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Station 2: Deutschland in den 1950ern und frühen 1960ern

Erste deutsche Hitler-Biographien 

Unzählige Hitler-Biographien sind bis heute seit der sog. „Machtergreifung“ am 30. Januar 1933 entstanden. Die erste große Arbeit war die zweibändige Ausgabe des jüdischen SPD-Mitglieds Konrad Heiden (1936). Sie war jahrzehntelang vergessen und ist erst 2016 „wiederentdeckt“ worden. In einem brillanten Stück Zeitgeschichte warnt Heiden erfolglos vor dem verbrecherischen Wesen des NS und plädiert vergeblich für eine europäische Einheit.

Die erste deutschsprachige Nachkriegs-Biographie stammt von dem politisch schwer einzuordnenden Historiker und Publizisten Walter Görlitz aus dem Jahr 1952. Hier wird zum einen versucht, Hitler aufgrund seiner unklaren Herkunft lächerlich zu machen, zum anderen ihn als Dämon darzustellen, dessen Verführungskünsten sich niemand entziehen konnte. Über den Holocaust wird genauso ausführlich gesprochen wie über das handwerkliche Können von Hitlers finnischem Masseur – jeweils eine halbe Seite. Heute spielt die Biographie keine Rolle mehr.

Wiederum 20 Jahre später erschien die umfangreiche Darstellung von Joachim Fest (1973), die lange als Standardwerk galt und über 800 000 Mal verkauft wurde. Indem sich der aus einer katholisch und demokratisch geprägten Familie stammende Fest trotz mancher Verdienste zum Teil auf die nicht verifizierten Aussagen des ehemaligen Rüstungsministers Albert Speer stützt, stellt auch er Hitler als das personifizierte Böse dar, welches die Millionen manipulierte und den Massenmord an den Juden sozusagen allein beging. Konsequenterweise findet der Holocaust auch in Fests Werk kaum Beachtung. Die erste Hitler-Biographie eines seriösen deutschen Historikers ist von Peter Longerich und erschien im Jahr 2015.

Wahrheit oder Störung des konfessionellen Friedens?

Das Theaterstück „Der Stellvertreter“ von Rolf Hochhuth (*1931) beschreibt den Konflikt innerhalb der Katholischen Kirche darüber, ob Papst Pius XII. als Stellvertreter Christi zum Holocaust schweigen durfte. Zum Inhalt: Der Jesuitenpater Riccardo vertritt die Meinung, der Papst müsse öffentlich Stellung beziehen. Als der Pater nach vergeblichen Versuchen, Pius zum Handeln zu bringen, weiterhin auf taube Ohren stößt, gibt er sich aus Solidarität als Jude aus, wird nach Auschwitz deportiert und dort erschossen.  Auswirkung: Das Theaterstück löste weitreichende Kontroversen aus. Diese sogenannte „Stellvertreter-Debatte“ spielte sich nicht nur in den Medien ab. Bei Aufführungen in New York, Basel und Zürich kam es zu Protesten von Kritikern des Stücks innerhalb und außerhalb der katholischen Kirche. Während die einen den konfessionellen Frieden bedroht sahen und die Absetzung des Stückes forderten, wiesen die Verteidiger des Stücks auf seinen wahrheitsfördernden Wert hin. Die katholische Kirche reagierte auf die Debatte, indem sie die Geheimarchive öffnete, um die Vorwürfe zu entkräften.

Rolf Hochhuth, 2009

 

„Seit sechzehn Jahren weiß Rom, wie Hitler in Polen wütet: Warum sagt der Papst kein Wort dazu, dass dort, wo seine  Kirchentürme stehen, auch Hitlers Schornsteine rauchen? Wo sonntags die Glocken läuten, brennen werktags die Menschenöfen: so sieht heute das christliche Abendland aus! Warum, Eminenz, sollte Gott da nicht die Sintflut schicken? Allein die Panzer Stalins können Auschwitz, Treblinka, Majdanek befreien… “ Pater Gerstein, SS-Obersturmführer

Prozesse gegen NS-Verbrecher in den 1960ern

In den Jahren nach Kriegsende müssen sich in Deutschland zunächst nur hohe NS-Funktionäre für ihre Mittäterschaft in den Konzentrationslagern vor Gericht verantworten. Ab Dezember 1963 wird auf Initiative des Generalstaatsanwalts Fritz Bauer in Frankfurt erstmals eine Gruppe von etwa zwanzig SS-Angehörigen des gemeinschaftlichen Mordes im KZ Auschwitz angeklagt. In diesem größten Prozess der deutschen Nachkriegsgeschichte ist es Bauers Ziel, dem Gericht und der breiten Öffentlichkeit ein umfassendes Bild der Lagerstruktur und Vorgänge in Auschwitz zu verschaffen. In der Hauptversammlung sagen 360 Zeugen aus. Im August 1965 erfolgt ein für die meisten Angeklagten eher mildes Urteil. Der erste Frankfurter Auschwitz-Prozess führt zu einer Reihe weiterer Strafprozesse gegen ehemalige SS-Angehörige, zuletzt im April 2018.

Prozess gegen Horst Fischer in der DDR

Nur wenige Wochen nach der Urteilsverkündung im Frankfurter Auschwitz-Prozess, wird in der DDR der ehemalige Lagerarzt des KZ Auschwitz-Monowitz Horst Fischer in einem Schauprozess zum Tode verurteilt. Dem Ministerium für Staatssicherheit der DDR war seine Tätigkeit in Auschwitz bereits seit 1964 bekannt.

Skulptur von Fritz Bauer,

Malmö Allmänns Sjukhus

 

Fritz Bauer (1903-1968)

Bereits in jungen Jahren engagierte sich der Jurist Fritz Bauer in der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands, was ihn neben seiner jüdischen Herkunft nach kurzer Inhaftierung 1936 zur Emigration nach Skandinavien zwingt. Kurz nach seiner Rückkehr nach Deutschland 1949 erfolgte seine Berufung in das Amt des hessischen Generalstaatsanwalts. Weil er den deutschen Behördenmisstraut, gab er dem israelischen Geheimdienst die entscheidenden Hinweise, die zur späteren Festnahme Adolf Eichmanns führten. Bauer vertrat die Auffassung, dass der Holocaust an sich als Verbrechen zu betrachten ist. Das bedeutet, dass sich ein SS-Angehöriger allein durch seine Diensttätigkeit in einem KZ der Mittäterschaft schuldig gemacht hat.


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