Gesetzgebung im Bund

Die klassische Rollenverteilung zwischen Regierung und Opposition im parlamentarischen System der Bundesrepublik sieht vor, dass die Bundestagsmehrheit den Kanzler und damit die Regierung stellt, während die Minderheit die Oppositionsrolle einnimmt. Als Opposition hat sie im Grunde keinen Einfluss auf die Gesetzgebung, es sei denn, für verfassungsändernde Gesetze wäre eine 2/3Mehrheit erforderlich. Die Opposition wird dennoch das Instrumentarium ihrer Einwirkungsmöglichkeiten in Anspruch nehmen, um vor der Öffentlichkeit ihre Ansichten zu vertreten und möglicherweise auf einen Stimmungsumschwung zu ihren Gunsten bei der nächsten Bundestagswahl hin zu arbeiten.

Darüber hinaus hat die Opposition auch im Verhältnis der Zahl ihrer Mitglieder im Bundestag das Recht, den Vorsitz und den stellvertretenden Vorsitz einer bestimmten Zahl von Ausschüssen zu besetzen. Kommt darüber keine einvernehmliche Regelung zustande, wird das sog. Zugreifverfahren angewandt.

Die vorliegende Darstellung bezieht sich nun ausdrücklich auf die Gesetzgebung bei zustimmungspflichtigen Gesetzen, das heißt, bei Vorlagen, zu denen nach Maßgabe des Grundgesetzes die Zustimmung des Bundesrats erforderlich ist (Stellungnahme des Bundesrats nach Art. 76 GG, Zustimmung nach Art. 77, 2a GG). Das sind all die Gesetze, die Rechte oder Interessen der Länder berühren. Eine definitive Aufzählung der Bereiche gibt es nicht; das Grundgesetz regelt einige Fälle, wie z.B. in der Steuererhebung und -verteilung (Art. 105, 3, Art. 106, 4 und 5, Art. 106a, Art. 107 109) oder Gesetze über die Ausführung von Bundesgesetzen als landeseigene Angelegenheit (Art. 84, wie auch Art. 85, 87 und 87b). Im Übrigen gibt es eine Vielzahl von Fällen, in denen die Zustimmungspflicht des Bundesrats strittig ist und auch solche, die erst vom Bundesverfassungsgericht in einer Normenkontrollklage entschieden werden.

Eine Überarbeitung dieses Textes nach der Föderalismusreform ist vorgesehen.

Die Stellungnahme des Bundesrats unterliegt allgemein zwei verschiedenen Grundsätzen. Zum einen spiegelt der Bundesrat die Mehrheitsverhältnisse in den Landtagen wider, die nicht unbedingt mit den Mehrheitsverhältnissen im Bundestag übereinstimmen müssen. Zum andern aber begreift sich der Bundesrat als Vertretung der Länder, die unabhängig von der politischen Partei-Orientierung gegenüber dem Bund eigene Länderinteressen vertreten. Lehnt der Bundesrat also ein ihm vom Bundestag zugeleitetes Gesetz ab, kann seine Stellungnahme sowohl auf der Basis der einen, als auch der anderen Haltung beruhen. Hat die Partei, die im Bundestag in der Opposition sitzt, im Bundesrat die Mehrheit, wird die Regierungspartei eine Ablehnung des Bundesrats schnell als Blockadepolitik brandmarken.

Während ein Einspruch des Bundesrats gegen ein Gesetz, das nicht der Zustimmung bedarf, vom Bundestag zurückgewiesen werden kann, bringt ein Veto des Bundesrats gegen ein zustimmungspflichtiges Gesetzesvorhaben dieses unweigerlich zu Fall. Um hier Kompromissmöglichkeiten zu schaffen, sieht das Grundgesetz den Gemeinsamen Vermittlungsausschuss von Bundestag und Bundesrat (Art. 77 GG) vor, dem auf Antrag des Bundesrats eine Gesetzesvorlage zugeleitet werden kann, wenn Meinungsverschiedenheiten zwischen beiden Organen bestehen.

Dieser Vermittlungsausschuss besteht je zur Hälfte aus Mitgliedern des Bundestags und des Bundesrats, die nicht an Weisungen gebunden sind. Das betrifft vor allem die Bundesratsmitglieder, die im Bundesrat selbst den Weisungen ihrer Landesregierung folgen müssen. Um deren Offenheit gegenüber Sachfragen zu gewährleisten, sind die Verhandlungen des Vermittlungsausschusses nicht öffentlich und werden auch erst in der übernächsten Legislaturperiode veröffentlicht. Die Zusammensetzung des Vermittlungsausschusses richtet sich nach dem Stärkeverhältnis der Fraktionen, spiegelt also grundsätzlich das Kräfteverhältnis im Bundestag und im Bundesrat wider. In besonders brisanten politischen Streitfällen wird also der Vermittlungsausschuss keine grundsätzlich andere Meinung vertreten, als aus den Positionen von Bundestags und Bundesratsmehrheiten bereits deutlich wurde.

Kommt also im Vermittlungsausschuss keine Einigung zustande, die der Bundesrat akzeptieren kann, wird der Bundesrat die Vorlage ablehnen.

Die Vergangenheit zeigte jedoch, dass in der Mehrzahl der Fälle der Vermittlungsausschuss sehr wohl bemüht war, einen tragfähigen Kompromiss zu finden, um so ernsthafte und langwierige Meinungsverschiedenheiten zwischen Bundestag, Bundesrat und Bundesregierung zu vermeiden.

In der Geschichte der Bundesrepublik waren nur in den sechziger und achtziger Jahren Regierungs und BundesratsMehrheit identisch. Helmut Schmidt und Helmut Kohl (in der zweiten Hälfte seiner Amtszeit) hatten "gegen" die Mehrheit des Bundesrats zu regieren. Die siebziger Jahre waren dagegen geprägt von der Arbeit des Vermittlungsausschusses von Bundestag und Bundesrat, der allein zwischen 1972 und 1976 mehr als hundert Mal tagte. Besonders in der Grundfrage der Steuerpolitik konnte die Union damals die sozialliberale Regierung zu erheblichen Kompromissen zwingen. Als gegen Ende der Regierungszeit Helmut Kohls die SPDMehrheit im Bundesrat die Steuerreform des CDUFDPKoalition verhinderte, bezog sich der saarländische Ministerpräsident Lafontaine auf diese angebliche "Blockadepolitik" der Union.

Gerade in der Steuerpolitik - wie erwähnt eine Domäne der Bundesratsbeteiligung - prallen sowohl die gegensätzlichen Besteuerungsvorstellungen der Parteien als auch die finanziellen Interessen des Bundes und der Länder aufeinander. Dabei konnte zum Beispiel bei der Mehrwertsteuer der Bundesrat gegen die Mehrheit im Bundestag den Anteil der Länder von 37 Prozent 1994 auf 49,5 Prozent im Jahr 2000 steigern. Parteipolitische Rücksichten der Landesregierungen spielten dabei gegenüber ihren finanziellen Interessen weniger eine Rolle.

Seit der Wiedervereinigung streben diese finanziellen Interessen der Länder noch weiter auseinander: Die finanzschwachen Länder in Ostdeutschland haben selbst bei gleicher parteipolitischer Orientierung andere Interessen als die meisten Länder in Westdeutschland und sind durchweg auf Fortbestand der finanziellen Hilfen angewiesen.

Jüngstes Beispiel (2001) aus der von Länderinteressen bestimmten Haltung des Bundesrats ist die Frage der Einführung des Dosenpfands. Hier hatte die SPD-geführte nordrheinwestfälische Landesregierung die Zustimmung versagt, während die CDU-geführte Landesregierung Baden-Württembergs eine Zustimmung für denkbar hielt.

Im Sommer 2000 jedoch hatte in der Frage der Steuerreform die CDU-Spitze versucht, die von der Union mitregierten Länder zur Ablehnung des Regierungsentwurfs zu bewegen. Die Bundesländer mit einer großen Koalition (Berlin, Brandenburg, Bremen) stimmten der Regierungsvorlage nach vertraulichen und in der Nacht geführten Verhandlungen mit der Bundesregierung (und großzügigen Zusagen) schließlich zu.

Generell ist zu sagen, dass eine parteipolitisch bestimmte Haltung des Bundesrats um so wahrscheinlicher ist, je mehr die Fragen grundsätzliche Positionen der Parteien berühren auch die ebenso grundsätzliche Frage, durch "Blockadepolitik" die Handlungsunfähigkeit einer Regierung zu beweisen, die man ablösen möchte. Länderspezifische Interessen kommen dagegen unabhängig von der Parteizugehörigkeit oder der Koalitionsbindung eher zum Zug, wenn spezifische finanzielle Interessen der Länder betroffen sind.