"Werbung" als aktive Medienarbeit

  Werbung

Werbung - ein besonderes Lernfeld

"Im Kinderfernsehen sind Programm und Werbung gleichermaßen bunt und lustig und für die junge Zielgruppe kaum zu unterscheiden. Der Umgang mit den Flimmerbildern sollte daher schon in der Grundschule unterrichtet werden." Dies war der Einstieg zu dem Artikel von Barbara Sichtermann in "Die Zeit"(1) , in dem sie darlegt, wie die Werbewirtschaft gezielt Kinder in die "Welt der Waren" locken will, denn Kinder sind die Konsumenten von morgen. Ihre Wünsche sind schon heute relevant. In vielen Fernsehsendern ist daher am Wochenende in den frühen Morgenstunden Kinderzeit, d.h. für Kinder interessante Zeichentrickfilme und Werbeblöcke bilden ein festes Gefüge.

Je jünger die Zuschauer sind, desto weniger können sie zwischen Film und Werbung unterscheiden, denn beides erscheint in verwandtem Gewand, so B. Sichtermann. "Man empfindet es gemeinhin als skandalös, dass (»hilflosen«) Kindern Werbung zugemutet wird, wo die doch nur ihre harmlosen Trickfilme schauen wollen. " (Sichtermann a.a.O.)
Sie fordert nicht die Abschaffung des Werbefernsehens und auch nicht Kinder vom Fernsehen fern zu halten. Das entbehrt jeglicher Realität. Wir alle, so auch die Kinder leben in einer von Konsum wesentlich mitbestimmten Welt.
Barbara Sichtermann spricht von "Aufladung der Lebensmittel mit spiritueller Bedeutung" und davon, dass "zumal die Kinder deutlich spüren, dass es mit Käse und Kaffee über den Gebrauchswert hinaus etwas auf sich hat."(Sichtermann a.a.O.).
Sie fordert, Kinder so früh wie möglich zu lehren die Werbebotschaften zu decodieren und zu beurteilen. Nur so können sie einmal kompetente Fernsehzuschauer werden. "Es bleibt nur die Flucht nach vorn: »Filmsprache« als Schulfach schon in der Grundschule....."
Welche Konsequenz müsste die Schule daraus ziehen?
Es geht sicher nicht um ein "Schulfach Filmsprache",. aber "Filmsprache in die Schulfächer" ist eine berechtigte und dringliche Forderung. Fächerverbünde und fächerübergreifende Projekte bieten Raum dafür. Die Sprache der Werbung, (nicht nur was gesprochen wird, auch wie gesprochen wird) und die Sprache der Bilder in der Werbung, die Musik in der Werbung, Bewegung/Animation und Körpersprache in der Werbung - können und müssen Themen in den Unterrichtsfächern sein.
Das vorgestellte Unterrichtsprojekt versucht sich dem Thema in aktiver Medienarbeit zu nähern.

Literatur: (1) "Die Zeit", Barbara Sichtermann, Reklame für Anfänger, Nr. 36/2003

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"Werbung" im Bildungsplan

Kompetenzen und Inhalte für Mensch, Natur und Kultur

Grundschule - Klasse 4

Kompetenzfeld 2 Ich - Du - Wir
Zusammen leben, miteinander gestalten, voneinander lernen

Die Schülerinnen und Schüler können
  • Werbung, Mode, Idole und Musik als Vermittler von Trends, Wunschvorstellungen, Werten und Lebensstilen erkennen und einschätzen.
Bildungsplan 2004 Grundschule S.104

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Kinderwissen

  • Es entwickelte sich ein langes Unterrichtsgespräch zu Fernsehgewohnheiten, Vorlieben und Kenntnissen zum Thema Werbung. Nur zwei Kinder kannten Kinderfernsehen in den frühen Stunden der Wochenenden nicht.
  • Es zeigte sich, dass in dieser Klasse die Zehnjährigen so viel Fernseherfahrung hatten, dass sie wussten: Werbeblöcke werden immer durch bestimmte optische und akustische Anfangs- und Endsignale gekennzeichnet und vom übrigen Programm isoliert. In den Beispielen waren die Werbesequenzen ausschließlich in Form von Zeichentrickfilmen gestaltet, trotzdem unterschieden die Kinder eindeutig zwischen Zeichentrickfilm als "Film" und als "Werbung". Das steht nicht im Widerspruch zu der Feststellung, dass jüngere Kinder diese Unterscheidung noch nicht sicher treffen können und daher Erwachsene sich diesem Bereich des Kinderfernsehens bewusst zuwenden sollten.
  • Die Erzählhandlung solch eines Werbespots wurde von den Schülerinnen und Schülern trotz vieler schneller Schnitte sofort in ihrem Zusammenhang erkannt und wiedergegeben. Auch Kinder, die diesen Spot zum ersten Mal sahen, konnten die "Geschichte" als komplexen Zusammenhang erkennen und Einzelheiten berichten. Es wäre eventuell lohnend solch eine Geschichte schriftlich erzählen zu lassen. So würde dem hohen Tempo im Fernsehen eine Verlangsamung in der geschriebenen Sprache gegenüber gestellt. Interessant wäre dann ein Blick darauf, ob Aussagen wie "So gehörst du dazu..." o.ä. interpretiert würden.
  • Über die Wirkung der Musik in der Werbung machten die Schülerinnen und Schüler vielfältige und zum Teil differenzierte Aussagen. Sie sahen sie als strukturierendes Element und nahmen ihre Funktion in Zusammenhang mit gesprochener und Bildsprache wahr.
  • Die Kinder wiesen besonders auf "Versprechen in Werbung, die nicht eingelöst werden" als bezeichnend für Werbung hin. Auch Werbeaussagen, die nicht überprüft werden können, waren ihnen aufgefallen.
  • Werbegeschenke, die keinen Wert besitzen und nur verlocken sollen, waren ein weiterer Bestandteil der kindlichen Kritik an Werbung. Sie wussten, dass solche Geschenke Kaufwünsche wecken sollen und dass sie selber manchmal genau deshalb eine Ware kaufen möchten.
  • Die Funktion von "Experten" in der Werbung wurde angesprochen.
  • Prominente werben - auch das war als ein "Werbetrick" im Blick.

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Bausteine für den Unterricht

Einstieg über "Kinderfernsehen am Wochenende"
Barbara Sichtermann hatte geschrieben, je jünger die Kinder seien, desto weniger könnten sie zwischen Werbung und Trickfilmprogramm unterscheiden.
Da in Baden-Württemberg das Thema Werbung dem 4. Schuljahr zugeordnet war und in dem neuen Bildungsplan in das Kompetenzfeld "Ich-Du-Wir" für Klasse 4 gehört, wurde als Einstieg ein Beispiel aus einem Sonntagmorgenprogramm eines Privatsenders gewählt. Im Hintergrund stand die Frage: Haben 10jährige Kinder bereits gelernt zwischen Film und Werbung zu unterscheiden?

MindMap "Thema Werbung" (Bild anzeigen)

In Einzel- oder Partnerarbeit sollten die Kinder dann in einer Stichwortsammlung notieren, was ihnen zum Thema "Werbung" einfiel. Eine kurze Andeutung an der Tafel erinnerte an die Form, wie diese auf den Schreibblättern festzuhalten sei.
An der Tafel wurden die Punkte in einer gemeinsamen MindMap zusammengetragen, geordnet und in ein Programm übertragen.

Arbeitsauftrag:
  • Gruppen von 2 bis maximal 4 Kindern bilden
  • einen Gegenstand unter dem Aspekt "Schüleralltag" wählen, für den ein Werbespot entstehen soll
  • eine Werbeidee entwickeln
  • Fotos planen und mit der digitalen Kamera aufnehmen
  • Texte schreiben
  • Texte sprechen und mit einem Minidiskrekorder aufzeichnen
  • eventuell musikalische Elemente entwickeln
  • mit dem Autorenprogramm "Mediator" alle Einzelelemente zu einem "Werbespot" zusammenfügen

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Unterrichtsbeobachtungen

Die Aufgabe: "Produziert einen Werbespot!" war nicht bis in die Einzelheiten vorbesprochen, sondern sollte für die Kinder viele Möglichkeiten offenhalten. Als Ziel war gegeben, dass ein mit dem Autorenprogramm erstellter "Film" entstehen sollte. Die Arbeit wurde permanent von der Frage begleitet: "Ist das ein gelungener Werbespot? Werden die Leute dies Produkt kaufen?" So war in der Aufgabenstellung die Analyse von Bild-/Filmsprache und Vorwissen über Werbung eingeschlossen und wurde ständig bei der Arbeit mitreflektiert.
Das Projekt wurde unter normalen Unterrichtsbedingungen durchgeführt. Zur Bedienung der Kamera und des Minidiskrekorders wurde jeweils eine Gruppe zu "Experten" ausgebildet, die ihr Wissen an die folgenden Gruppen weitergab. Genau so waren zunächst die Klassenkameradinnen und -kameraden Ansprechpartner für Fragen zum Umgang mit dem Autorenprogramm Mediator.
Nach einer Phase der intensiven Arbeit an diesem Projekt wurde es anschließend in den Wochenplan der folgenden Zeit eingebunden.

Zu den einzelnen Arbeitsschritten:

Gruppen von 2 bis maximal 4 Kindern bilden
Die Begrenzung der Gruppengröße erfolgte, weil sich in der Praxis gezeigt hatte, dass größere Gruppen nicht mehr effektiv arbeitete.
In der Klasse zeigte sich, dass fast ausschließlich Dreiergruppen gebildet wurden und die gemeinsame Arbeit gut organisiert wurde. Das heißt nicht, dass es ohne Auseinandersetzungen ging, was aber für die Arbeit notwendig war.

Gegenstand für den Werbespot unter dem Aspekt "Schüleralltag" wählen
Hier wurde bewusst ein Gegenstand aus dem Schul- und Schüleralltag gefordert, obwohl in vielen Sprachbüchern Phantasiegegenstände nahegelegt werden. Das Anliegen war aber Erfahrung und Wissen der Kinder auf dem Gebiet der Werbung durch die Aufgabenstellung zu reflektieren. Das "Theater der Waren", wie Barbara Sichtermann sagt (a.a.O.), sollte an realen bzw. realitätsnahen Gegenständen durchgespielt werden. Eine Sammlung zu möglichen Inhalten wurde nicht erstellt um die Aufgabe offen zu halten.

Werbeidee entwickeln
Für welche "Eigenschaft" des gewählten Gegenstandes sollte geworben werden?
Die Kinder sollten auf ihre Kenntnisse aus Werbeeinheiten zurückgreifen und daraus eigene Vorstellungen entwickeln. Sie zeigten, dass sie sich auskannten mit der "Aufladung mit spiritueller Bedeutung", wie Barbara Sichtermann es nannte.
Die Aufgabe war in hohem Maß kommunikativ orientiert. In jeder Gruppe wurden unterschiedliche Werbeideen gefunden, durchgespielt und auf die Umsetzbarkeit geprüft. Am Schluss musste man sich auf eine Idee verständigen. Bis es soweit war, wurde Werbung in vielen Facetten reflektiert.

Fotos planen und mit der digitalen Kamera aufnehmen
Für die Arbeit wurde vorgegeben, dass höchstens 6 Fotos für den Werbespot verwendet werden durften. Mit der digitalen Kamera konnte aber experimentiert werden, wie die Wirkung am besten erzielt wurde, die in der Vorstellung herrschte. Wenn die Kinder trotzdem mehr Bilder verwenden wollten, musste das begründet werden. Das sollte dazu führen, dass geplant werden musste, was im Bild festgehalten werden sollte, was das Bild präsentieren sollte.
Es wurde absichtlich nicht mit der Videokamera gearbeitet, weil die bewusste Strukturierung mit Einzelbildern deutlicher im Vordergrund stehen sollte.

Texte schreiben
Die Schülerinnen und Schüler sollten ihre Dialoge zunächst schriftlich festhalten, was wieder zu Auseinandersetzungen mit ihren Vorstellungen von Werbung führte. Diese schriftlich vorliegenden Texte dienten dem Erproben des Sprechens, geleitet von der Frage: "Wie klingt Werbesprache?"
Es zeigte sich, dass wirklich sehr viel mit dem Sprechen experimentiert wurde.

Texte sprechen und mit einem Minidiskrekorder aufzeichnen
Mit dem Aufzeichnen der gesprochenen Sprache wird das, was sonst flüchtig ist, zur Arbeitsgrundlage. Die Vorstellung von der erdachten Wirkung kann mit dem nun wiederholbaren realen Eindruck verglichen werden. Das führte zu einigen unterschiedlichen Versionen, aus denen erst am Schluss die "optimale" Realisierung ausgewählt wurde.
Aus Zeitgründen wurde den Schülergruppen ihr jeweiliges Soundmaterial geschnitten als Bausteine zur Verfügung gestellt.

Musikalische Elemente entwickeln
Der Aspekt der Musik und ihrer Wirkung konnte nur am Rand nachgegangen werden, da die Unterrichtseinheit ausschließlich im Deutschunterricht stattfand. Da von den Kindern Musik als bedeutend in der Werbung eingestuft wurde, hatte eine Schülergruppe eine kleine "Trommel" hergestellt. Hier wäre ein weites Feld gewesen um auf musikalische Wirkungen einzugehen und diese zu erproben. Für ein Unterichtsprojekt im neuen Fächerverbund "Mensch, Natur und Kultur" wäre es eine lohnende Arbeit.

Einzelelemente zu einem "Werbespot" zusammenfügen
Die Schülerinnen und Schüler konnten an Erfahrungen mit dem Programm Mediator aus dem dritten Schuljahr und aus Arbeiten im Jahrgang übergreifenden Unterricht anknüpfen.
Die Arbeiten wurden in den Gruppen weitgehend selbständig ausgeführt. Bilder und Sounddateien wurden auf den Seiten zusammengefügt. Die Möglichkeiten des Seitenwechsels sollten unter den Gesichtspunkten der "Werbewirksamkeit" erprobt werden.
Die Vorstellungen der Kinder gaben den Ausschlag für weitere Vorschläge zur Fortsetzung der Arbeit in der Gruppe. "Eigentlich müsste das nacheinander erscheinen....", "Wir wollten, dass es so und so..... aussieht...", "Die Figur sollte aus dem Hintergrund auftauchen...", das waren Äußerungen und Fragen, die auch zu weiterer Bildbearbeitung führten und komplexere Nutzung der Möglichkeiten im Mediatorprogramm notwendig machten.

Refelexionsphase
Die Gruppen zeigten ihre Werbespots. Die Arbeiten wurden von der Klasse gewürdigt, indem zunächst interessante und überzeugende Ideen sowie gelungene Umsetzungen genannt wurden. Anschließend wurden Änderungen vorgeschlagen, die von der Gruppe angenommen oder auch ignoriert werden konnte.

 


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Herausgeber: Landesbildungsserver Baden-Württemberg
Quelle: https://www.schule-bw.de

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