Weibliche Berufs- und Funktionsbezeichnungen

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Eine Autorin - un auteur, une auteur, une auteure, une autrice, une autoresse - welche Form ist zulässig? Wie ästhetisch ist une mairesse? Wie klingen sapeuse-pompière oder substitute de la procureure? Oder la députée? Muss man Theresa May nun mit "Madame la Première ministre" oder mit "Madame le Premier ministre" anreden? Hélène Carrère d'Encausse bestand darauf, mit Mme le Secrétaire perpétuel de l'Académie française angeredet zu werden - dies sei eine geschlechtsneutrale Funktionsbezeichnung. Sprach nicht schon Flaubert G. Sand mit Chère maître an, da maîtresse unerwünschte Konnotationen hat?

Neben dem Hauptanliegen der Gleichstellung von Mann und Frau (der damalige Premierminister Lionel Jospin: "La parité a sa place dans la langue") bewegten viele solcher Fragen die französische Öffentlichkeit, als sich die französische Regierung seit 1998, nach dem Scheitern des ersten Versuchs 1986, wieder bemühte, weibliche Berufsbezeichnungen durchzusetzen. Im Jahr 2000 musste sich sogar der Conseil d'Etat mit der Frage beschäftigen: er lehnte es ab, ein Dekret für ungültig zu erklären, das die Ernennung einer procureure générale vorsah. Heute werden eine Abgeordnete oder eine Ministerin trotz des Einspruchs der Académie française meistens la députée und la ministre genannt. Noch 2014 wurde der konservative Abgeordnete Julien Aubert mit einer Geldstrafe belegt, weil er sich weigerte, die Sitzungspräsidentin Sandrine Mazetier mit "Madame la présidente" anzusprechen; letztere rächte sich: "Monsieur la députée, vous étiez la dernière oratrice inscrite. La discussion générale est donc close".
Viele früher "männliche" Substantive in Wörterbüchern werden nur noch als n. statt als n.m. klassifiziert.
Eine vehemente Verteidigung der Feminisierung der Berufs- und Funktionsbezeichnungen liefert E. Audet (Nommer notre présence au monde). Pour ou contre l'égalité hommes-femmes devant la grammaire ?, fragt Dom Bochel Guégan, der Linguist Ph. Amiel (nach "Parité linguistique" suchen) beleuchtet die politische Seite des Streits. Callamard die menschenrechtliche Bedeutung.
Sie finden im Internet eine kurze Einführung und eine Kritik am "Sexismus" der Schulgrammatiken (On « met » toujours au féminin...) von E. Khaznadar; PDF-Version.
An einen nicht gerade (sprach-)politisch korrekten Beitrag des Krimi-Autors San-Antonio erinnert der Canard enchaîné (auf der Seite nach "blaze" suchen)...

Zum Nachschlagen

 Lexique Unter dem Titel Femme, j'écris ton nom... Guide d'aide à la féminisation des noms de métiers, titres, grades et fonctions veröffentlichte das Forschungszentrum ATILF ein Buch mit 2000 Wörtern (als PDF-Datei herunterladen). Diese Wörter sind auch über die ATILF-Webseite zugänglich, auf der man die einzelnen weiblichen und männlichen Formen (s. Grafik, Beispiel "juge", mit Verweis auf die entsprechende Regel) und die "Règles de féminisation" abrufen kann.
Eine Zusammenfassung der Polemik zu dieser Regelung und eine Darstellung der sprachlichen Problematik veröffentlichte Jean Rousseau vom C.I.E.P.: Madame la Ministre : La féminisation des noms en 10 questions (PDF).

Für Belgien, Kanada und die Schweiz, die sprachpolitisch Frankreich vorauseilten (Québec 1979, Belgien 1993), existieren eigene Empfehlungen.

Im Unterricht

Für die Behandlung des Themas in der Oberstufe, etwa im Rahmen einer Einheit über das Verhältnis der Geschlechter, sind bei diesem vielleicht "trockenen" Thema kontroverse Stellungnahmen zu empfehlen. Nicht nur die Académie française  tat sich als Gegnerin hervor (dabei hatte sie auch nicht immer Erfolg mit ihren Vorschlägen: maïeuticien, männliches Pendant der sagefemme, führte sofort zur Verballhornung als mailloticien); J.-Y. Bidet kritisiert die bêtise und das grotesque der Reform - und schlägt ironisch die Übernahme des deutschen Possessivbegleiters vor (Rien n'empêche d'adopter le même "schéma" en français: il promène SON CHIENNE, et elle promène SA CHIEN...).


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