Seminarkurs Herrenberg im Nationalsozialismus

Autor: Jan Lenz

Arbeitskreis Landeskunde/Landesgeschichte RP Stuttgart

 

 

Recherche im Stadtarchiv Herrenberg

 

Kooperationspartner

Der Seminarkurs kooperiert eng mit dem Stadtarchiv Herrenberg (Bildungspartnerschaft) und mit der KZ-Gedenkstätte Hailfingen/Tailfingen. Die Führungen finden dabei allerdings in der Kernstadt Herrenberg statt – nicht an der Gedenkstätte. Eine zusätzliche Herausforderung stellt daher die Verortung der einzelnen Themen dar (siehe auch Methodik der Führungen).
Aus diesem Grund ist eine Adaption des Seminarkurs-Moduls für viele Schulen möglich: Die Kooperation mit einer Gedenkstätte ist nicht obligatorisch, kann aber in das Konzept integriert werden. Dagegen ist eine intensive Zusammenarbeit mit einem Archiv Grundvoraussetzung für die Durchführung des Seminarkurses. Im Zuge des hier vorgestellten Moduls wurde eine Bildungspartnerschaft zwischen dem Schickhardt Gymnasium und dem Stadtarchiv in Herrenberg geschlossen (Vertrag Bildungspartnerschaft).
Außerdem fungierte die Landeszentrale für politische Bildung als weiterer Kooperationspartner, der im Zuge eines Workshops

 

Historischer Hintergrund

Der Titel des Seminarkurses – „Herrenberg im Nationalsozialismus“ – skizziert den historischen Rahmen von der Machtübernahme im Januar 1933 bis zum Kriegsende 1945.
Herrenberg, mit seinen damals ca. 3000 Einwohnern, kann dabei als typische schwäbische Kleinstadt angesehen werden. Der ganze Herrenberger Raum kann als evangelisch-ländliche Gegend bezeichnet werden; vor allem in den angrenzenden Dörfern waren die Menschen ganz überwiegend Bauern. Dagegen lebten in Herrenberg selbst nur noch wenige Vollerwerbslandwirte; Handel und mittelständische Betriebe überwogen. Politisch dominierten bis Ende der 1920er Jahre demokratische Parteien (SPD und DDP), erst Ende der 1920er Jahre entwickelte sich der christlich-konservative Bauernbund zur stärksten Partei in Herrenberg. Noch bei den Wahlen im Mai 1928 kam die NSDAP in Herrenberg lediglich auf 2,6 Prozent der abgegebenen Stimmen (3,6 Prozent im Reich).
Die evangelische Kirche genoss in der Bevölkerung hohes Ansehen und hatte großen, auch politischen Einfluss. Herrenberg war Sitz eines Dekanats. Dagegen lebten nur wenige Katholiken in Herrenberg; jüdische Einwohner gab es überhaupt nicht.
Als Kreisstadt (damals: Oberamt) beherbergte Herrenberg ein Krankenhaus, dessen führende Ärzte 1939/40 teilweise mit Grafeneck („Euthanasie“) in engem Austausch standen und kooperierten. Eine Station des Stadtrundgangs ist demnach auch am Gebäude des ehemaligen Krankenhauses angesiedelt. Eine weitere Station befindet sich am Hotel Hasen: Der Hotel- und Restaurantbetrieb setzte – wie viele Herrenberger Betriebe – Zwangsarbeiter ein. Auch in der Landwirtschaft wurden zahlreiche Polen und „Ostarbeiter“ eingesetzt. Der starke Einfluss der evangelischen Kirche – zwischen Anpassung, Opportunismus und Eigenständigkeit – wird ebenfalls an einer Station thematisiert (an der Stiftskirche), wie die Rolle des Gäuboten, heute wie damals Organ der Lokalpresse. [Weitere Stationen: Siehe Anlage „Überblick Stationen“]
Drei Themen erweitern den historischen Zeitraum des Nationalsozialismus: Eine Führung befasst sich mit der „Krise der Demokratie“ in den Jahren 1930-1932 und dem Aufstieg der NSDAP in Herrenberg. Eine Führung thematisiert Migrationsbewegungen nach 1945 und untersucht das Ankommen dieser neuen Bürger in Herrenberg und im Gäu. Eine dritte Führung beschäftigt sich mit Kriegswitwen und deren politischen und sozialen Bedeutung (auch) nach 1945.


Themen der Führungen (genaue Übersicht)

  • Aufstieg der NSDAP in Herrenberg
  • Kirche
  • Mädchen, BdM
  • HJ in Herrenberg
  • Frauenbilder und -rollen
  • Zwangsarbeit
  • Herrenberger Bürger im 2. Weltkrieg
  • Flucht und Vertreibung ins Gäu
  • Kriegswitwen

Quellenarbeit im Archiv

Für die Arbeit im Archiv zu den einzelnen Themen haben sich vor allem folgende Quellentypen als bewältigbar und zielführend im Sinne der Aufgabenstellung erwiesen. 

a) Lokale Tageszeitung, z.B. zur Verbreitung der NS-Ideologie:
Beispiel 1: Erziehungsarbeit des BDM
Beispiel 2: Muttertag 1934

b) Amtliche Schreiben, z.B. zur NS-Verwaltungspraxis
Beispiel 1: Landrat des Kreises Böblingen über die Versorgung von polnischen Zwangsarbeitern
Beispiel 2: Dekan Haug verweigert aus religiösen Gründen die Teilname an den Feiern zum 1.Mai 1936

c) Gemeinderatsprotokoll
Beispiel: Protokoll über die Unterbringung von Kriegsgefangenen in Herrenberg

d) Wahlstatistik
Beispiel: Wahlen 1932

e) Zeitzeugeninterview
Beispiel: Erinnerungen an BDM

Arbeit an der Originalquelle

Jahresplanung des Seminarkurses
Der Seminarkurs kann grob in drei Phasen untergliedert werden (Übersicht 3 Phasen):
● Phase 1 (September – Januar): Wissenschaftspropädeutische Phase

Vorlagen für SuS: AB Format Hausarbeit, AB Richtig Zitieren, Deckblatt, Inhaltsverzeichnis
– Themenfindung, Recherche, Quellenauswahl (in Kooperation mit dem Stadtarchiv)
– Strukturierung der Ausarbeitung
– Besuch / Einführung Universitätsbibliothek Tübingen
– Kurzpräsentation erster Ergebnisse (Leitfrage, geplantes Vorgehen, zu erwartende Schwierigkeiten etc.)

● Phase 2: (Februar – Mai): Methodisch-didaktische Phase
– Besuch unterschiedlicher Gedenkstätten / Ausstellungen mit Führungen (z.B. Hotel Silber, Stauffenberg-Gedenkstätte, Grafeneck etc.)
– Teilnahme Workshop „Schülerguides“ (zwei Tage an einem Wochenende; Freitag und Samstag)
– Vorbereitung / Ausarbeitung einer Station (10-15 Minuten)

● Phase 3: (Juni – Juli): Präsentations- und Prüfungsphase

Prüfungsunterlagen für SuS: Leistungsbewertung Seminararbeit (exemplarisch), Schülerblatt Präsentationsprüfung, Vorlage Gesamtbeurteilung
– Führung der Schülerguides als Prüfungsteil (an zwei Tagen)
– Führungen für 9. Klassen (schulintern) in 2er/3er-Teams
– Präsentationsprüfung (20 Minuten)

Bewertung
Die Endnote setzt sich aus der Bewertung folgender Einzelleistungen zusammen:
- Kurzpräsentation erster Ergebnisse mit Reflexion des Arbeitsprozesses (1. Halbjahr, vor Weihnachten)
- Seminararbeit; Ausarbeitung zu einem Themenkomplex des Stadtrundgangs (ca. 15 Seiten)
- Vorbereitung und Durchführung einer thematischen Teil-Führung durch die Stadt. Die Teilnehmer*innen bereiten jeweils eine Station vor (ca. 10 Minuten).
- Präsentationsprüfung (20 Minuten) zum Thema und zur Methodik der Führung

Fazit
Ganz grundsätzlich gilt wie für andere Seminarkurse auch: Die Betreuung der einzelnen Schüler*innen in ihrem Arbeitsprozess sollte so individuell wie möglich gestaltet werden. Erfahrungsgemäß ist es zwingend notwendig, gerade den Schreibprozess der Seminararbeit immer wieder durch Einzelgespräche zu begleiten. Hier gehen die Kompetenzen der einzelnen Schüler*innen weit auseinander. Es empfiehlt sich daher ein Glossar anzulegen (z.B. via Moodle), das mit Musterlösungen (Deckblatt, Inhaltsverzeichnis, Zitiertechnik etc.), FAQ und Best-Practice-Beispielen arbeitet.
Das wissenschaftliche Arbeiten wurde von (fast) allen Schüler*innen als Bereicherung des schulischen Alltags und als sinnvolle Vorbereitung auf ein Universitätsstudium wahrgenommen.

 

 

 


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Herausgeber: Landesbildungsserver Baden-Württemberg
Quelle: https://www.schule-bw.de

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