Negationen-Häufung

Mehrere Verneinungen: Wie übersetze ich?

Dieses Arbeitsblatt gibt es in diesen drei Dateiformaten: PDFWordOpenOffice-Writer.

Ein ausführliches interaktives Training zu den beiden Negationen und zur Negationenhäufung findet sich bei den interaktiven Übungen.

Negationen treten im Griechischen oft gehäuft auf. Wie sich dabei der Sinn des ganzen Ausdrucks jeweils verändert, erklärt diese Seite.

Unbestimmte Pronomen wie irgendjemand, irgendwann, irgendwo, irgendwie usw. werden im griechischen Satz jeweils gesondert verneint. Dadurch können in einem Satz mehrere Negationen gehäuft auftreten, wie das auch in der deutschen Umgangssprache oder im Dialekt der Fall sein kann (z. B. im Schwäbischen: „I han grad koi Zeid ned.“ = Ich habe gerade keine Zeit nicht.).

Οὐδεὶς πώποτε Σωκράτους οὐδὲν ἀσεβὲς οὐδὲ ἀνόσιον οὔτε πράττοντος εἶδεν ούτε λέγοντος ἤκουσεν. Xen. Mem. 1,1,11

Keiner hat Sokrates jemals irgendetwas Frevelhaftes oder Unfrommes tun sehen oder (etwas Solches) sagen hören.

1. „Nie und nimmer!“ – Verstärkung des negativen Sinns

Treten in einem griechischen Satz mehrere Negationen auf und ist die letzte Negation zusammengesetzt, so wird die negative Aussage verstärkt.

Οὐδεὶς πώποτε Σωκράτους οὐδὲν ἀσεβὲς οὐδὲ ἀνόσιον οὔτε πράττοντος εἶδεν ούτε λέγοντος ἤκουσεν. Xen. Mem. 1,1,11

Keiner hat Sokrates jemals irgendetwas Frevelhaftes oder Unfrommes tun sehen oder (etwas Solches) sagen hören.

oder

Niemals hat jemand Sokrates irgendetwas Frevelhaftes oder Unfrommes tun sehen oder (etwas Solches) sagen hören.

In diesem Fall wird entweder

(a) nur eine einzige Negation übersetzt, und die übrigen negierten Pronomina, Konjunktionen etc. werden positiv wiedergeben, also z. B. οὐδέν als „irgendetwas“ oder οὔτε ... οὐτε als „(entweder) ... oder“,

oder

(b) die einfache Negation wird weggelassen:

Oὔ μοι δοκεῖ καλὸν εἶναι ἐμὲ τοῦτων οὐδὲν ποιεῖν. Pl. Apol. 34e

(a) Nicht recht scheint es mir, irgendetwas (οὐδὲν) davon zu tun. (nur οὐ negativ übersetzt)

oder

(b) Nichts davon zu tun, scheint mir recht. (einfache Negation οὐ weggelassen)

2. „Nicht ungestraft“ – Aufhebung des negativen Sinns

Selten behalten die Negationen jeweils ihre verneinende Kraft und heben einander auf. Dieser Fall tritt dann ein, wenn

  1. als letzte eine einfache Negation steht, also z. B.οὐδεὶς οὐκ: niemand nicht = jeder;
  2. beide Negationen sich auf dasselbe Prädikat beziehen.

Oὐδεὶς ἀνθρώπων ἀδικῶν τίσιν οὐκ ἀποτείσει. Herodot 5,56 (Zitat eines Orakels aus Delphi)

Kein Mensch, der Unrecht tut, wird ungestraft davonkommen („nicht Strafe abbüßen“). = Jeder Mensch, der Unrecht tut, wird bestraft werden.

Negationen, die sich auf verschiedene Prädikate oder Phrasen beziehen, behalten ihre verneinende Kraft:

Οὐ διὰ τὸ μὴ ἀκοντίζειν οὐκ ἔβαλον αὐτόν. Antiph 3,4,6

Nicht weil sie nicht geworfen haben, haben sie ihn nicht getroffen.
= Nicht aus dem Grund, dass sie es nicht versucht hätten, haben sie ihn verfehlt (sondern, weil sie daneben geworfen haben).

Das erste οὐκ verneint den Präpositionalausdruck διὰ ... ἀκοντίζειν, das μή verneint den Infinitiv ἀκοντίζειν und das zweite οὐκ das Prädikat ἔβαλον.


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