Römersiedlung in Friesenheim – eine „antike Tankstelle“?
Autorin: Nora Mussler
Arbeitskreis Landeskunde/Landesgeschichte an der ZSL-Regionalstelle Freiburg
Kurzbeschreibung des Moduls:
Das Kurzmodul für ein bis zwei Unterrichtsstunden richtet sich in erster Linie an Schülerinnen und Schüler der Sekundarstufe I. Im Kern des vorliegenden Moduls wird die im Jahr 1970 entdeckte und in Teilen rekonstruierte Römersiedlung (lat. mansio), die heute Teil der südbadischen Gemeinde Friesenheim ist, in Form einer virtuellen 360°-Tour besucht. Hieran kann der Einfluss des Imperium Romanum auf die eroberten Gebiete untersucht werden. Als Vertiefung und im Sinne einer Differenzierung wird Material zur Untersuchung des Diana Abnoba Tempels zur Verfügung gestellt.
1. Hintergrund
a) Historische Einordnung
Unmittelbar westlich der Bahnlinie von Lahr im Süden nach Offenburg im Norden wurde im Jahr 1970 aus einem vorbeifahrenden Zug die Fundstelle einer römischen Versorgungsstation im Gewann „Bannstude“ (gehört zur heutigen Gemeinde Friesenheim) entdeckt. Bei den sich anschließenden archäologischen Ausgrabungen in den Jahren 1973/74 und 1977 durch das Landesdenkmalamt Freiburg wurden unter anderem Teile eines Abschnitts einer gepflasterten römischen Straße, die Fundamente einer Raststation (lat. mansio), Feuerstellen, Brunnen, Brückenanlagen und westlich der Straße ein Tempel der Diana Abnoba gefunden. Ursprünglich war Abnoba eine keltische Wassergöttin, die in ihrer Funktion allmählich zu einer römischen Diana wurde und hier in ihrer Funktion als „eine auf den Schwarzwald regional begrenzte Göttin [und] Schutzherrin der Straßen und Wegkreuzungen“ (Horn 2014, S. 460) in Erscheinung tritt. Teile des Kultbildes aus rotem Sandstein werden in der Dauerausstellung des Archäologischen Museums Colombischlösschen in Freiburg gezeigt. Der Tempel der Diana Abnoba, „einer Wegkapelle ähnliche Sanktuarium zur Straßenstation“ (Horn 2014, S. 450) wurde rekonstruiert, im Jahr 2018 ein „Dianastein“ platziert, der neben der Jahreszahl MMXVIII (2018) auch die Aufschrift „AD DIANAM“ trägt.
Die römische Straßenstation im heutigen Friesenheim befindet sich direkt an der im 1. Jahrhundert erbauten römischen Fernstraße zwischen Augst (lat. Augusta Raurica) und Mainz (lat. Mogonaticum). „Die Anlage an der Römerstraße von Basel [im Süden] nach Mainz [im Norden] bildet einen Straßenknoten, wo nach Osten eine kleinere Straße rechtwinklig abzweigt.“ (Horn 2014, S. 449). Vieles spricht dafür, dass Reisende durch die Provinz Germania superior an der Friesenheimer mansio bis zu ihrer Brandzerstörung im 3. Jahrhundert n. Chr. – vermutlich durch germanische Stämme – Rast gemacht haben. Dort gab es Unterkunft und Möglichkeiten zur Verpflegung und Reparatur. Vergleichbar wäre der antike Fundkomplex in seinen primären Funktionen demnach mit einer heutigen Tank-, Rast- und Reparaturstätte an einer Autobahn.
b) Historische Bedeutung
Historisches Lernen in einer Kultur der Digitalität kann an, mit, über und in digitalen Medien erfolgen. Sogenannte 360°-Fotografien, die zumeist mit einer omnidirektionalen Kamera geschossen werden, können zu einem Rundgang (Tour) verbunden und mit interaktiven Elementen (wie Abbildungen oder Tonspuren) angereichert werden. Die Nutzerinnen und Nutzer „tauchen“ rezeptiv entweder mit eigenen oder schulischen digitalen Endgeräten in die Fotografien „ein“.
Das historische Lernen am Beispiel einer virtuellen Tour zur in Teilen rekonstruierten antiken Römersiedlung in Friesenheim findet hier in erster Linie an digitalen Medien statt. Im Gegensatz zu realen Lernortbegehungen mit haptischen Erfahrungen, „ermöglichen virtuelle Touren […] bei jeder Witterungslage, zu jedem Zeitpunkt und äußerst kostengünstig einen digitalen Besuch von auch weit entfernten Lernorten“ (Hellberg/Mussler 2024, S. 53).
Altersangemessen erfolgt die virtuelle Lernortbegehung der Friesenheimer mansio in Form eines forschend-entdeckenden Vorgehens, bei dem die Lerngruppe mit einer in Teilen stummen Karte der Römersiedlung arbeitet und diese allmählich „zum Sprechen bringt“. Das „Eintauchen“ und „Auftauchen“ aus der teilimmersiven 360°-Tour wird unterrichtlich durch Phasen der Hinführung und Reflexion/Anschlusskommunikation in der realen Welt gerahmt (vgl. Buchner/Aretz 2020). Dies ermöglicht, das „Erleben“ virtueller historischer Orte als erfahrungsorientiertes historisches Lernen (vgl. Lewers 2025) und trägt zu einer kritisch-reflexiven Medienbildung bei.
2. Das Thema im Unterricht
a) Impulse und Material für den Unterricht mit didaktischen Hinweisen
Zeit/Phase | Inhalte/methodische Hinweise |
Doppelstunde | |
Einstieg | Im Einstieg lesen die Schülerinnen und Schüler oder die Lehrkraft die Entdeckung des Fundorts durch Josef Neudascher 1970 vor (AB 1 [pdf 0,1 MB]). Anschließend werden Fragen an den Ort gestellt und erste Hypothesen gebildet, worum es sich bei dem Fund handeln könnte. Die Fragen und Hypothesen können dabei an der Tafel gesichert werden, um im Verlauf der Stunde beantwortet zu werden. Vor dem Eintauchen in den 360°-Rundgang erklärt die Lehrkraft die zwei Arbeitsphasen sowie den Ablauf des Unterrichts mittels einer 360°-Tour. Danach moduliert die Lehrkraft gemeinsam mit den Schülerinnen und Schülern das Startbild. |
Erarbeitung 1 | Im Anschluss daran erfolgt die erste Erarbeitungsphase, in welcher die Schülerinnen und Schüler zuerst in Einzelarbeit mithilfe eines Darstellungstextes im Startbild erklären, worum es sich bei dem Fundort in Friesenheim handelt (AB 2 [pdf 0,1 MB]). Gemeinsam kann in der Sicherung auch eine Leitfrage entwickelt werden: „Die Römersiedlung in Friesenheim – eine „antike Tankstelle“? Als mögliche Differenzierung für leistungsstarke Lernende kann als Vertiefung für die heutige „Rekonstruktion“ des Ortes sensibilisiert werden. |
Erarbeitung 2 | In der zweiten Erarbeitungsphase, die unmittelbar an die gesicherten Ergebnisse aus der ersten Erarbeitungsphase anknüpft, stehen die vier virtuell zu erschließenden Stationen des antiken Fundkomplexes sowie dessen vielfältige Funktionen als Tank-, Rast- und Reparaturstätte an einer römischen Fernstraße im Zentrum (AB 3 [pdf 0,1 MB], AB 4 [pdf 0,1 MB], AB 5 [pdf 0,1 MB]). Die Lehrkraft hilft während des Eintauchens in den virtuellen Raum bei Fragen. |
Problematisierung | Nach der inhaltlichen Ergebnissicherung (Erwartungshorizont AB 5 [pdf 0,1 MB]) sollte beim Auftauchen aus dem virtuellen Raum auch das Erlebte sowie die Chancen und Grenzen der digitalen Tour reflektiert werden (AB 6 [pdf 0,1 MB]). |
Transfer | Abschließend können die Schülerinnen und Schüler (auch als Hausaufgabe oder Projektarbeit) einen digitalen Flyer zur Römersiedlung in Friesenheim gestalten. |
Download aller Materialien [zip 1,1 MB]
interaktive H5P/360 Tour
b) Bildungsplanbezug
Inhaltbezogene Kompetenzen:
3.1.3 Griechisch-römische Antike – Zusammenleben in der Polis und im Imperium
Inhalt:
(5) den Einfluss des Imperium Romanum auf die eroberten Gebiete beurteilen
(Romanisierung; […]; Kultur: […] religiöse Vielfalt; Technik: zum Beispiel Fernstraße […])
Prozessbezogene Kompetenzen:
(3) Hypothesen aufstellen
nachvollziehe2.2 2.2 Methodenkompetenz:
(3) die für die Problemlösung erforderlichen Informationen beschaffen
(1) Hypothesen überprüfen
(4) Sachurteil […] selbst formulieren und begründen
(6) historische Sachverhalte rekonstruieren
(9) Die Rolle von Medien in historischen Prozessen und für das Geschichtsbewusstsein analysieren
(7) regionalgeschichtliche Beispiele in übergeordnete historische Zusammenhänge einordnen
Leitperspektive
Medienbildung (MB)
Literatur
- Buchner, Josef/Aretz, Diane: Lernen mit immersiver Virtual Reality: Didaktisches Design und Lessons Learned, in: MedienPädagogik. Zeitschrift für Theorie und Praxis der Medienbildung 17 (2020), S. 195–216.
- Hellberg, Florian/Mussler, Nora: Lumi. Mit H5P-Inhalten historisches Denken in einer Kultur der Digitalität fördern, in: Praxis Geschichte 4 (2024), S. 52–53.
- Horn, Helmut: Abnoba. Eine Zusammenfassung alter und neuer Forschungserkenntnisse, in: Die Ortenau. Zeitschrift des Historischen Vereins für Mittelbaden 94 (2014), S. 443–464.
- Lewers, Elena: Vom Eintauchen und Auftauchen – Überlegungen zum historischen Lernen mit Virtual Reality, in: Hypotheses. Blogportal für die Geistes- und Sozialwissenschaften. Online unter: https://doi.org/10.58079/ptj6 [abgerufen am 15.06.2025].
- Arbeitskreis Landeskunde/Landesgeschichte an der ZSL-Regionalstelle Freiburg -
Herausgeber: Landesbildungsserver Baden-Württemberg
Quelle: https://www.schule-bw.de
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