Möglichkeiten beim Übergang von der Schule in den Beruf

Um wen geht es? - Zielgruppe und Hintergrundinformationen
Förderschüler ¹ sind junge Menschen, die aufgrund persönlicher Voraussetzungen, ihrer Lebenssituation und der von ihnen ausgebildeten Erlebens- und Verarbeitungsweisen eines besonderen pädagogischen Zugangs hinsichtlich der beruflichen Eingliederung und Orientierung bedürfen. Im Gegensatz zu Abgängern aus Klassen mit dem Förderschwerpunkt geistige Entwicklung, werden Förderschulabsolventen mit Erreichen der Volljährigkeit uneingeschränkt geschäfts- und rechtsfähig. Bezüglich der Unterstützungsleistungen zur selbständigen Lebensführung bedeutet das auch, dass Abgänger aus Förderschulen nichtbehinderten Menschen gleichgestellt sind.

Um was geht es? - Berufliche Eingliederung und Lebensvorbereitung
Die sonderpädagogischen Bildungsangebote für junge Menschen mit komplexem Unterstützungsbedarf sind hinsichtlich der Berufs- und Lebenswegeplanung intensiv am Individuum ausgerichtet. Dafür steht die Kompetenzanalyse. Ein handlungsorientiertes Verfahren zur Analyse persönlicher Fähigkeiten, Fertigkeiten und Motive als Grundlage der beruflichen Förderplanung. Ebenso große Bedeutung haben für die Bildungsangebote an Förderschulen die Vermittlung von Schlüsselkompetenzen im Bereich der Persönlichkeitsentwicklung, Selbstorganisation und Problembewältigung in der Lebenswelt. Insbesondere sollen gefördert werden:
• Persönliche Kompetenzen (z.B. Selbsteinschätzung)
• Soziale Kompetenzen (z.B. Team- und Konfliktfähigkeit)
• Methodische Kompetenzen (z.B. Arbeitsorganisation)
• Lebenspraxis (z.B. Zeit- und Geldmanagement, Suchtprävention)
• Interkulturelle Kompetenz (z.B. Werteorientierung, Toleranz)
• Medienkompetenz (z.B. kontrollierte, zielgerichtete Anwendung)
Dafür stehen die Bildungsbereiche des Bildungsplans der Förderschule.

Ergebnisorientierung und häufig gestellte Fragen zur Situation der beruflichen Eingliederung von Förderschülern
Die Förderschulen sind sich bewusst, dass der Erfolg ihrer Bildungsangebote auch an den Anschlussmöglichkeiten und Verbleibsdaten ihrer Schüler nach Ende der Schulzeit gemessen wird. Seit 2004 wird von der Schulverwaltung regelmäßig erhoben, welche Anschlüsse von den Abgängern der Förderschule realisiert werden. Die insgesamt in der Tendenz erfolgreichen Bilanzen, kommen nur durch das gut verzweigte Netzwerk mit den Partnern der Förderschulen wie z.B. der Jugendhilfe und der Agentur für Arbeit zustande.
Wohlwissend, dass die Ergebnisse auch konjunkturabhängig sind und den Daten des demografischen Wandels unterliegen, lassen sich Erfolgskriterien der Konzepte an den Förderschulen aufzeigen:
• hohe Praxisanteile in einem engmaschigen lokalen Netzwerk betrieblicher Partner
• geschlechterspezifische sozialpädagogische Begleitung und Alltagshilfen
• strukturelle Verzahnung mit Personal und Inhalten des beruflichen Schulwesens in Kooperationsklassen.
In diesem Zusammenspiel wird die ressourcen- und kompetenzorientierte individuelle Entwicklungsbegleitung für jeden einzelnen Schüler realisiert.
Über die Anschlussmöglichkeiten informiert das unten stehende Flussdiagramm.
Häufige Fragen, die der Schulverwaltung in Bezug auf berufliche Orientierung und Eingliederung gestellt werden, lassen sich bündeln und wie folgt beantworten:

Wie wird in Baden-Württemberg der Übergang von der Förderschule zur Berufsausbildung gestaltet?
Die Frage der beruflichen Eingliederung von Förderschülern ist in fast allen Bundesländern ähnlich strukturiert und geregelt wie in BW. Aus dem beigefügten Schema geht hervor, dass eine wichtige Eingliederungsgrundlage die sich unmittelbar an den Förderschulabschluss anschließenden, außerschulischen Beruflichen Vorbereitungsmaßnahmen (BVB) und schulischen Berufsvorbereitungen (BVJ, BVE) sind. Je nach Qualität dieser Anschlusswege entscheidet sich der Übergang an der 1. und 2. Schwelle in den Arbeitsmarkt. Eine ganz wesentliche Voraussetzung für das Gelingen der berufsvorbereitenden Maßnahmen ist das Begleitsystem. Förderschüler scheitern zumeist nicht eindimensional in einem Lebensfeld, sondern in der Kombination unterschiedlicher Probleme im Leben. Diese kommen aus den Bereichen Legalität, Aufenthalt, Wohnen, Umgang mit Finanzen, Partnerschaft und Suchtverhalten. Ein vielfach negativ sich auswirkender Faktor stellen die fehlenden oder unstrukturierten persönlichen Rahmenbedingungen im Hintergrund dar.

Wie hoch ist der prozentuale Anteil an Schülern mit sonderpädagogischem Förderbedarf, die eine Berufsausbildung machen?
In allen Regionen werden die Verbleibsdaten der Förderschüler regelmäßig abgefragt. Dabei zeigt sich, dass die Abgänger nach der ersten Schwelle, also nach Beendigung ihrer beruflichen Schulpflicht bzw. der schulischen und außerschulischen Berufsvorbereitungsmaßnahmen, zu 80 % eine Regel- oder Sonderausbildung beginnen. Auch die Aufnahme eines zunächst ungelernten Beschäftigungsverhältnisses kann das Ziel beruflicher Vorbereitung sein (ca. 10 %). Die Zahl der Schüler, die nach der Berufsvorbereitung in Maßnahmen der Arbeitsagentur verbleiben, ist weiter rückläufig (5-7 %). Ein sehr geringer Anteil von 2 % Abgängern bleibt unversorgt.
Die Förderschulen bilden, wenn möglich, ein engmaschiges Netz von Betrieben, in denen ihre Abgänger Praktika absolvieren und in denen möglichst auch ein Ausbildungsplatz vermittelt werden soll. Das Netz dieser Partner ist von Region zu Region unterschiedlich belastbar und zudem konjunkturabhängig.

Wie bereitet die Förderschule die Schüler auf das Berufsleben vor?
Alle Förderschulen legen in der alltäglichen Arbeit ihren Schwerpunkt auf ein qualitativ gutes Eingliederungskonzept. Fragen der Eingliederung in Arbeit und Leben werden dabei von der ersten bis zur Abgangsklasse aufgegriffen. Themen werden kontextsensibel und milieuspezifisch in Form individueller Lern- und Entwicklungsbegleitung aufbereitet. Der Bildungsplan unterstützt die Schulen bei dieser Arbeit.
In den meisten Fällen bestehen die berufsbezogenen Inhalte aus Arbeitsfrüherziehung (Kennen lernen und Erproben arbeitsweltbezogener Einstellungen und Fähigkeiten vor dem 14. Lebensjahr), Kompetenzanalyse profil-ac, Praktika (Kombination aus Block- und Tagespraktika in großem zeitlichen Umfang z.B. 6-8 Wochen pro Schuljahr in Klassen 8/9), Schülerfirma und einem Patensystem z.B. aus Jugendbegleitern.
Handwerks- oder Handelskammern aber auch die Agentur für Arbeit sind in diesen Prozess eingebunden. In Bildungsregionen ist diese Partnerschaft auch vertraglich festgeschrieben. In Freiburg z.B. in der Konzeption Erfolgreich in Ausbildung. An den Förderschulen gibt es - finanziert durch den Schulträger - auch Jugendberufshilfe. Diese Unterstützung hängt von der finanziellen Situation des Schulträgers bzw. dessen Schwerpunktsetzung im Bildungsbereich ab. Förderschulen beteiligen sich erfolgreich auch an Zertifizierungssystemen der Innungskammern, wie z.B. das Berufswahlsiegel.

An welchen Einrichtungen erfolgt die Berufsausbildung von Schülern mit sonderpädagogischem Förderbedarf und welchen Einfluss hat der formale Schulabschluss?
Die Berufsausbildung erfolgt in betrieblichen und außerbetrieblichen Einrichtungen in formal geregelten Vollausbildungen nach §§ 4,5 BBiG. Hier beziehen die Auszubildenden Berufsausbildungsbeihilfe, Ausbildungsgeld bzw. Zuschüsse zur Ausbildungsvergütung nach den gesetzlichen Grundlagen SGB. Ebenso erfolgt die Ausbildung für Menschen mit Behinderung nach § 6 BBiG außerbetrieblich bzw. betrieblich mit den entsprechenden Zusatzleistungen nach SGB III. Der schulische Teil der Ausbildung erfolgt im dualen System an Regel- oder Sonderberufsschulen, aber auch integrativ von Bildungsträgern. Ein geringer Teil der Jugendlichen absolviert vollzeitschulische Ausbildungen, für die bereits der Hauptschulabschluss Voraussetzung ist. Hauptschulabschlüsse können in sämtlichen Formen der schulischen Berufsvorbereitung erworben werden bzw. werden mit erfolgreichem Abschluss einer Ausbildung erworben.

Wie sehen die Sonderausbildungsformen aus und wie werden die spezifischen Begleitsysteme eingerichtet?
Nach der ersten Schwelle gibt es weiterhin für die Menschen mit Behinderungen spezielle Unterstützungsleistungen des Integrationsfachdienstes bzw. der Agentur für Arbeit. Die Absolventen der Vollzeitausbildungen stehen dann an der Schwelle zum ersten Arbeitsmarkt und streben dort nach Erwerbstätigkeit. Baden-Württemberg gelingt dieser Übergang nach der 2. Schwelle derzeit am besten von allen Bundesländern. Das bedeutet, Jugendarbeitslosenquote ist geringer als anderswo. Aber immer noch zu hoch! Hier gilt es weitere Verbesserungen anzustreben.
Diese Verbesserungen könnten z.B. im Ausbau des Begleitersystems bestehen.
Formal geregelte Vollausbildungen sind im Sinne BBiG und der HwO 3-jährige Regelausbildungen, theorieverminderte 2-jährige Stufenausbildungen und vereinfachte 2-jährige Ausbildungen. Zusätzlich gibt es die Sonderausbildungsregelungen, sogenannte Werkerausbildungen für Menschen mit Behinderungen auf Antrag bei der Agentur für Arbeit. Werkerausbildungen sind nicht bundeseinheitlich, sondern regional geregelt und schränken insoweit die Zugangsmöglichkeiten beim Übergang in das Erwerbsleben ein. In dieses Segment der Werkerausbildung fallen 60 - 65 % aller Förderschülerinnen, die eine Ausbildung beginnen. Im Anschluss an diese Werkerausbildungen werden 50 % ausbildungsadäquat erwerbstätig.


Hans-Joachim Friedemann, Regierungspräsidium Freiburg

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¹ soweit im Text nicht ausdrücklich unterschieden, schließt die männliche Form die weibliche mit ein

 

Übergang Schule Beruf von Förderschüler: Verbleibswege und Unterstützungsystem