Die Römer in Südwestdeutschland

Die Römer in Südwestdeutschland

Landesgeschichtliche Einordnung

Autor: Rainer Gutjahr (Arbeitskreis RP Karlsruhe)

A. Die militärische Inbesitznahme
B. Zivile Besiedlung

A. Die militärische Inbesitznahme

58-50 v. Chr.

Die Rheingrenze Mit der Eroberung Galliens durch Julius Caesar wurde der Rhein zur Grenze des Römischen Reiches. Die Nordgrenze des Imperiums verlangte damit nach einer Regelung, v. a. auch angesichts der Tatsache, dass noch nicht einmal die Alpen im Norden Italiens der römischen Herrschaft unterworfen waren.

Die Gewinnung des Alpenvorraumes Kaiser Augustus (31 v. Chr. – 14 n. Chr.) plante in diesem Zusammenhang die Errichtung einer „Großgermanischen Provinz“ - Provincia Germaniamagna mit der Elbe als Nordostgrenze. Notwendig waren damit zunächst die Unterwerfung der Alpenvölker und die Sicherung der Alpenpässe als Voraussetzung des Zugriffs auf germanische Gebiete.

15 v. Chr.

In Ausführung dieses Vorhabens unterwarfen die beiden Adoptivsöhne des Kaisers Augustus, Drusus und Tiberius, im Jahr 15 v. Chr. die Rätier und Vindeliker, Völker, die in den Alpen und im Alpenvorland (Oberschwaben, Bayern) ansässig waren. Das Siegesmonument von La Turbie (oberhalb Monacos), das Tropaeum Alpium, nennt die Namen von 49 unterworfenen Alpenstämmen. Gleichzeitig besetzte römisches Militär das mit Rom befreundete Königreich Noricum (Österreich). Strategisch wichtige Straßenverbindungen über mehrere Bergpässe legten die Grundlage für weitere Militäroperationen nördlich der Alpen. Zahlreiche Militärstationen im nördlichen Alpenvorland dienten der Sicherung des neu gewonnenen Gebiets. Das reiche Fundmaterial von Augsburg-Oberhausen deutet auf ein Legionslager hin. Ein weiteres, 1967 am Hochrhein bei Dangstetten (Waldshut) entdecktes Legionslager wird als Ausgangspunkt für Militäroperationen in den germanischen Raum hinein betrachtet, die etwa über das Wutachtal nordwärts in das Tal des Neckars führten. Im Lager von Dangstetten war jene 19. Legion stationiert, die im Jahr 9 n. Chr. in der „Varusschlacht“ beim heutigen Kalkriese zugrunde ging. Der 15 v. Chr. unterworfene Alpenraum unterstand der Militärverwaltung. Der Kommandeur der bei Augsburg-Oberhausen stationierten Legionen war zugleich Statthalter von Vindelikien (Oberschwaben, Bayern): legatusAugusti pro praetore in Vindolicis. Die weiter gehenden Pläne des Kaisers Augustus – die Eroberung Germanien bis zur Elbe – scheiterten. Ein Aufstand in Pannonien (Ungarn, Kroatien) nötigte Tiberius zum Abzug von Truppen aus Germanien auf den Balkan.

9 n. Chr.
16 n. Chr.

Die vernichtende Niederlage in der „Varusschlacht“ im Jahre 9 n. Chr. trug sieben Jahre später mit zum Verzicht des Kaisers Tiberius (14 – 51 n. Chr.) auf alle rechtsrheinischen Eroberungen bei; somit wurde der Rhein wieder zur Nordostgrenze des Römischen Reiches.

Ausbau der Rheingrenze Im Zuge des Ausbaus der Rheingrenze wurden die bestehenden kleineren Militärlager Vindonissa (Windisch, Kanton Aargau) und Argentorate (Straßburg) zu Legionslagern vergrößert. Der Schutz der Rheingrenze wurde dem „oberen Heer“ - exercitus superior - und dem „unteren Heer“ - exercitus inferior - übertragen. Die in Vindonissa stationierte Legion des oberen Heeres war für die Überwachung der aus Italien, Gallien und Rätien in der Nordschweiz zusammentreffenden Fernstraßen zuständig.

Römische Militärlager in Südwestdeutschland
Römische Militärlager in Südwestdeutschland – Phasen der Okkupation - Karte
© Neckar-Verlag Villingen-Schwenningen
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Römische Militärlager in Südwestdeutschland – Phasen der Okkupation - Kartenlegende
© Neckar-Verlag Villingen-Schwenningen
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41-54 n. Chr.

Errichtung der Provinz Rätien Im Zusammenhang mit der Errichtung der Provinz Rätien wurde in claudischer Zeit (Kaiser Claudius 41-54 n. Chr.) die Nordgrenze der Provinz am Südufer der Donau mit Kastellen befestigt, dazu gehören Unterkirchberg, Rißtissen, Emerkingen, Tuttlingen und Hüfingen. Von Hüfingen aus führte mit großer Wahrscheinlichkeit eine Straße über den Schwarzwald zum Kastell Riegel und von dort unterhalb des Kastells Sasbach über den Rhein; beim linksrheinischen Markolsheim mündete sie in die Rheintalstraße. Donaustraße und Rheintalstraße gewährleisteten die Verbindung von der Provinzhauptstadt Augsburg - Augusta Vindelicum - zur Kommandozentrale des oberen Heeres in Mainz - Mogontiacum -.. Unter dem Schutz der Militärlager entstanden am Hochrhein bereits in der Mitte des 1. Jahrhunderts n. Chr. Siedlungen und Landgüter - villae rusticae - , wie etwa das große Landgut von Laufenburg. Die Krise nach der Ermordung des Kaisers Nero 68 n. Chr., der Bataveraufstand 69/70 n. Chr. und die Belagerung des Legionslagers Mainz durch germanische Stämme zeigten die Notwendigkeit zur Herstellung einer kürzeren Straßenverbindung zur schnelleren Truppenverschiebung zwischen Donau und Rhein. Kaiser Vespasian (69-79 n. Chr.) ließ zu diesem Zweck durch den Legaten des oberen Heeres Gnaeus Pinarius Cornelius Clemens eine Straße von Straßburg nach Rätien bauen.

73/74 n. Chr.

Die neue Straße führte durch das Kinzigtal über den Schwarzwald an den oberen Neckar (Waldmössingen und Rottweil), von dort über die Schwäbische Alb an die Donau (Tuttlingen) und weiter nach Augsburg.

Entstehung des Alblimes Zur Sicherung dieser Straßenverbindung wurde es notwendig, die bisherigen Donaukastelle nach Norden auf die Schwäbische Alb vorzuverlegen. Zum Mittelpunkt der neu gewonnenen Gebiete und zum Verkehrsknotenpunkt wurde Rottweil - Arae Flaviae - im oberen Neckarland. Die neuen Kastelle von Sulz a. N. auf dem kleinen Heuberg, bei Ebingen-Lautlingen und Burladingen-Hausen dienten seit den Jahren nach 80 n. Chr. der militärischen Sicherung des Gebietes. Im gleichen Zusammenhang erfolgte der Ausbau der rechtsrheinischen Rheintalstraße; in Zunsweier bei Offenburg, in Heidelberg-Neuenheim und Ladenburg a. Neckar entstanden römische Lager.

Die Provinzen Obergermanien und Rätien (Limesverlauf Mitte 2. Jahrhundert n. Chr.) mit dem darüber gelegten Umriss des Landes Baden-Württemberg
Die Provinzen Obergermanien und Rätien (Limesverlauf Mitte 2. Jahrhundert n. Chr.) mit dem darüber gelegten Umriss des Landes Baden-Württemberg © Ranger Design Stuttgart
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83 n. Chr

Eine neue Lage entstand durch den Feldzug des Kaiser Domitian (81-96 n. Chr.) gegen die germanischen Chatten in der Wetterau im Jahre 83 n. Chr. Domitian ließ den erweiterten Mainzer Brückenkopf mit Kastellen im Taunus und in der Wetterau sichern. So entstand der Taunus-Wetterau-Limes.

Main-, Odenwald-, Neckarlimes Weitere Kastelle am Main, im Odenwald und am mittleren Neckar (Main-, Odenwald-, Neckarlimes) stellten die Verbindung zum Alblimes her. Infanterieeinheiten zu je 500 Mann und eine Reitereinheit wurden in Köngen, Stuttgart-Bad Canstatt, Benningen, Walheim, Heilbronn- Böckingen und Wimpfen im Tal stationiert. Eine Straße von Köngen über Rottenburg nach Rottweil verband die neue Grenze mit dem Hinterland.

Limesturm Limesturm (Rekonstruktion) bei Lorch
Limesturm Limesturm (Rekonstruktion) bei Lorch © LMZ-BW

ca. 85 n. Chr.

Die Provinzen Ober- und Untergermanien

Die Militärdistrikte des oberen und unteren Heeres wurden um 85 n. Chr. in den Status von Provinzen erhoben; so entstanden die Provincia Germania superior (Obergermanien) mit der Hauptstadt Mainz - Mogontiacum - und die Provincia Germania inferior (Untergermanien) mit der Hauptstadt Köln - Colonia Claudia Ara Agrippinensium. Etwa gleichzeitig rückten die römischen Truppen auf den Kamm der mittleren und östlichen Schwäbischen Alb vor. Der Sicherung der so entstandenen neuen Nordgrenze der Provinz Raetia dienten die Lager Gomadingen, Donnstetten, Urspring und Heidenheim.
Zu den neu gewonnenen fruchtbaren Gebieten in der Provinz Obergermanien zählt das Land am mittleren Neckar. Auf den fruchtbaren Böden entstanden unmittelbar nach der militärischen Sicherung Gutshöfe, von denen aus die Truppen versorgt werden konnten. Als frühes Beispiel gilt hierzu die Villa rustica von Bondorf.

Straßenbau

Im Schutz der befestigten Reichsgrenze wurde der Bau der direkten Verbindungsstraße von Mainz nach Augsburg in Angriff genommen. Diese „Hauptverkehrsachse des Limesgebietes“ (Filtzinger) führte von Mainz über Groß-Gerau, Gernsheim, Ladenburg, Heidelberg, Stettfeld, Cannstatt, Urspring bzw. Heidenheim, Günzburg nach Augsburg. Der Durchgangsverkehr von den Rhein- zu den Donauprovinzen nutzte diese Straße und wies dem Limesgebiet seine besondere Bedeutung zu. Eine Reihe weiterer Straßen war mit dieser Hauptachse verbunden; als „Verteiler“ oder „Drehscheibe“ können Heidelberg und Cannstatt angesprochen werden. Über diese Straßen waren z. B. Straßburg, Augst und Windisch zu erreichen.

Alblimesstraße bei Burladingen
Alblimesstraße bei Burladingen © LMZ-BW

98 – 138 n. Chr.

Ausbau der Grenzsicherung / Vorverlegung des Odenwald-Neckarlimes

Die Epoche der Kaiser Trajan (98 – 117 n. Chr.) und Hadrian (117 – 138 n. Chr.) brachte den Ausbau der Grenze und insbesondere den Steinausbau der Militärlager: steinerne Umwehrungen mit Gesimsplatten und Zinnen sind Kennzeichen dieser Maßnahmen. Unter Kaiser Antoninus Pius (138 – 161 n. Chr.) wurden 145/146 n. Chr. die Holztürme des Odenwaldlimes durch Steintürme ersetzt.

ca. 150 n. Chr.

Kurz nach dieser Verstärkung des Odenwaldlimes kam es zu einer Vorverlegung des Odenwald-Neckarlimes um etwa 30 km nach Osten. Eine Anordnung des Statthalters - legatusAugusti pro praetore - in Mainz ließ die Garnisonen vorrücken auf die Linie Miltenberg/Main – Walldürn – Osterburken – Jagsthausen – Öhringen – Mainhardt – Murrhardt – Welzheim – Lorch. Die neue, kürzere und ohne Rücksicht auf das Gelände geradlinig angelegte Palisadenlinie des „Vorderen Limes“ erleichterte die Überwachung der Grenze und Kontrolle des grenzüberschreitenden Waren- und Personenverkehrs. Die Besatzungen von acht Kohortenkastellen, neun Kleinkastellen und 267 Wachtürmen sicherten die Grenzlinie vom Main bis ins Remstal.
Etwa gleichzeitig mit der Ostverschiebung des Odenwald-Neckarlimes und darauf angepasst erfolgte die Vorverschiebung der Nordgrenze der Provinz Raetia auf den Nordhang des Remstales. In diesem Zusammenhang entstanden die Lager Schierenhof, Böbingen, Aalen, Rainau-Buch und Halheim.

Bildunterschrift: Militäranlagen und Zivilsiedlungen von 115 n. Chr. bis Anfang 3. Jahrhundert n. Chr.
Militäranlagen und Zivilsiedlungen von 115 n. Chr. bis Anfang 3. Jahrhundert n. Chr.
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ca. 200 n. Chr.

Bedrohung der Reichsgrenze / Verstärkung der Grenzbefestigung

Gegen Ende des 2. oder zu Anfang des 3. Jahrhunderts fand angesichts der Bedrohung der Reichsgrenze durch Markomannen und Alamannen eine Verstärkung der Grenzbefestigung statt: am obergermanischen Limes entstanden hinter der Palisade parallel laufend Graben und Wall; in Rätien ersetzte eine 2 bis 3 m hohe, 1,20 m breite Mauer die Palisade auf eine Länge von 166 km.
Die Verstärkung der Grenzbefestigung konnte das Fortbestehen der römischen Herrschaft auf Dauer nicht gewährleisten.

213 n. Chr.

Kaiser Caracalla (211 – 217 n. Chr.) stieß im Jahre 213 n. Chr. bei Dalkingen über den rätischen Limes zur Vorwärtsverteidigung nach Norden vor. Kaiser Severus Alexander (222 - 235 n. Chr.) zog indessen 231 n. Chr. Truppen aus dem Limesgebiet in den Osten des Reiches ab.

Auseinandersetzungen mit Alamannen und Franken

Diese Schwächung des Grenzschutzes nutzten Alamannen zum Überrennen des obergermanischen und rätischen Limes; sie stießen bis zu Saar und Mosel bzw. zum Alpenrand vor. Dies zwang Severus Alexander zum Abbruch seines Perserfeldzuges.

Limestor bei Dalkingen
Limestor bei Dalkingen © LMZ-BW

233 n. Chr.

236 n. Chr.

Er versammelte bei Mainz eine Angriffsarmee, wurde jedoch von seinen Soldaten im Mai 235 n. Chr. ermordet; der vom Heer zum Kaiser ausgerufene Maximinus Thrax (235 – 238 n. Chr.) eröffnete im Jahre 236 n. Chr. von Mainz aus eine Gegenoffensive, vertrieb die Alamannen aus dem Limesgebiet und ließ die zerstörten Anlagen am Limes wieder herstellen. Dennoch bedeutete der erste große Germaneneinfall einen tiefen Einschnitt: die Siedlungen im Umfeld der Lager und im Hinterland wurden nicht wieder oder nur noch verkleinert wieder aufgebaut. Gutshöfe wurden nur noch notdürftig und unvollständig wiederhergestellt. Bäder wurden verkleinert oder ganz aufgegeben. Der Rückgang der Bevölkerung und der Abzug von Truppenteilen verringerten Absatzmärkte und erschwerten die Gewinnung von Saisonarbeitern für die Landwirtschaft. Die wirtschaftlichen Verflechtungen der Limesregion mit den germanischen Gebieten erlebten ebenfalls eine Ausdünnung.

258 n. Chr.

Weitere Vorstöße der Alamannen überlagerten sich mit Unruhen im Römischen Reich. Ein damit zusammenhängender Abzug römischer Militäreinheiten nach Pannonien durch Kaiser Gallienus (253 – 268 n. Chr.), die Usurpation des Postumus (260 – 269 n. Chr.) und die Gründung eines gallischen Sonderreiches (258 – 273 n. Chr.) ermunterte Franken und Alamannen zu einem Vorstoß über Donau und Rhein hinweg bis nach Gallien, Spanien und Italien. Gallienus konnte zwar die Alamannen bei Mailand schlagen (260/61 n. Chr.), auch gelang es dem in Köln residierenden Postumus die Rheingrenze gegen die Franken zu behaupten, der Grenzschutz zwischen Rhein und Donau war aber endgültig zerschlagen, das Gebiet zwischen Rhein und Donau für das römische Imperium verloren.

ca. 290 n. Chr

Rückverlegung der Reichsgrenze an die Donau, die Iller und den Rhein

Die Sicherung der neuen Reichsgrenze an Donau, Iller und Rhein ließ sich Kaiser Diokletian (284 – 305 n. Chr.) angelegen sein. Um 290 n. Chr. fiel der Beschluss zur Wiederbefestigung der Rhein- und Donaugrenze. Im heutigen Baden-Württemberg war lediglich noch das Umfeld der Lager von Isny (Vemania ) und Breisach (Brisiacum ) Teil des römischen Reiches. Ansonsten deckt sich die Landesgrenze von Baden-Württemberg im Westen, Süden und Südosten mit der spätrömischen Reichsgrenze, dem Donau – Iller – Rhein – Limes. Zur gleichen Zeit lassen sich erste germanische Siedlungen im ehemaligen Limesgebiet feststellen. Als Verbündete der Römer halfen dort angesiedelte Germanenstämme, die Grenzen römischen Imperiums an Rhein und Donau bis zum Beginn des 5. Jahrhunderts n. Chr. zu halten.

   

B. Zivile Besiedlung - Kulturtransfer aus dem Süden

I. Besiedlungsstruktur: Städte/Lagerdörfer/Gutshöfe

 

Kaiserliche Domänen

Nach der Besetzung eines Gebietes richteten dort kaiserliche Verwaltungsbeamte kaiserliche Domänen (saltus ) ein. Der Boden wurde an die ortsansässige Bevölkerung verpachtet, die bis gegen Ende des 1. Jahrhunderts n. Chr. wohl überwiegend keltischer Abstammung war. Dies lässt der Name des einzigen im rechtsrheinischen Gebiet bislang nachweisbaren Saltus erkennen: der saltus Sumelocennensis mit seinem Hauptort Rottenburg; Sumelocenna ist ein keltischer Name. Zahlreiche andere Fluss- und Ortsnamen sowie Kultbilder aus römischer Zeit belegen die Existenz einer keltischen Besiedelung.

 

Stammesgemeinden und Siedlungen städtischen Charakters

Zu Beginn des 2. Jahrhunderts n. Chr. wurden aus dem kaiserlichen Domänen Stammesgemeinden (civitates ) mit eigener Selbstverwaltung gebildet; die beiden wichtigsten Civitates waren die Civitas Sumelocennensis mit dem Hauptort Sumelocenna (Rottenburg) und die Civitas Ulpia Sueborum Nicrensium, die Civitas der Neckarsueben mit dem Hauptort Lopodunum (Ladenburg). Weiter sind inschriftlich bezeugt die CivitasAquensium, Vorort Aquae (Baden-Baden); die Civitas Portus, Hauptort Pforzheim; die Civitas Alinensium, Vorort Wimpfen im Tal; die Civitas Aurelia GS mit dem vermutlichen Vorort Vicus Aurelianus (Öhringen).
Eine Ausnahme im Bereich der zivilen Verwaltung ist die Stadt - municipium - Arae Flaviae (Rottweil). Stadtartigen Charakter tragen anhand ihrer Strukturen auch Ladenburg und Rottenburg. Beide Orte wurden um die Wende vom 2. zum 3. Jahrhundert zum Schutz gegen Überfälle der Alamannen mit starken Mauern umgeben. Zu den erwähnten städtischen Strukturen gehören etwa Heiligtümer, in denen neben den klassischen römischen Göttern auch Gottheiten aus dem gesamten römischen Imperium verehrt wurden. Ferner gehören dazu Handwerksbetriebe, große zivile Wohnbauten, zentrale Verwaltungsgebäude, Bäder. Öffentliche Latrinen lassen sich für Rottenburg nachweisen, Schauspieltheater und ein Forum mit Marktbasilika für Ladenburg.

Römisches Kurbad Badenweiler (Rekonstruktion)
Römisches Kurbad Badenweiler (Rekonstruktion)© LMZ-BW
 

Lagerdörfer

In Anlehnung an jedes Militärlager entstanden entlang der wesentlichen Ausfallstraßen zivile Siedlungen – vici – von zum Teil beachtlicher Größe, wie etwa die zivile Siedlung beim Kastell der Ala II flavia in Aalen oder auch der Vicus von Heidelberg mit seiner massiven Neckarbrücke. Ausgrabungen belegen die Bedeutung dieser Siedlungen als Standorte für Händler und Handwerker wie Töpfer, Schmiede, Metallgießer und Kalkbrenner. Kultbereiche und kleine Tempelbauten runden das Bild ab. Von wenigen dieser Lagerdörfer ist ihre römische Bezeichnung bekannt: die Bewohner von Öhringen sind überliefert als vicani Aurelianenses, die von Köngen als vicani Grinarionenses; die vicani Murrenses waren an der Murr beheimatet.
Neben den Lagerdörfern finden sich einige bedeutende Flächensiedlungen, so Mühlacker-Dürrmenz, Hüfingen-Mühlöschle, Lahr-Dinglingen; auch an der wichtigen Straßenkreuzung von Stettfeld entstand ein Vicus von bemerkenswerten Ausmaßen.

Römerbad Weinsberg
Römerbad Weinsberg © LMZ-BW

 

Gutshöfe

Der Gutshof - villa rustica - bildete die Hauptsiedlungsform rechts des Rheines in Obergermanien und Rätien. Die Gutshöfe dienten der landwirtschaftlichen Erschließung und waren damit tragendes Element in der Romanisierung der eroberten Gebiete. Zu den Produktionszweigen gehörte neben dem Ackerbau auch die Viehzucht. Durch die Weiterverarbeitung landwirtschaftlicher Produkte – Milch zu Käse, Fleisch zu Würsten, Häute zu Leder – waren die in Einzellage errichteten Höfe bei der Versorgung ihrer Bewohner autark. Handwerksbetriebe, Töpfereien, Ziegeleien, Metallverarbeitung, Kalkbrennereien ergänzten die wirtschaftlichen Aktivitäten der Villa rustica. Daneben finden sich auf dem Areal der Villae rusticae Badehäuser und Heiligtümer.

Villa rustica (Modell) von Hechingen-Stein
Villa rustica (Modell) von Hechingen-Stein © LMZ-BW
 

Steinbrüche und Bergbau

Der systematische Abbau von Stein war Voraussetzung für den Hausbau (Fundamentierung, Schwellen, Gesimse, Balkenwiderlager, Eckpfeiler etc.) und die Errichtung von Wasserleitungen, Brunnen, Festungsmauern und Grenzwehranlagen. Aus Stein waren auch die Kultbilder, Weihesteine, Säulen und Altäre. Im Straßenbau wurden Steine zur Fundamentierung und zur Errichtung von Drainagen benötigt. Wenn es möglich war, wurden die Steine in der unmittelbaren Umgebung des Bauvorhabens gewonnen. Daneben sind Steinbrüche mit guter Verkehrsanbindung als „Großabbaustellen“ (Werner) z. B. bezeugt am Hochrhein bei Kaiseraugst und Degerfelden, westlich Güglingen im Zabergäu, bei Lahr-Kuhbach und im Elsass.
Auszugehen ist ferner von einem verbreiteten, aber „unsystematisch und kleinmaßstäblich“ (Hildebrandt) betriebenen Abbau von Erzen: nachzuweisen ist die Gewinnung von silberhaltigem Bleiglanz im südlichen Schwarzwald bei Sulzburg und Badenweiler, von silberhaltigem Bleiglanz und Galmei bei Wiesloch. Als wahrscheinlich gilt die Gewinnung von Eisenerzen bei Dettighofen, Bad Bellingen-Hertingen, Denzlingen und Ettenheim sowie bei Pforzheim-Seehaus.

 

Schwerpunkte der Besiedelung

Siedlungsschwerpunkte finden sich auf den fruchtbaren Böden entlang des Neckars von Rottenburg bis Wimpfen, dann am unteren Neckar bis zu seiner Mündung und im Oberrheintal. Schwächer besiedelt waren die Schwäbische Alb und Oberschwaben, dünn besiedelt Kraichgau und Schwäbischer Wald. Nahezu siedlungsleer war der Schwarzwald, mit Ausnahme seiner Höhen entlang von Hochrhein und Oberrhein.

 

Europäische Dimension

Die jüngst erfolgte Erhebung des Limes in den Rang eines „Weltkulturerbes“ unterstreicht die Tatsache, dass die römische Vergangenheit in herausragender Weise Bestandteil des kulturellen Gedächtnisses unserer Gesellschaft ist. Auch liegt die europäische Dimension des Themas auf der Hand. Sie verbindet sich nicht zuletzt mit dem Aspekt der „Romanisierung“, die als „Ausbreitung des Römischen … in Form von Sprache, Sitten, Gegenständen, Techniken oder Menschen“ definiert werden kann (Krause). Das römische Gebiet des heutigen Baden-Württemberg war Ziel einer Zuwanderung aus allen Provinzen des römischen Reiches. Dieser Vorgang war keine Einbahnstraße, er vollzog sich vielmehr im Austausch mit den vorgefundenen Kulturen, seien sie keltischer oder germanisch-neckarsuebischer Ausprägung.


Übersicht über Fundorte im Regierungsbezirk Karlsruhe
Römische Fundorte und Bodendenkmäler im Regierungsbezirk Karlsruhe

Beispiel antik-römischer Rezeption in der Neuzeit: Wasserkastell im Schlossgarten Schwetzingen, 18. Jh.
Beispiel antik-römischer Rezeption in der Neuzeit: Wasserkastell im Schlossgarten Schwetzingen, 18. Jh. © LMZ-BW

   
   
- Arbeitskreis für Landeskunde/Landesgeschichte RP Karlsruhe -

 

letzte Änderung: 2014-07-03