Hinweise zum Lesekompetenzmodell
1. Bezüge zum Vorwissen herstellen:
Die Aktivierung des Vorwissens hat die Funktion, das Abweichende/Ungewohnte eines Textes auf schon Bekanntes zu beziehen und durch Einordnung in die bei den Schülern bereits vorhandenen Erfahrungen neue Erfahrung zu ermöglichen. Möglichkeiten zur Aktivierung des Vorwissens sind (u.a)a) die Überschrift: Welche Erwartung weckt sie zu dem, was der Text an Informationen bietet?
b) Thematischer Zugang: Was wissen Sie schon zum Thema des Textes, was möchten Sie noch wissen?
2. Informationsentnahme:
Verschiedene Lesestrategien können hierbei
eingesetzt werden:
- Überfliegend lesen, um den Informationswert des Textes zu prüfen (nur Teile lesen).
- Intentionengeleitet lesen: Will ich erklären...; will ich herausfinden, warum...; was X mit Y zu tun hat?
- Zweites Lesen (Isolieren von Informationen), um das Thema/den Gedankengang/wesentliche Inhalte des Textes zu erfassen. Der
Leser entnimmt dem Text einfache Informationen, indem er einzelne Wörter
identifiziert, die sich auf wesentliche Aspekte des Textes beziehen (z.B. Hauptthema des Textes; die literarische Figur; Ort; Zeit).
3. Fokussierung:
Genaues, wiederholtes Lesen einer schwierigen Textstelle.
4. Lücken finden und durch Inferenzen füllen/Schlussfolgerungen ziehen:
- Bedeutungshypothesen bilden (Vermutungen bilden, Annahmen formulieren). Bei
dieser fragend-vermutenden Haltung ist bereits "Hineinlesen" am Werk.
Inferiert wird die Fragestellung und diese Fragestellung leitet die
Textwahrnehmung.
- Leser bilden erste einfache Bilder; sie füllen die Leerstellen des Textes durch
Schlussfolgerungen oder Vermutungen, weil sie den Textsinn sonst nicht
zusammenbringen können. Dabei wenden sie Wissen an.
- Erinnern: Wenn der Text seine Thematik ein Stück weit entfaltet hat, muss der
Leser das aus dem Lesen entstandene (vorläufige) Satz- und Textverständnis mit
eigenen Wissensbeständen, Erinnerungen/Bekanntem verknüpfen, damit das
behandelte Thema umfassend verstanden werden kann.
- Es geht darum, alle Einzelheiten des Textes in ein Gesamtbild zu integrieren.
5. Verknüpfungen herstellen über mehrere Absätze hinweg;
Textaspekte über Absätze hinweg in Beziehung setzen (Motive literarischer Figuren, Zusammenhänge der Handlung, Beziehungen der Argumente); Verknüpfung von Wissen mit verschiedensten, über den ganzen Text verstreuten Textelementen und Alltagswissen. Zuordnungstätigkeit durch Operieren in Begriffsfeldern/Kategorien /Modellen. Vorausgesetzte Fähigkeit: Teile des Gelesenen in Bezug zu anderen Textstellen, aber auch in Bezug auf das eigene Wissen zu klassifizieren.
6. Mentales Modell bilden:
Im Laufe der Lektüre erzeugt der Leser
ein eigenständiges Vorstellungsbild, er bildet aus seinen
Verarbeitungsleistungen eine eigene geistige Repräsentation des Textes, ein
mentales Modell. Wichtig ist, dass die zentralen Aspekte eines Textes darin
enthalten sind (Figuren, Ort, Zeit,
Handlungskern und ein zentrales Motiv).Mentale Modelle sind geistige
Konstrukte, die zeigen, ob es dem Leser gelungen ist, ausgehend vom Text und
durch Nutzung eigener Wissensbestände eine sprachnahe Repräsentation eines
Textes zu überwinden. Die Struktur eines jeden konstruierten mentalen Modells
stimmt mit der Struktur überein, die der Mensch dem zu verhandelnden
Sachverhalt zuschreibt, was die Rolle des (Vor-)Wissens beim Lesen immens
aufwertet.
Ergebnis des Lesevorgangs ist der Aufbau einer Repräsentation
der Textbedeutung durch ein Situationsmodell. Dieses Situationsmodell ist
eine individuelle Vorstellung mit persönlich bedingten Akzentuierungen und
Auslassungen. Von grundlegender Bedeutung beim Aufbau eines Situationsmodells
ist die Integration des Gelesenen in das Vorwissen der Lesenden. Bei narrativen
Texten, die nahe an Alltagserfahrungen sind, wird vor allem allgemeines
Weltwissen benötigt (bei Sachtexten ist ein entsprechendes spezielles
inhaltliches Vorwissen erforderlich).
7. Bewerten und Beurteilen:
Vorhandenes Weltwissen und Textinformationen werden zueinander in Beziehung gesetzt, d.h. wissensgesteuerte Prozesse (Kategorien und Modelle; Sachwissen) und datengesteuerte Prozesse (Elemente des Textes) wirken hier zusammen und konstituieren ein erstes Textverstehen bzw. erlauben eine kritische Haltung als Basis von Bewertung und Reflexion.