Ein Schülerguides-Projekt in Ostwürttemberg (KZ-Gedenkstätte Schwäbisch Hall-Hessental, Gedenkorte in Ellwangen)

Autor: Dr. Michael Hoffmann, Jochen Mayer

- Kompetenzzentrum für Geschichtliche Landeskunde im Unterricht/Peutinger Gymnasium Ellwangen  -

 

 

Foto links: Führung durch die KZ-Gedenkstätte Hessental mit dem biographischen Schwerpunkt Jakob Gutmann
Foto rechts: Der Seminarkurs vor der Erinnerungsstele an den letzten jüdischen Schüler des Peutinger Gymnasiums Erich Levy

Kooperationspartner für die KZ-Gedenkstätte Hessental

Folker Förtsch, KZ Gedenkstätte Hessental e.V.
Am Bahnhof
Schwäbisch Hall-Hessental
Karl-Kurz-Straße
74523 Schwäbisch Hall 
Website: www.kz-hessental.de/ 

Historischer Hintergrund

Das Lager Hessental

Das Lager Hessental war als Außenlager des KZ-Natzweiler-Struthof im Sommer 1944 eingerichtet worden und gehörte in die Kategorie der späten Lager, deren Ziel die physische Ausbeutung der Häftlinge für Kriegszwecke war ("Vernichtug durch Arbeit"). 
Von Oktober 1944 bis Anfang April 1945 waren an diesem Ort 800 bis 900 Häftlinge, fast ausnahmslos polnische Juden, zusammengepfercht. Ihre Hauptaufgabe war die Instandhaltung des Hessentaler Fliegerhorstes, in dessen Nähe der Strahljäger ME 262, eine von „Hitlers Wunderwaffen“, produziert wurde. Die Häftlinge wurden aber auch von gewerblichen und landwirtschaftlichen Betrieben der Umgebung sowie von der Stadt Schwäbisch Hall zur Zwangsarbeit herangezogen. Mehr als dreihundert Menschen fielen den unmenschlichen Bedingungen der Lagerhaft, Hunger, Krankheiten und Ermordungen durch die SS und in der Endphase des Zweiten Weltkriegs dem „Hessentaler Todesmarsch“ zum Opfer.
Seit April 2001 erinnert eine Gedenkstätte an die Geschichte des KZ-Außenlagers Hessental.
(zitiert nach: KZ-Gedenkstätte Hessental (gedenkstaetten-bw.de)

Der Hessentaler Todesmarsch und Gedenkorte im Raum Ellwangen

Am 5.April 1945 wurde das Lager Hessental beim Näherrücken der Front "evakuiert", d.h. die Häftlinge wurden zunächst in Waggons, dann zu Fuß in Richtung Allach, einem Außenlager des KZ Dachau, getrieben. In einem von  Schikane und Mord gekennzeichneten Marsch über Bühlertann, Rosenberg, Ellwangen, Röhlingen, Zöbingen und Wallerstein bis nach Nördlingen, wo die Überlebenden wieder in einen Zug verladen wurden, starben bis zu 300 Menschen. Entlang der Wegstrecke finden sich zahlreiche Stelen, die an das Geschehen erinnern.

In Ellwangen selbst befanden sich zwei kleinere KZ-Außenlager bzw. Außenkommandos (sog. Goldrain-Lager als Außenlager von Natzweiler-Struthof und ein Außenkommando des KZ Dachau in der SS-Kaserne) 

Schließlich verfügt Ellwangen auch über einen jüdischen Friedhof, die Geschichte der Ellwanger Juden von der Mitte des 19. Jahrhunderts bis zur NS-Zeit widerspiegelt.

Themen der Führungen mit jeweiligen Orten

Gedenkstätte SHA-Hessental
Thema 1: Das KZ Hessental als Außenlager von Natzweiler und die Endphase des Krieges
Thema 2: Die Opferperspektive am Bsp. des Häftlings Jakob Gutman
Thema 3: Die Opferperspektive am Bsp. des Häftlings Majer Blajwajs
Thema 4: Die Täter und ihre Taten: Heinrich Wicker
Thema 5: Der Lagerleiter August Walling
Thema 6: Das Lager und die Stadt: Wahrnehmung und Umgang der Haller Bürger mit dem Außenlager
Thema 7: Herkunft der Häftlinge und Struktur der Häftlingsgesellschaft in Hessental

Hessentaler Todesmarsch Teil 1: Anfang bis Ellwangen (Stele Rosenberg)
Hessentaler Todesmarsch Teil 2: Ellwangen bis Dachau (Stele Zöbingen)

Das KZ Ellwangen als Außenlager von Dachau
Das KZ Ellwangen als Außenlager von Natzweiler Struthof

Jüdischer Friedhof in Ellwangen
Gedenkstein Rabenhof und die Euthanasie Aktion T4
Jüdisches Leben in Ellwangen um 1900 mit Stadtführung
Denkmal am Peutinger Gymnasium: Der jüdische Ellwanger Erich Levy

Die Gedenkstätte Friedhof Bühlerzell-Gantenwald

Führung vor dem Stelenfeld der KZ-Gedenkstätte Hessental

Jahresplanung

Phase 1: September - Oktober

  • Projektvorstellung, Anforderungen
  • Erinnerungskultur („Vergangenheit, die nicht vergeht“)
  • Kollektives Gedächtnis/Denkmal/Konstruktion von Geschichte
  • inhaltliche Einführung (NS-Lagersystem, Ideologie)
  • methodische Propädeutik
  • Kennenlernen der Gedenkstätte (mit Führung) und der Gedenkorte
  • Besuch des Stadtarchivs/Stadtbibliothek

Phase 2: November - Dezember

  • Recherche und Kontaktaufnahme mit Experten
  • Eigenständige Besuche im Stadtarchiv/Bibliothek
  • Übungen zu Einleitung, Fazit und Zitierweise
  • Projektplan (ca. 4 Seiten)
  • Bewertung und Besprechung des Projektplans

 

Ergebnisse einer workshop-Phase beim Wochenend-Seminar der LpB

Phase 3: Januar - April

Phase 4: Mai - Juli

  • Führung vor dem Seminarkurs
  • Ausarbeitung der Seminarkursarbeit mit Reflexion der Führung
  • Präsentation der Seminarkursarbeit mit Reflexion der Führung
  • ggf. weitere Führungen vor SuS der Klasse 9
  • Ausgabe eines Zertifikats bei bestandener Prüfung

 

Führung auf dem jüdischen Friedhof in Ellwangen

Methodik

Für die Qualifizierung zum Schülerguide haben die Schülerinnen und Schüler folgende Anforderungen erfüllt:
• eigenständige Recherche und historische Aufbereitung des jeweiligen Themas in Archiv und Bibliothek
• Erstellung eines Projektplanes und einer wissenschaftlichen Ansprüchen genügenden Seminarabeit
• Teilnahme an einem von Experten der Landeszentrale für politische Bildung und der Arbeitsgemeinschaft Gedenkstätteninitiativen durchgeführten zweitägigen workshops zur methodischen Aufbereitung von Führungen an Gedenkstätten (Handlungsorientierung, Anschaulichkeit, Adressatenorientierung)
• Kontaktaufnahme und Vernetzung mit Historikern und kommunalen Verantwortungsträgern vor Ort
• Durchführung und Reflexion einer etwa 20-minütigen Führung am konkreten Ort für Schülerinnen und Schüler der Klassenstufe 8 und 9.

Bewertung

Die Bewertung umfasst folgende Teilbereiche:

1. Eine Unterrichtsnote für jeweils ein Halbjahr

2. Eine Note für die Führung

3. Eine Note zur Dokumentation (Seminararbeit mit Reflexion der Führung)

4. Eine Note für das an die Führung anschließende Kolloquium 

Fazit

"Ansonsten war es auch für mich eine tolle Erfahrung und eine neue Herausforderung. Es ist doch etwas anderes, sich selbst mit einem Thema auseinanderzusetzen, dabei Dinge zu erfahren, die man so im Geschichtsunterricht nicht lernen würde, und diese Informationen so zu verarbeiten, dass man sie anderen so verständlich und interessant wie nur möglich weitergeben kann."
Dieses Fazit einer Schülerin am Ende ihrer Seminararbeit bringt die wesentlichen Elemente eines Seminarkurses Schülerguides auf den Punkt.
Aus Sicht der beteiligten Lehrkräfte und Mitarbeiter der Gedenkstätten/LpB lassen sich folgende positiven Erfahrungen hervorheben:

  • die im Unterricht oft behandelte „große Geschichte“ erfährt eine regionale Vertiefung, den SuS wurde klar, dass diese Geschichte auch "vor ihrer Haustüre" passierte.
  • die oft spärliche Quellenlage und die daraus zu entwickelnden Führungen zeigten Geschichte als Konstrukt aus Quellen und Vermittlung.
  • die SuS sind großteils an der Aufgabe „gewachsen“ und „reifer“ geworden.
  • Arbeitsaufwand und Ertrag stehen in vertretbarem Verhältnis, insbesondere wenn man den Seminarkurs öfter durchführt.
  • Wiederverwertung der Führungen und des Materials im Unterricht in den KLassenstufen 8/9 und Kurrstufe ist unmittelbar möglich
  • SuS werden an der lokalen Erinnerungskultur beteiligt und erkennen Geschichte als Fach von öffentlicher Wirkung und Bedeutung 

Literatur und Links:

Michael Sylvester Koziol: Rüstung, Krieg und Sklaverei. Der Fliegerhorst Schwäbisch Hall-Hessental und das Konzentrationslager (= Forschungen aus Württembergisch-Franken. Bd. 27). Thorbecke u. a., Sigmaringen u. a. 1986
Folker Förtsch (Red.): KZ-Gedenkstätte Schwäbisch Hall-Hessental. Initiative KZ-Gedenkstätte Hessental, Schwäbisch Hall 2016
Friedensforum Ellwangen (Hg.): Vernichtung und Gewalt – die KZ-Außenlager Ellwangens, Ellwangen 1987, Neuauflage 2017

 


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Herausgeber: Landesbildungsserver Baden-Württemberg
Quelle: https://www.schule-bw.de

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