Hintergrundinformationen

Ehemaliger Truppenübungsplatz Münsingen

1. Bedeutung

Der ehemalige Truppenübungsplatz in Münsingen ist durch das Alte Lager und das ehemalige Dorf Gruorn ein einmaliger Lernort für die Deutsche Militärgeschichte, da das Gelände zum großen Teil noch erhalten ist.
Die gesamte politische und militärische Entwicklung Deutschlands im 20. Jahrhundert kann an der Geschichte des Truppenübungsplatzes nachverfolgt werden. Die Militarisierung einer Gesellschaft und deren Auswirkungen auf die regionale Geschichte sind hier direkt erfahrbar.


2. Geschichte

Das 1806 entstandene Königreich Württemberg trat im Jahr 1870 einer Militärkonvention mit Preußen, im Jahr darauf dem neu gebildeten Deutschen Reich bei. Damit wurde die württembergische Armee Teil des Reichsheeres, wobei sich Württemberg wie Sachsen und Bayern eine eigenständige Militärverwaltung vorbehielt.

Die taktische und waffentechnische Modernisierung, die dem Muster Preußens folgte, erforderte für Übungen größerer Verbände bis Divisionsstärke, für das Zusammenspiel unterschiedlicher Waffengattungen und zur Erprobung weit tragender Geschütze großflächige Übungsplätze. Von den 21 bis 1902 entstandenen deutschen Truppenübungsplätzen entstanden allein zwölf zwischen 1891 und 1896, darunter im Jahr 1895 auch der Übungsplatz für das XIII. (Königlich Württembergische) Armeekorps bei Münsingen.

Postkarte des Truppenübungsplatzes um 1900

Postkarte des Truppenübungsplatzes um 1900
Quelle:
Joachim Lenk

Der Grund für die Anlage auf der Schwäbischen Alb lag wohl in erster Linie in den begrenzten Geldmitteln begründet. Eine weitgehend siedlungsleere Sondermarkung, das Münsinger Hardt, umfasste mit 1100 Hektar fast ein Drittel des schließlich 3666 Hektar großen Platzes. Damit blieb der Münsinger Übungsplatz deutlich hinter der Idealgröße von knapp 6000 Hektar zurück. Von Bedeutung war die Errichtung der Unterkunft für die übenden Truppen, dem zwischen Auingen und Böttingen gelegenen Barackenlager 1897. Das jedes Jahr von weit über 30.000 Soldaten belegte Lager hatte die Bildung einer auf die Bedürfnisse der Soldaten und Offiziere abgestimmten Siedlung, dem sogenannten Vorlager, zur Folge. Es entstanden ein Hotel, zahlreiche Gaststätten, das „Christliches Soldatenheim“ und einige weitere Gewerbe- und Dienstleistungsbetriebe.

Truppenübungsplatz Münsingen

Truppenübungsplatz Münsingen
Ansichtskarte, gestempelt am 31. Juli 1912.
© Thomas Lenk

Ab 1937 wurde der Truppenübungsplatz wesentlich vergrößert. Dafür wurde ein ganzes Dorf, Gruorn im Westen des Platzes, umgesiedelt. Auch der Nachbarort Trailfingen musste die Hälfte seiner Gemarkung abgeben. Der nun 6700 Hektar große Platz wurde 1942 zum gemeindefreien Heeresgutsbezirk erklärt.

Kurz nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs kam der Truppenübungsplatz unter französische Verwaltung.

Französische Soldaten in Münsingen

Französische Soldaten in Münsingen
© Joachim Lenk

1960 wurde eine Vereinbarung über eine je hälftige Nutzung von Bundeswehr und französischen bzw. weiteren NATO-Truppen geschlossen.
Der Fall des Eisernen Vorhangs zeitigte 1992 den Abzug der französischen Soldaten, die Strukturreform der Bundeswehr schließlich 2005 nach 110 Jahren das Ende der militärischen Nutzung.


3. Anlage

1895 wurde auf der ‚rauen Alb‘ der Truppenübungsplatz Münsingen des XIII. (Kgl. Württembergischen) Armeekorps eingerichtet.
Als Truppenunterkunft entstand schon kurz darauf das von dem Architekten Karl Heinrich Maerklin geplante Barackenlager (später Altes Lager), das in seiner äußeren Gestalt seit der Gründung praktisch unverändert erhalten blieb. Das Ensemble der behutsam modernisierten Mannschafts-, Leutnants- und Offiziersbaracken der Jahrhundertwende wurden 1996 als weithin einzigartiges Kulturdenkmal unter besonderen Schutz gestellt.

Luftaufnahme Altes Lager und Lager Gänsewag Anfang 19. Jahrhundert

Luftaufnahme Altes Lager und Lager Gänsewag Anfang 19. Jahrhundert
© Joachim Lenk

2003 kam das ehemalige Proviantdepot mit bedeutendem technikgeschichtlichem Inventar hinzu. Eine Perle des Alten Lagers ist die 1897 entstandene Offiziersspeiseanstalt, die heute für Veranstaltungen genutzt wird. Außerhalb des Lagers befinden sich frei zugänglich drei Friedhöfe für Kriegsgefangene, Zwangsarbeiter und Kriegstote des Zweiten Weltkriegs, die eindrücklich die jüngere deutsche Geschichte widerspiegeln.

Denkmal auf dem Friedhof der Stephanus-Kirche Gruorn

Denkmal auf dem Friedhof der Stephanus-Kirche Gruorn
© Sebastian Schimmer

Ein Museum im ehemaligen Postgebäude wird von dem Traditionsverein Altes Lager getragen.
Das Dorf Gruorn auf der Schwäbischen Alb besteht heute nicht mehr. Es wurde 1939 zur Erweiterung des ehemaligenTruppenübungsplatzes Münsingen völlig geräumt, die Bewohner wurden umgesiedelt. Die Stephanus - Kirche ist neben dem Schulhaus das einzig verbliebene Bauwerk, das an das ehemalige Dorf Gruorn erinnert.

Die wiederrichtete Stephanus-Kirche und das alte Schulhaus

Die wiederrichtete Stephanus-Kirche und das alte Schulhaus
von Gruorn in den 90er Jahren
© Joachim Lenk


 

- Arbeitskreis Landeskunde/Landesgeschichte RP Tübingen -


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