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3.3 Die Stadt Friedrichshafen und ihre Politik in der Zeppelinzeit

Trotz aller Probleme, die die wachsende Industrie für die Stadt brachte, im Vordergrund standen für die Stadt und im Bewusstsein ihrer Bürger der Bekanntheitsgrad und die fast weltweite Beachtung, die das Werk Zeppelins fand und an dessen Ruhm auch die Stadt gerne teilnahm. Es muss zeitweise eine wahre "Kalifornien"-Stimmung" in der Stadt geherrscht haben. "Die landschaftlich so reizvoll gelegene Stadt blieb nicht mehr reine Durchgangsstation, sondern wurde für Tausende von Menschen aller Stände und Berufe ein ersehntes Reiseziel. Den Aufstieg eines Zeppelinschiffs und die zeppelinsche Arbeitsstätte zu sehen, stellen sich nicht nur Touristen, Sommerfrischler, Meister und Kenner der Technik, Offiziere und Beamte des Reichs und der Einzelstaaten, sondern auch Monarchen, Prinzen und sonstige Fürstlichkeiten in Friedrichshafen ein. Kongresse der verschiedensten Arten finden in ihren Mauern statt". (Oberamtsbeschreibung) . Und über die Aufstiege des Luftschiffes anlässlich des Besuches von Bundesrat und Reichstag am 4. September 1909 heißt es, nie hätten sich so viel Leute jemals auf jedem schwimmfähigen Gerät auf dem See und an seinen Ufern befunden wie an diesem Tag. Und so profitierte, so verwunderlich es erscheinen mag, von dieser frühen Industrialisierungsphase Friedrichshafens in erster Linie der Fremdenverkehr.

Um für das gehobene Publikum ein entsprechendes Hotel anbieten zu können, wurde an Stelle des alten Kurhauses unter Beteiligung des Luftschiffbaus 1910 ein neues Kurgartenhotel errichtet. Dorthin siedelte auch der Graf Zeppelin über, der vorher im Deutschen Haus am Bahnhof, man kann fast sagen "residiert" hatte.

"Im Interesse des Fremdenverkehrs, um nicht hinter den anderen Städten am See zurückzubleiben" und um "etwas Nachhaltiges zu schaffen", "welche Bedürfnisfrage skrupellos anerkannt" wurde, wie das Seeblatt berichtete, ließen die Stadtväter 1911/12 auch eine großzügige Uferpromenade bis zum Kurgarten mit Yacht- und Gondelhafen anlegen. Bis dahin standen ja die Häuser der Altstadt unmittelbar am Wasser, so dass man nur am Hafen an den See konnte und südlich der Neustadt stießen die privaten Gärten unmittelbar ans Ufer. Die Seepromenade hatte die nun zunehmend belebte Neustadtstraßen als Korso zu ersetzen. Diese Promenade war bereits eine Forderung bei der Schultheißen-Wahl von 1908, in der ein Nachholbedarf moniert wurde: "Wir müssen danach streben, das alte Renommee Friedrichshafens als Kur- und Fremdenstadt wiederzugewinnen. Die Gelegenheit ist günstig: Das weltgeschichtliche Unternehmen in unserer Bucht lockt Tausende von Fremden an den See. Ihnen müssen wir ein werbendes Stadtbild zeigen, das ihnen gefällt, sie stets von neuem wiederkommen lässt, zu dauerndem Aufenthalt reizt". Ein altes Thema also: wie macht man aus einem Ausflugs- Erholungs- d.h. Langzeittourismus. Aber darüberhinaus sollten vermögende Neubürger angezogen werden, sollte "einem etwas anspruchsvollerem, bessersituiertem Publikum das Leben und Wohnen in Friedrichshafen verlockend erscheinen".

Für die Wohnprobleme der Arbeiter zu sorgen, überließ man dem Luftschiffbau. Um den Zuzug der erwünschten "besser Situierten" zu fördern, erschloss man großzügig Baugebiete. Ein Bebauungsplan für das "Villenviertel an der Meersburger Straße" wurde erlassen und die Riedleparkstraße als großzügiger Boulevard ausgelegt. Mit "prächtigen Villen begonnen" wurde sie 1908 schönste Straße der Stadt genannt. Der Reiseführer begeisterte sich über das "Wetteifern und Talent erfindungsreicher Architekten und verständnisvoller Gartenkünstler", das "das Stadtbild reicher und eigenartig zu gestalten gewusst hat". Die Bebauung drängte nun insgesamt über die Bahnlinie, wo "das neue Friedrichshafen entstehen" sollte, das dann allerdings "kein Friedrichshafen am schönen Bodensee mehr, sondern ein Friedrichshafen am Kohlbach" und am "qualmigen, öden Bahnkörper" sei, wie in einem Flugblatt kritisiert wurde. In diesem Neubaugebiet entstand 1911 das neue Latein- und Realschulgebäude, das heutige Graf-Zeppelin-Gymnasium. Das Rathaus war bereits 1907 im altdeutschen Stil umgebaut worden, wobei aus seinem halb mittelalterlichen Aussehen "unverkennbar der zünftlerische, engherzige Geist neumoderner Beschränktheit" spreche, wie sich das Flugblatt mokierte.

Im gleichen Jahr entstand das eben abgerissene neue Postgebäude nach dem Entwurf des seinerzeit berühmten Architekten Theodor Fischer. 1909 wurde zu Zeppelins Ehren vor dem Rathaus der Zeppelinbrunnen enthüllt.

Um den Raumbedarf der wachsenden Stadt und ihrer Industrie zu genügen, mussten 1910 bereits Löwental und St. Georgen und 1914 weitere Gemarkungsteile der die Stadt umschließenden Gemeinde Schnetzenhausen eingemeindet werden.

Die Euphorie über die Stadtentwicklung wird in dem Text der Oberamtsbeschreibung deutlich, die alles gleichermaßen positiv einschätzte: "Neue Villen, Schulen, Hotels und Straßen entstehen, die Einwohnerzahl, die Steuerkraft, der Verkehr zu Wasser und zu Lande wächst, die Löhne und die Grundstückspreise steigen, ja mit dem 1. Oktober 1913 ist Friedrichshafen sogar Garnisonsstadt geworden." "Alles hat sich machtvoll gehoben". Etwas skeptischer äußerte sich Hermann Hesse anlässlich eines Besuchs in Friedrichshäfen 1911 und erwähnte auch "zweifelhafte Verschönerungen".

Die Arbeiter, die man so gerne bei dem rauschhaften Aufstieg der Stadt übersah, scheinen mit dem ihnen zugedachten, möglichst unauffälligen Platz in Gesellschaft und Stadt nicht zufrieden gewesen zu sein. Sie begannen sich zu formieren und ihre Interessen kollektiv zu vertreten. Im Luftschiffbau bestand ein "Arbeiterausschuss", ein Vorläufer des heutigen Betriebsrats, allerdings ohne jegliche Rechte, sowie ein "Wohlfahrtsausschuss" zur Kontrolle der Sozialrichtungen des Konzerns. Dass der Arbeiterausschuss dennoch als wirkungsvolles Instrument der Interessenvertretung fungierte, zeigten die Lohnverhandlungen des Jahres 1911. Im Arbeiterausschuss waren allerdings, wie der Name sagt, nur die Arbeiter vertreten. Zwischen Arbeitern und Angestellten, die bezeichnenderweise Beamte genannt wurden und wieder in Beamte, Unter- und Hilfsbeamte aufgeteilt waren, klaffte ein tiefer Graben.

Aber die Arbeiter organisierten sich auch überbetrieblich und so wurde 1910 erstmals ein Gewerkschaftskartell mit 5 Einzelgewerkschaften und etwa 100 Mitgliedern genannt. Das Kartell löste sich offenbar bald wieder auf und wurde erst nach dem 1. Weltkrieg wieder gegründet. Beherrschend blieb mit und ohne Kartell ohnehin der Deutsche Metallarbeiterverband, der Vorläufer der heutigen IG Metall.

Auch politisch begannen die Arbeiter ihre eigenen Wege zu gehen. 1907 wurde ein Ortsverein der SPD gegründet, der bis zum 1. Weltkrieg auf 100 Mitglieder anstieg. Wenn man sich vorstellt, dass im Bewusstsein des normalen Friedrichshafener Bürgers damals die SPD eine Partei war, die auf Umsturz und Chaos sann und jeder, der sich in ihr organisierte, im Ruch des Terrorismus stand, so gehörte einiger Mut dazu, sich einer solchen staatsfeindlichen Organisation anzuschließen. Dass dennoch etwa ein Achtel der damaligen Friedrichshafener Arbeiter in der SPD Mitglieder waren und gar ein Viertel für sie bei der Landtagswahl 1912 stimmte, lässt die Ängste der Friedrichshafener erahnen, was da bei aller vordergründigen Aufwärtsentwicklung auf sie zukam.

In der Stadtpolitik, vor allem in der Vertretung in den komunalen Gremien, schlug sich das noch kaum nieder. Denn um die komunalen Vertreter wählen zu können, benötigte man das Stadtbürgerrecht und das erhielt man als nichts besitzender Neuzuzügler nicht so schnell.


Aufgaben

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  • Vergleiche, was sich in Friedrichshafen gegenüber der Frühindustrialisierung hauptsächlich verändert hat.

3.1 Der Zeppelin 1900 - 1914 in Friedrichshafen

3.2. Die Tochterfirmen und die Arbeiter in Friedrichshafen in der Zeppelinzeit

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