Über die besondere Legitimation der Abgeordneten

Die These, die Abgeordneten des Deutschen Bundestages seien in besonderer Weise demokratisch legitimiert, beruht zunächst auf dem repräsentativen Prinzip der Demokratie. Nach ihm wählt das Wahlvolk als Souverän des Staates Repräsentanten, die in seinem Auftrag, aber ohne feste Bindung an inhaltliche Forderungen („freies Mandat“), für die Zeit der Legislaturperiode die politischen Aufgaben der Legislative wahrnehmen.

Auf Bundesebene ist die Wahl zum Bundestag der einzige Ausfluss des demokratischen Wahlrechts – alle anderen Entscheidungen gehen auf diese einzige Volkswahl zurück. Die Aussage von der „besonderen Legitimation“ ist also einerseits quantitativ als Sonderrolle zu verstehen, andererseits als Verantwortung, da auf dieser demokratischen Legitimation weitere personelle und inhaltliche Entscheidungen beruhen. Streng – qualitativ – gesehen hat der Bundestag keine Legitimation, die etwa über dem Rang der demokratischen Legitimation der Landtage steht.

Vor allem die Kandidatenaufstellung der Parteien gerät ab und zu ins Kreuzfeuer der Kritik, es wird gesagt, der Bürger habe in der Parteienlandschaft keinen Einfluss darauf, wer im Parlament sitzt.

Die Auswahl der Kandidaten für die verschiedenen Parteigremien und die Nominierung als Wahlkreiskandidat unterliegen streng demokratischen Prinzipien und werden in der Parteihierarchie von unten nach oben durchgeführt (Kreis- und Landesdelegiertenkonferenz). Die Einflussnahme steht hier prinzipiell allen Parteimitgliedern offen. Dasselbe gilt für die Formulierung von politischen Zielsetzungen, wo die Grundsatzreden der Parteivorsitzenden auf den Parteitagen eben nur die Spitze des Eisbergs darstellen. Dass innerhalb der gesamten Parteistruktur die einzelne Stimme sich tatsächlich in der Masse verliert, ist ebenso selbstverständlich wie das Gewicht der einzelnen Stimme bei der Bundestagswahl. Dafür kann man noch nicht einmal das repräsentative System als solches verantwortlich machen.

Innerhalb der Parteien sind Oligarchisierungstendenzen festzustellen, indem ein fest umrissener Personenkreis die Meinungsführerschaft innerhalb der Partei erwirbt. Diese Tendenzen sind in gewissem Maß unvermeidliche Folgeerscheinungen des technisch-administrativen und vor allem des Informationsvorsprungs des Parteiführung bzw. der führenden Parteigremien. Sie müssen in der Lage sein, auf aktuelle Probleme schnell und fundiert (öffentlich) zu reagieren. Diese Oligarchisierung ist bei der Kandidatenaufstellung noch am ehesten bei der Zusammenstellung der Landeslisten, am wenigsten bei der Abstimmung über den Direktkandidaten sichtbar.

 


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