sich auch vor den Laren mit aufgelösten Haar auf den Boden, berührte den erloschenen Herd mit zitterndem Mund und richtete viele Worte an die abgewandten Penaten, die dem beweinten Mann nichts nützen würden.
Erläuterungen: Laren, Penaten: Hausgötter; Götterstatuen altitalischen Ursprungs, die im Haus verehrt wurden.

iamque morae spatium nox praecipitata negabat,

versaque ab axe suo Parrhasis Arctos erat. [48]

quid facerem? blando patriae retinebar amore,

ultima sed iussae nox erat illa fugae.

Übersetzung: Und schon verwehrte die voranstürzende Nacht jede Chance für ein Verweilen, und die Bärin aus Parrhasia hatte sich um ihre Achse gedreht. Was sollte ich tun? Ich wurde von zärtlicher Liebe zur Heimat zurückgehalten, aber dies war die letzte Nacht der befohlenen Flucht.
Erläuterungen: Bärin aus Parrhasia: das Sternbild des Großen Bären, das sich von der in eine Bärin verwandelte Kallisto aus Parrhasia (einer Landschaft in Arkadien) ableitet. In den 'Metamorphosen' gestaltete Ovid die Sage von Kallisto: Ovid-Projekt Potsdam.

a! quotiens aliquo dixi properante 'quid urges?

vel quo festines ire, vel unde, vide.' [52]

a! quotiens certam me sum mentitus habere

horam, propositae quae foret apta viae.

ter limen tetigi, ter sum revocatus, et ipse

indulgens animo pes mihi tardus erat. [56]

Übersetzung: Ach! Wie oft sagte ich, wenn jemand zur Eile mahnte: "Was drängst du so? Schau doch, wohin und woher du zu gehen mich drängst." Ach! Wie oft bildete ich mir ein, es gebe eine bestimmte Stunde, die für die bevorstehende Reise geeignet wäre. Dreimal berührte ich die Schwelle, dreimal wurde ich zurückgerufen, und der Fuß lahmte, da ich dem Geist nachgab.
Erläuterungen: properante ... festines: Beide Verben bedeuten sowohl (intransitiv) 'selbst eilen, sich beeilen' als auch (transitiv) 'jemanden zur Eile drängen'. Hier wurde die transitive Bedeutung gewählt.

saepe 'vale' dicto rursus sum multa locutus,

et quasi discedens oscula summa dedi.

saepe eadem mandata dedi meque ipse fefelli, 

respiciens oculis pignora cara meis. [60]

Übersetzung: Oft, nachdem ich 'Vale!' gesagt hatte, sprach ich noch vieles, und, gleichsam im Fortgehen gab ich noch die letzten Küsse. Oft erteilte ich dieselben Aufträge und täuschte mich selbst, während ich mit meinen Augen auf das liebe Unterpfand zurückblickte.
Erläuterungen: ter: das Motiv der dreifachen Wiederholung hat religiös-kultische Bedeutung.

denique 'quid propero? Scythia est, quo mittimur', inquam,

 'Roma relinquenda est, utraque iusta mora.

uxor in aeternum vivo mihi viva negatur,

et domus et fidae dulcia membra domus, [64]

quosque ego dilexi fraterno more sodales,

o mihi Thesea pectora iuncta fide!

Übersetzung: Am Ende sagte ich: "Wieso eile ich so? Es ist Skythien, wohin ich geschickt werde; Rom muss ich verlassen, und aus beiden Gründen ist das Verweilen gerechtfertigt. Meine Ehefrau wird mir, solange ich lebe und sie lebt, für ewig verweigert, und mein Haus und die lieben Mitglieder des Hauses, die Freunde, die ich brüderlich liebte, die Seelen, mir verbunden in einer Treue, wie Theseus sie kannte.
Erläuterungen: Scythia: Gebiet am Schwarzen Meer, von Ovid als pars pro toto für die aus seiner Sicht barbarischen Stämme an der Donaumündung genannt.
Der mythische Held Theseus steht hier als Inbegriff der Freundschaft.

dum licet, amplectar: numquam fortasse licebit

amplius; in lucro est quae datur hora mihi.' [68]

nec mora, sermonis verba imperfecta relinquo,

complectens animo proxima quaeque meo.

dum loquor et flemus, caelo nitidissimus alto,

stella gravis nobis, Lucifer ortus erat. [72]

Übersetzung: Solange es erlaubt war, umarmte ich: Niemals wird es vielleicht noch einmal erlaubt sein - diese Stunde, die mir gegeben wird, rechne ich als Gewinn!" Es gab kein Verweilen, ich ließ die Worte unvollendet, indem ich alle, die meinem Herzen nahestanden, umarmte. Während ich sprach und wir weinten, ging am Himmel der leuchtendste Stern, uns verhasst, der Morgenstern auf.

dividor haud aliter, quam si mea membra relinquam,

et pars abrumpi corpore visa suo est.

sic doluit Mettus tum cum in contraria versos

ultores habuit proditionis equos. [76]

tum vero exoritur clamor gemitusque meorum,

et feriunt maestae pectora nuda manus.

Übersetzung: Ich wurde zerrissen, nicht anders, als wenn ich meine Glieder zurückließe, und ein Teil meines Körpers schien abgerissen zu werden. So litt Mettus damals, als die Pferde, in verschiedene Richtungen getrieben, die Rache für den Verrat ausführten. Dann aber ertönte das Geschrei und das Jammern der Meinen, und sie schlugen die traurigen Hände an die nackte Brust.
Erläuterungen: Mett(i)us (Fufetius): sagenhafte Figur aus der römischen Frühzeit, der als Strafe für Verrat auf Geheiß des Königs Tullus Hostilius von zwei Pferdegespannen in Stücke gerissen wurde. Siehe den Artikel der Wikipedia
feriunt...: typische Geste der Trauer.

tum vero coniunx umeris abeuntis inhaerens

miscuit haec lacrimis tristia verba suis: [80]

'non potes avelli: simul ah! simul ibimus', inquit,

'te sequar et coniunx exulis exul ero.

et mihi facta via est, et me capit ultima tellus:

accedam profugae sarcina parva rati. [84]

te iubet e patria discedere Caesaris ira,

me pietas: pietas haec mihi Caesar erit.'

Übersetzung: Dann aber hängte sich die Ehefrau an die Schultern des Abreisenden und mischte diese Worte unter ihre Tränen: "Du kannst nicht fortgerissen werden! Mit dir, ach! mit dir werde ich gehen! Ich werde dir folgen und werde als Verbannte die Frau des Verbannten sein. Auch für mich steht der Weg offen, auch mich nimmt der Rand der Erde auf: Ich werde eine geringe Last für das Flüchtlingsboot sein. Dir befiehlt des Caesars Zorn, die Heimat zu verlassen, mir das Pflichtgefühl: Für solches Pflichtgefühl wird der Caesar mir einstehen."
Erläuterungen: Dass die Ehefrau einen Verbannten begleitete, war verboten. Der Sprecher setzt voraus, dass die Leserinnen und Leser das wissen. In den folgenden Versen wird dies noch einmal deutlich.

talia temptabat, sicut temptaverat ante,

vixque dedit victas utilitate manus. [88]

egredior (sive illud erat sine funere ferri?)

 squalidus inmissis hirta per ora comis.

Übersetzung: Solches versuchte sie, wie sie es vorher versucht hatte, und nur mit Mühe reichte sie die von der Notwendigkeit besiegten Hände. Ich gehe hinaus (oder hieß das, dass jemand hinausgetragen wird, ohne richtig bestattet zu werden?), schmutzig, die Haare ungepflegt ins Gesicht gehängt.
Erläuterungen: squalidus: dieses Adjektiv bedeutet sowohl 'trauernd' als auch 'schmutzig', da es zum Begräbnisritus gehörte, dass die Trauernden sich mit Schmutz beschmierten.


Landkarte des römischen Reiches mit Ovids Verbannungsort Tomi (roter Pfeil)
Entnommen aus: Ancient World Mapping Centre

Creative Commons

Diese Landkarte steht unter einer Creative Commons-Lizenz. Sie kann weiterverbreitet und verändert werden, sofern der Urheber genannt wird und keine kommerziellen Ziele verfolgt werden.
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Imperium Romanum


illa dolore amens tenebris narratur obortis

semianimis media procubuisse domo, [92]

utque resurrexit foedatis pulvere turpi

crinibus et gelida membra levavit humo,

se modo, desertos modo complorasse Penates,

nomen et erepti saepe vocasse viri, [96]

nec gemuisse minus, quam si nataeque meumque

vidisset structos corpus habere rogos,

et voluisse mali moriendo ponere sensum,

respectuque tamen non potuisse mei. [100]

Übersetzung: Jene, so erzählt man, habe sich, wahnsinnig vor Schmerz in der anbrechenden Dämmerung mitten vor das Haus geworfen, und sowie sie sich mit schmutzigem Haar wieder erhoben hatte und die kalten Glieder vom hässlichen Staub befreit hatte, da habe sie bald sich, bald die verlassenen Penaten beweint und oft den Namen des ihr entrissenen Mannes gerufen und sie habe nicht weniger geklagt, als wenn sie meinen Körper und den der Tochter auf dem Scheiterhaufen gesehen hätte, und sie habe sich gewünscht, die Wahrnehmung des Übels durch den Tod loszuwerden.

vivat et absentem, quoniam sic fata tulerunt,

vivat ut auxilio sublevet usque suo.

Übersetzung: Sie soll leben, und den Abwesenden soll sie, da es das Schicksal ja nun einmal so brachte, durch ihre beständige Hilfe unterstützen, damit er leben möge.

 

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Bearbeitungsaufgaben

  1. Gliedern Sie diesen Text, indem Sie jedem Abschnitt eine Überschrift geben.
  2. Stellen Sie die mythologischen Anspielungen zusammen und beschreiben Sie deren Funktion für die Aussage.
  3. Suchen Sie auffällige rhetorische Figuren, z.B. Ausrufe. Ihnen steht für diese Aufgabe die Liste der Stilmittel zur Verfügung.
  4. Erstellen Sie eine (grafische) Konstellation aller erwähnten Personen und tragen Sie in dieses Schaubild die wesentlichen Aussagen über diese Personen ein. Stellen Sie dabei auch dar, wie die Personen jeweils zum Sprecher stehen.
  5. Suchen Sie alle Aussagen über Augustus heraus. Beschreiben Sie das Bild, das der Sprecher hier von Augustus zeichnet. Stellen Sie Vermutungen darüber an, wie Augustus auf die Lektüre dieses Textes reagiert haben mag. Um das zu beurteilen, muss man annehmen, dass der Kaiser die gesamte briefliche Kommunikation wichtiger Personen kontrollierte, was relativ wahrscheinlich ist.
  6. Fassen Sie in einer vergleichenden Betrachtung zusammen, welche Auswirkungen die Verbannung auf Ovid und seine Umwelt hatte.
  7. Bezug zur Gegenwart: Vergleichen Sie die hier geschilderte Situation des Abschieds mit dem, was Sie über Schicksale der Flucht und des Exils in der Gegenwart und im 20. Jh. wissen, und erörtern Sie (bzw. diskutieren Sie in Ihrer Arbeitsgruppe), wo die Parallelen und die Unterschiede liegen.

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Internetadressen zu diesem Arbeitsblatt

Tomi, der Ort, an den Ovid verbannt wurde: Wikipedia.

Das Thema 'Ovid im Exil' wurde in der bildenden Kunst nur selten dargestellt. Eines dieser Beispiele ist ein Gemälde des rumänischen Künstlers Ion Theodorescu-Sion. Das Gemälde findet man bei Wikimedia Commons. Über den Künstler kann man sich bei der englischen Wikipedia informieren. Ein anderes Beispiel ist Eugène Delacroix' 'Ovid unter den Skythen', das man bei der National Gallery (London) findet. Man kann in das Bild hineinzoomen, d.h. einen Ausschnitt vergrößern, indem man mit dem Mauszeiger auf das Bild zeigt und dann am Mausrad dreht.

Eine englische Übersetzung gibt es bei Poetry in Translation. Übersetzer: A.S.Kline.


Andere Dateiformate

Bearbeiter / Übersetzer: Tilman Bechthold-Hengelhaupt.

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