Der Mössinger Generalstreik vom 31. Januar 1933

Methodenvorschlag

2.1 Lernorterkundung

Die Langgass-Turnhalle in Mössingen

B 8 Die Langgass-Turnhalle in Mössingen, Treffpunkt der Kommunisten, Startpunkt des Streikzugs
© Stadtarchiv Mössingen

Mössingen plant die Einrichtung einer dauerhaften Ausstellung. Bis Ende 2013 gibt es eine Ausstellung anlässlich des 80. Jahrestags des Generalstreiks in der Mössinger Kulturscheune.

Den Weg des Demonstrationszugs, angefangen von der historischen Langgass-Halle (in der Lichtensteinstraße) über die Lange Straße, die Falltorstraße und die Bahnhofsstraße bis zur Fa. Burkhardt (kurz hinter der Bahnunterführung) und der Auflösung des Demonstrationszugs in der Bahnhofstraße auf der Höhe der Uhlandstraße, kann man abschreiten.

openstreetmap, Kartenausschnitt Mössingen

Darüber hinaus bietet sich aber vor allem die Würdigung des Erinnerungsortes "Mössinger Generalstreik" an - deshalb ist das Modul auch besonders geeignet für die Behandlung im Klassenzimmer.

Historische Aufnahme der Falltorstraße in Mössingen

B 18 Historische Aufnahme der Falltorstraße in Mössingen mit zwei BDM-Mädchen, im Hintergrund die Peter-und-Pauls-Kirche, aus der eine Hakenkreuzflagge weht
© Stadtarchiv Mössingen


2.2 Behandlung des Themas in der Schule

Die Überreste des "Mössinger Generalstreiks" sind zwar vor Ort noch rekonstruierbar, doch bis zur Errichtung eines dauerhaften Museums ist die Behandlung des Themas vor allem im Klassenzimmer geeignet.

Um die Schülerinnen und Schülerinnen und Schülerinnen und Schüler mit den reinen Ereignissen zu konfrontieren und von hier aus die Fragekompetenz zu stärken, dient D 1 , das den 31. Januar in Mössingen in einem Stundenprotokoll darstellt.
Davon ausgehend sollten die Schülerinnen und Schülerinnen und Schülerinnen und Schüler die zentralen Leitfragen entwickeln: Wie lässt sich erklären, dass gerade in Mössingen und nur in Mössingen ein Generalstreik gegen Hitler auf die Straße kam?

Die Antifaschistische Aktion Mössingen beteiligt sich am

B 10 Die Antifaschistische Aktion Mössingen beteiligt sich am "Roten Tag" in Tübingen, Innenstadt (10.07.1932)
© Stadtmuseum Mössingen

Um der Beantwortung dieser Frage auf die Spur zu kommen, sollten die Schülerinnen und Schülerinnen und Schülerinnen und Schüler zunächst Hypothesen äußern.
Sie erhalten in einem zweiten Schritt pro Gruppe ein Materialpaket, das aus folgenden Elementen besteht bzw. bestehen kann:
- zwei Arbeitsblätter ( AB 1 und AB 2 ), die die Vorgeschichte des Generalstreiks und den 31. Januar in Zitaten und Kommentaren von Mössingern einfangen (meist aus der Retrospektive); wichtig ist vor allem AB 1 .
- vier Materialpakete, die die Mössinger Sonderentwicklung beschreiben ( AB 3 ), die Wahlergebnisse in der Weimarer Republik in Mössingen darstellen ( AB 4 ), Berichte aus der Steinlach-Zeitung ( AB 5 ) sowie das Flugblatt ( AB 6 ), Bilder zum Generalstreik ( AB 7 ) sowie die journalistische Aufarbeitung am 2. Februar in der Steinlach-Zeitung ( AB 8 ). Es bietet sich an, dieses Material jeweils foliert und gruppenweise zugänglich zu machen.

Umzug des Mössinger Arbeiter-Radvereins

B 7 Umzug des Mössinger Arbeiter-Radvereins 1922
© Stadtarchiv Mössingen

Methodisches Vorgehen:
Zunächst erhalten alle Schülerinnen und Schülerinnen und Schülerinnen und Schüler die Arbeitsblätter zum historischen Mystery und die Materialpakete als Hintergrundinformation. Auf der Basis der Zitate sollen die Schülerinnen und Schülerinnen und Schülerinnen und Schüler die Voraussetzungen und die Situation des Mössinger Generalstreiks rekonstruieren, um so die Leitfrage zu beantworten:

Warum gehen die Menschen gerade in Mössingen gegen Hitler auf die Straße?

Die Schülerinnen und Schüler lernen hierfür die besondere Tradition des Arbeiterdorfes kennen, sie werden mit dem lokalen Sonderbewusstsein, der starken kommunistischen Partei, den dörflichen Vereinsstrukturen, der politischen Verantwortung und dem Selbstbewusstsein der Mössinger Kommunisten konfrontiert. Die Zitate zum 31. Januar sind Augenzeugenberichten und Kommentaren zu den Verhaftungen danach entnommen.

Um diese Originaltöne herum sollen die Schülerinnen und Schüler rekonstruieren, was das Besondere der Mössinger Kommunisten ausmacht, sodass Mössingen als einziger Ort eine politische Großdemonstration gegen Hitler gewagt und durchgeführt hat. Um diese Arbeit zu erleichtern, erhalten die Schülerinnen und Schüler Zusatzmaterialien wie Bilder, Wahlstatistiken, Zeitungsberichte der bürgerlichen Ortszeitung sowie diverse Anzeigen aus dieser Zeitung. Aus der Sicht der Streikenden erhalten die Schülerinnen und Schüler einen Nachdruck des Flugblatts sowie einen Historikerkommentar zu der besonderen Situation in Mössingen (Zeitumfang: ungefähr 2 Unterrichtsstunden).

Ergebnis der Arbeit der Schülerinnen und Schüler sollte ein Plakat oder eine digitale Präsentation sein, womit sie die Mössinger Situation erklären - darin sollten die Informationen so rekonstruiert und angeordnet sein, dass sie eine Antwort auf die Leitfrage liefern können.

Zur Differenzierung bietet das Modul noch vier biographische Zugänge an ( D 2 ): Hier können interessierte und schnell arbeitende Schülerinnen und Schüler einzelne Protagonisten des Generalstreiks näher kennenlernen und diese ebenfalls in die Ergebnispräsentation integrieren.

Martin Maier Paul Ayen

B 12  Martin Maier, der "Konsum"-Maier,
B 15  Paul Ayen, in der Uniform der Internationalen Brigaden im Spanischen Bürgerkrieg
Stadtmuseum Mössingen

Nach der Präsentation ihrer eigenen Forschungsergebnisse sollten die Schülerinnen und Schüler noch die Einschätzung Ewald Fries kennenlernen ( D 4 , D 5 , D 6 ): Hier begegnen sie dem aktuellen Stand der Forschung und einer distanzierten geschichtswissenschaftlichen Perspektive. Frie erweitert zudem den Horizont, indem er den Mössinger Generalstreik in die reichsweite Entwicklung einordnet und beispielsweise auch erklärt, warum Gewerkschaften und Sozialdemokratie den Mössinger Aufstand nicht unterstützt haben. Diese Materialien können je nach Klasse arbeitsteilig eingesetzt werden ( D 6 umfasst nur eine Textseite).

Für die Sekundarstufe II sind darüber hinaus die beiden Arbeitsblätter zur Erinnerungsgeschichte gedacht ( D 3 und AB 9 ): ein Ausschnitt eines Zeitungsberichts, in dem Bernd Jürgen Warneken, der zu den Pionieren der Mössingenforschung gehört hat, den Generalstreik und die Erinnerung an ihn aus dem Jahr 2012 würdigt, und der Abdruck zweier Gemeinderatsanträge aus dem Jahre 2011, die zeigen, wie sehr das Thema immer noch polarisiert, und die Grundlage für eine geschichtspolitische Debatte darstellen können:
- Wie soll man den Mössinger Generalstreik würdigen?
- Wie wird Geschichte in der politischen Diskussion instrumentalisiert?

29.1.1983 Kundgebung mit 10.000 Teilnehmern

B 21 29.1.1983 Kundgebung mit 10.000 Teilnehmern am Viehgarten vor der Langgass-Turnhalle
© Stadtmuseum Mössingen

Für die Reflexionsphase sowohl in der Sekundarstufe I als auch der Sekundarstufe II können die Historikerurteile von Thomas Schnabel ( D 7 ) und Ewald Frie ( D 8 ) die Grundlage bilden: Die Historiker wägen ab, wie die Ereignisse zu bewerten sind - ein Training für die historische Orientierungskompetenz, denn die Mössinger Gemüter werden bis zum heutigen Tag von diesen Bewertungsfragen bewegt.

Akrobatische Übungen im Arbeiterturnverein

B 4 Akrobatische Übungen im Arbeiterturnverein
© Stadtmuseum Mössingen

Für die Lehrerhand bestimmt ist das Methodenblatt zum Mystery im Fach Geschichte ( D 9 ). Die Methode ist z.T. noch so unbekannt, dass sie hier kurz erläutert wird.


„Das Thema in 2 Unterrichtsstunden“:

a. Sekundarstufe I

Für die Reduktion des gesamten Stoffes auf eine Doppelstunde werden die Schülerinnen und Schüler zum Einstieg mit dem Slogan des Plakats von Jakob Textor: "Heraus zum Massenstreik!" und der Information konfrontiert, dass allein in Mössingen eine politische Demonstration gegen das Hitler-Regime auf die Straße kam (der Lehrer kann bei Bedarf noch weitere Informationen über den Verlauf des Mössinger Generalstreiks beisteuern (Grundlage D 1 ).

Die Schülerinnen und Schüler werden herausfinden wollen, warum dies gerade in einem kleinen Industriedorf der Fall war. Hierzu stellen sie Hypothesen auf und vergleichen diese mit den Originalzitaten der Mössinger ( AB 1a ) um auf dieser Basis eine Antwort zu finden (möglichst in 4er-Gruppen).

In einer ersten Auswertungsphase bestätigen oder falsifizieren die Schülerinnen und Schüler auf der Basis der Quellen ihre vorherigen Hypothesen - und halten dies auf einem Plakat fest.

In einer vertieften Arbeitsphase beschäftigen sich die Schülerinnen und Schüler arbeitsteilig mit den Ausführungen des Tübinger Historikers Frie ( D 4 , D 5 , D 6 ) und finden so Antworten auf die Frage,
- welche Tradition die Arbeiterbewegung in Mössingen hatte ( D 4 ).
- warum die Mössinger in ihrem Protest allein geblieben sind ( D 5 ).
- warum sie den Generalstreik dennoch durchgeführt haben ( D 6 ).

Nach einem abermaligen Abgleich mit den anfänglichen Hypothesen mündet die Doppelstunde in eine Diskussion, bei der sich die Schülerinnen und Schüler fragen, wie der Mössinger Generalstreik aus heutiger Sicht einzuordnen ist - als Basis für provozierende Impulse kann die Lehrkraft Thesen aus D 7 und D 8 gewinnen und in die Diskussion einbringen.

Der Arbeiterturnverein im Jahre 1907

B 3 Der Arbeiterturnverein im Jahre 1907
© Stadtmuseum Mössingen


b. Sekundarstufe II

Für die Reduktion des gesamten Stoffes auf eine Doppelstunde wird zum Einstieg ein Ausschnitt aus der Steinlach-Zeitung vom 2. Februar 1933 eingesetzt, in dem die Ereignisse vom 31. Januar 1933 aus der Perspektive der bürgerlichen Presse dargestellt werden ( AB 8 ).

Von hier aus rekonstruieren die Schülerinnen und Schüler (mithilfe der Lehrkraft; Grundlage D 1 ), was überhaupt in Mössingen passiert ist, um sich der zentralen Leitfrage zu nähern: Soll man sich in Mössingen mit Stolz des Generalstreiks erinnern?

Arbeitsteilig wird daraufhin die Erinnerungsgeschichte mithilfe von D 3 aufgearbeitet und werden in Gruppen Argumente gesammelt, um sich der geschichtspolitischen Bedeutung des Generalstreiks bewusst zu werden.

Nachdem die Schülerinnen und Schüler in einem nächsten Schritt die Positionen der Streikskeptiker und der Streikerinnerer ( AB 9 ) gegenübergestellt haben, sollen sie sich mit den Positionen zweier Historiker auseinandersetzen ( D 7 und D 8 ), um schließlich selbst zu einem Urteil zu kommen, wie mit der Erinnerung an den Mössinger Generalstreik umzugehen ist. Zuspitzen lässt sich dies in einer Diskussionsrunde mit der Frage, ob dem Mössinger Generalstreik ein dauerhaftes Museum gewidmet werden soll.

Die Märzwahlen von 1933 in Mössingen

B 16 Die Märzwahlen von 1933 in Mössingen - "alles in der Hand der NSDAP"
© Stadtarchiv Mössingen

 

- Arbeitskreis Landeskunde/Landesgeschichte RP Tübingen -