2. Wie kann der Computer mit seinen spezifischen

Bedingungen beim Schriftspracherwerb helfen?

Inge Blatt bemerkt zu Recht in ihrem Aufsatz "Medien-Schrift-Kompetenz" (siehe Literatur), dass unsere Schriftsprache sich durch die neuen technischen Möglichkeiten (Hypermedia, E-mail, SMS, Textverarbeitung usw.) fortwährend verändert. Deshalb werden auch neue Kompetenzen (z. B. Lesestrategien in Hypermedia, Such- und Orientierungsstrategien im Netz, Bewertung der Wichtigkeit und Richtigkeit von Informationen, ...) notwendig. Die Grundlage, diese neuen Verfahren auch zu nutzen, liegt aber trotzdem in einer sicheren Beherrschung der Schriftsprache und zwar durch das Lesen und Schreiben. Dies muss im ersten und zweiten Schuljahr Grund gelegt und sicher erlernt werden. Das ist unsere wichtigste Aufgabe im Anfangsunterricht, sonst bleibt der Zugang zum weltweiten Informations- und Datennetz verwehrt.
Hier geht es also nicht darum, zu zeigen, welche Kompetenzen gelernt werden müssen, sondern im Anfangsunterricht soll/muss der Computer seine Stärken als Werkzeug beim Schriftspracherwerb beweisen. Er kann aber nur wirksam eingesetzt werden, wenn zwei Bedingungen erfüllt sind: Es muss ein sinnvolles pädagogisch-didaktisches Konzept geben, in dessen Rahmen der Computer eingeführt ist, darauf komme ich im dritten Abschnitt zu sprechen.
Und: Ein Schreiber kann die Möglichkeiten des PC nur gewinnbringend nutzen, wenn er weiß, dass Schreiben und Lesen etwas mit ihm selbst als Person zu tun haben. Deshalb gehen immer mehr Kolleginnen und Kollegen dazu über, Kinder schon von Beginn an Texte lautgetreu schreiben zu lassen.
Ziel des Anfangsunterrichts ist es also, die Kinder bereits zu Beginn ihrer Schulzeit als Autoren und als Leser ernst zu nehmen, sie herauszufordern, zu unterstützen, ihre Gefühle und Gedanken, die sie mit ihren Texten ausdrücken, zu würdigen. Die Lehrkräfte müssen sich klar darüber sein, dass die Kinder sich als Schreiber und als Leser verbessern wollen. Sie setzen sich mit den geschriebenen Texten auseinander, reden darüber, vor allem wenn Texte partner- schaftlich erstellt werden, bilden Thesen, verallgemeinern so lange, bis ein neues Problem auftaucht, das sich nicht einordnen lässt.


Schreiben, vor allem partnerschaftliches Schreiben am Computer birgt viele Vorteile:
- Begonnene Texte können schnell und unkompliziert wieder hervorgeholt werden.
- Überarbeitung bedeutet nicht, dass der ganze Text nochmals mühe- voll neu geschrieben werden muss.
- Die Tastatur bietet alle Buchstaben dar, man muss sich nicht erinnern, wie der Buchstabe geschrieben/gebildet wird oder welcher es nun war. Eine Anlauttastatur erleichtert den Anfang.
- Der Aufbau eines Textes kann leicht nochmals verändert werden. Beim Schreiben der Texte mit der Hand muss sowohl die Recht- schreibung als auch das Gerüst des Textes vor Beginn der Arbeit im Kopf sein.
- Beim Schreiben mit der Tastatur bietet sich die Möglichkeit des langsamen Buchstabierens von Wörtern, da man ja erst nach dem nächsten Buchstaben suchen muss. Dabei werden Theoriebildungen transparent, bei partnerschaftlicher Arbeit wird darüber auch kommuniziert. Dies unterstützt den Prozess des Bewusstmachens.
- Wird der Text ausgedruckt, so ist nicht mehr ersichtlich, ob ein Erwachsener oder ein Kind der Schreiber ist. Die Kinder fühlen sich so viel ernster genommen, denn sie wollen so sein wie Er- wachsene und das tun, was in der Erwachsenenwelt Bedeutung hat.
- Was mit demn PC geschrieben wurde, kann veröffentlicht werden, ob im Internet oder ausgedruckt auf einer Info-Wand. Wird eine Version in richtiger Schreibweise als "Freundlichkeit gegenüber dem Leser" (Kochan) hinzugefügt, so kann damit auch sichergestellt werden, dass der Text verstanden wird.
- Durch die Löschfunktion kann Falsches oder Misslungenes zum Verschwinden gebracht werden, besser gesagt: Es wird erst gar nicht für alle sichtbar. Erfolgserlebnisse motivieren zur Weiter- arbeit, Gelungenes kann demonstrativ gezeigt werden und stärkt das Selbstbewusstsein.
- Die kritische Auseinandersetzung mit einem Text, um ihn recht- schriftlich, stilistisch oder inhaltlich zu verbessern, beeinflusst die Denkentwicklung. Die bereits vorhandenen Kategorien und Struktu- ren werden überprüft und eventuell berichtigt. Texte sind also nichts Statisches, sondern haben eher "Vorschlagscharakter". Mit ihnen kann gearbeitet weden. Auch hier profitieren die Kinder von gemeinsamer Arbeit

Da in einem Klassenzimmer in der Regel nicht mehr als zwei bis drei Computer stehen, kommt der handschriftlichen Textproduktion auch weiterhin große Bedeutung zu.
Die Arbeit mit Computern als Werkzeuge zur Textproduktion im Anfangsunterricht verstärkt also den Prozess der eigenen Denkent- wicklung, der Konstruktion von Wissen im Kopf. Sie vermittelt Könnenserfahrungen, Fehler werden als Anlass betrachtet, Gelerntes zu überprüfen und zu berichtigen. Textproduktion geschieht nicht linear, sondern kreativ, es kann an Texten gearbeitet werden, d. h. sie sind "knetbar".
Will eine Lehrkraft nun auch den Kindern PCs zur Verfügung stellen, so ist eines vollkommen klar: Undurchdachter Aktionismus bringt überhaupt nichts. Bevor ich meinen Unterricht einschneidend verändere, muss ich mir über mein Bild vom Kind, mein pädagogi- sches Credo und meine didaktischen Prämissen bewusst werden. Deshalb beschreibe ich nun den didaktischen Rahmen für eine sinnvolle Computerarbeit im Anfangsunterricht.
(Lehrerstimmen zu Erfahrungen mit Computerprogammen im Anfangsunterricht)