Technikgeschichte Baden-Württemberg
Autor: Dr. Rainer Hennl (Arbeitskreis RP Karlsruhe)
1579 Energiesparen Holzsparkunst – Kochherd © Landesarchiv BW/HStA |
1770-1774 "Rechnungs-Maschine“ Philipp Matthäus Hahn © TECHNOSEUM Mannheim |
1914-1926 Energiegewinnung Schwarzenbachtalsperre Forbach © EnBW |
Gliederung:
Begriffsdefinition/Vorbemerkung
Römerzeit
Früh-, Hoch- und Spätmittelalter
Frühe Neuzeit
Frühindustrialisierung/Hochindustrialisierung (1. Phase)
Die zweite industrielle Revolution
Weimarer Republik/Nationalsozialismus
Wiederaufbau/Wirtschaftswunder
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Nachfolgend soll unter Technikgeschichte "die Beschreibung der historischen Entwicklung der Technik in ihren soziokulturellen Entstehungs- und Verwendungszusammenhängen, einschließlich der Technikgenese und Technikfolgen" verstanden werden (Brockhaus Enzyklopädie, Bd. 21, Mannheim 1993, S. 676).
Vorbemerkung
Baden und Württemberg haben zur allgemeinen technischen Entwicklung keinen unbedeutenden Beitrag geleistet, so setzte etwa der deutsche Südwesten mit der Erfindung der Draisschen Laufmaschine, des Autos und des Zeppelins die Welt buchstäblich in Bewegung. Nicht zu Unrecht versteht sich Baden-Württemberg auch heute noch als das Land der "Tüftler und Erfinder": 13.347 der rund 48.000 Patent-Anmeldungen, die 2006 beim Deutschen Patent- und Markenamt (DPMA) in München eingingen, kamen aus Baden-Württemberg, nur Bayern meldete mehr Erfindungen (14.010 Patent-Anmeldungen). Bezieht man jedoch die Einwohnerzahlen der einzelnen Bundesländer mit ein, so lag Baden-Württemberg mit 125 Patent-Anmeldungen je 100.000 Einwohner sogar auf Platz Eins, und dies bei einem Bundesdurchschnitt von 58 Patent-Anmeldungen je 100.000 Einwohner.Gleichwohl sollte von einer spezifischen Technikgeschichte Badens und Württembergs bzw. Baden-Württembergs nicht gesprochen werden, denn beide Länder standen stets mit anderen Regionen Deutschlands und dem Ausland in einem Kreislauf des wechselseitigen Austauschs von technischem Know-how. Mit gutem Grund wurde daher bis auf den heutigen Tag noch keine Technikgeschichte Baden-Württembergs geschrieben. Wohl aber entstand eine kaum noch zu überschauende Zahl von Monographien zu einzelnen Wirtschafts- und Technikzweigen, zu einzelnen Erfindungen, Fahrzeug- und Flugzeugtypen, zu Firmen und zur wirtschaftlich-technischen Entwicklung einzelner Orte und Regionen. Das vorliegende landeskundliche Modul kann daher nicht mehr leisten, als einen - zwangsläufig beispiel- und lückenhaft bleibenden - Überblick über die wichtigsten technischen Entwicklungen in bestimmten Phasen der Geschichte Badens und Württembergs zu geben. Hierbei findet der Zeitraum von der Römerzeit bis hin zum Beginn der so genannten "dritten industriellen Revolution" in den 60er Jahren des 20. Jahrhunderts Berücksichtigung, wobei die militärtechnische Entwicklung fast gänzlich ausgespart bleibt. Des Weiteren will dieser Beitrag, indem er fallweise über die Vermittlung bloßer Basisinformationen hinausgeht, Lehrerinnen und Lehrer dazu anregen, sich mit ihren Klassen einer intensiveren Untersuchung bestimmter Facetten der technischen Entwicklung im "Ländle" zuzuwenden: etwa der Geschichte einzelner Erfindungen, der Biographie einer Erfinderin oder eines Erfinders, der Entwicklung des Produktangebots einer (einst) am Schulort beheimateten Firma, der Entfaltung des technischen Fortschritts am Heimatort oder auch der Auseinandersetzung um technische Neuerungen in der Öffentlichkeit.
Mit der im 1. Jahrhundert nach Christus erfolgenden Einbeziehung von mehr als zwei Dritteln des heutigen Baden-Württemberg in das römische Provinzialsystem gelangten auch die Errungenschaft der römischen Technik in das Land zwischen Oberrhein, Bodensee und Schwäbischer Alb: Landvermessung, Straßenbau, Kalkbrennerei (z. B. Ladenburg-Heidelberg, Rottweil), Ziegelherstellung (z. B. Rottweil, Ludwigsburg-Hoheneck), Steinbau - darunter auch die Anlage von Wasserleitungen (Rottenburg) sowie von Thermen (Baden-Baden, Badenweiler, Heidenheim, Rottweil) -, Töpferei (z. B. Rottweil, Waiblingen, Wimpfen), die Herstellung von Terra-Sigillata (Nürtingen, Waiblingen und Stuttgart-Kräherwald), Metallguss (Heidenheim, Cannstatt, Ladenburg, Wimpfen), Bergbau (Wiesloch, Südschwarzwald) und wohl auch die Anlage von Glashütten am Oberrhein und im Neckarland. Zum Einsatz gebracht wurden weiter Wasserschöpfwerke und mit Wasserrädern betriebene Mahlmühlen (mit Wasserrad, Winkelgetriebe, Mühleisen und Mühlsteinen), wobei die Tradition der Mühlentechnik wie auch die Errungenschaften der Agrartechnik (Obst- und Weinbau) nach dem Abzug der Römer erhalten blieben und in die Epoche des Frühmittelalters tradiert wurden.
Früh-, Hoch- und Spätmittelalter
Als das technische Symbol des Mittelalters muss die Wassermühle mit
ihrem die Muskelkraft ersetzenden mechanischen Antrieb gelten. Erst der Einsatz
von Wasserkraft, hydraulischer Energie, ermöglichte die Mechanisierung der
mittelalterlichen Wirtschaft. Vom 10. bis zum 15. Jahrhundert entstand eine
große Zahl von verschiedenen, seit etwa 1200 auch oberschlächtig angetriebenen
Anwendungsarten der Mühle (erster bildlicher Nachweis einer oberschlächtigen
Wassermühle in der Heidelberger Handschrift des Sachsenspiegels). So gab es
Getreide-, Öl-, Senf-, Knochen-, Pulver-, Stein-, Gips-, Gewürz-, Flachs-,
Walk-, Loh-,
Schleif- (Nürtingen 1432, Stuttgart 1453), und Drahtzieh- (seit dem späten 14.
Jahrhundert), Waid-, Papiermühlen (frühe Beispiele: 1393 Ravensburg, 1461
Ettlingen, 1477 Urach, 1512 Freiburg i. Br., 1519 Reutlingen), aber auch
Sägewerke (1304 Kirchheim/Teck, 1314 Pfaffenweiler im Schwarzwald) und Hammer-
und Pochwerke (seit dem 11. Jh. bereits bei der Metallverarbeitung genutzt).
Der früheste archäologische Nachweis einer Wassermühle in Baden-Württemberg
gelang für die Siedlung Mittelhofen bei Lauchheim an der Jagst, deren Mahlmühle
vom 6. bis zum frühen 12. Jahrhundert existierte. Eine besonders große
Mühlenanlage entstand im Spätmittelalter in Konstanz am Ausfluss des
Bodensee-Obersees. 1427 wurde in die dortige Rheinbrücke eine Mühlanlage
eingebaut, die um 1540 aus zwei Häusern mit vier Wasserrädern bestand. 1793
wurde die Anlage modernisiert und fortan konnten die Wasserräder um zwei Meter
gehoben oder gesenkt werden, womit eine Anpassung an den schwankenden
Wasserstand erreichbar war. Alles in allem gehörten 1793 zu der Konstanzer
Mühlanlage eine Getreidemühle mit 13 Mahlgängen, eine Säge-, eine Schleif- und
eine Walkmühle.
Die im Jahr 1553 erstmals erwähnte Meuschenmühle in Alfdorf (Rems-Murr-Kreis).
©
www.lmz-bw.de
Mit dem Aufkommen des Städtewesens im 12./13. Jahrhundert entwickelte sich ein differenziertes Handwerk und Gewerbe, quellenmäßig gut belegt für Freiburg, Ulm (Leineweberei und Tuchweberei), Ravensburg (Leinwand), Konstanz (Goldschmiedekunst, Leinwand, Tuch- und Barchentweberei), Schwäbisch Hall (Salzsiederei), Freiburg (Tuchweberei, Leinwand, Schmiedehandwerk, Eisengießerei, Goldschmiedekunst, Edelsteinschleiferei), Schwäbisch Gmünd (Sensenschmieden; Gesamtsensenproduktion Schwäbisch Gmünds im Jahr 1547: 133.025 Stück; ältestes historisches Beispiel für die Massenherstellung von landwirtschaftlichem Arbeitsgerät) und Heilbronn (Kupferhämmer, 2. H. 15. Jh.). Die technischen Voraussetzungen des auffällig leistungsstarken Textilgewerbes im schwäbischen Raum bildeten hierbei seit dem 13. Jahrhundert der waagerechte Trittwebstuhl für zwei Arbeiter, das Spinnrad (seit Ende des 14. Jh.s auch mit Tretantrieb) und die Flachsbreche.
Besondere Aufmerksamkeit verdient die Eisenverarbeitung im oberen Kocher- und Brenztal, die durch Erzfunde auf der Albhochfläche und am Albrand ermöglicht wurde. Die erste Nachricht über Eisenverarbeitung im Brenztal stammt aus dem Jahr 1365, und bis zum 16. Jahrhundert entfaltete sich im oberen Kocher- und Brenztal eine auf Eisengewinnung und -verarbeitung ausgerichtete protoindustrielle Gewerbelandschaft mit zahlreichen Eisengießereien und Hammerwerken. Standorte waren Unter- und Oberkochen, Heidenheim, Mergelstetten, Itzelberg und v. a. Königsbronn mit seinem 1529 vom Zisterzienserkloster Königsbronn unter Abt Melchior Ruof gegründeten Eisenwerk. Das Königsbronner Eisenwerk stellte zu Beginn des 16. Jahrhunderts hochwertige Gussteile, kunstvolle Ofenplatten, Kanonenkugel und Masseleisen für die Weiterverarbeitung her. Als SHW Casting Technologies GmbH besteht es noch heute, kein Eisenwerk Deutschlands kann eine längere Kontinuität des Bestehens vorweisen.
Um das damals österreichische Laufenburg bildete sich gleichfalls ein Zentrum des Eisengewerbes heraus (1494 Laufenburger Bund der Hammerschmiede), dem zu Beginn des 16. Jahrhunderts 36 Eisenwerke zuzurechnen waren. Die badische Metallindustrie hatte im Markgräflerland um Kandern, Hausen, Badenweiler ihre frühen Standorte, beispielsweise ließ Markgraf Christoph (1475-1515) dort qualitativ hochwertige Kanonenkugeln herstellen.
Herausragende Bauhütten fanden sich in Freiburg und Ulm. Der um 1200 im
spätromanischen Stil begonnene Bau des Freiburger Münsters wurde in der Mitte
des 16. Jahrhunderts mit der Vollendung des spätgotischen Chors abgeschlossen,
der Turm war bereits in der Mitte des 14. Jahrhunderts - als einziger gotischer
Turm des Mittelalters - vollendet worden. In Ulm leiteten die mit der
Grundsteinlegung zum Münster im Jahr 1377 entstandene Bauhütte zunächst
Mitglieder der Parler-Familie, dann ab 1391 Ulrich von Ensingen, auf den das
ehrgeizige Projekt zurückgeht, den höchsten Kirchturm des christlichen
Abendlandes zu errichten. Nachdem die erste Münsterbauhütte 1543 geschlossen
worden war, wurde der Ulmer Westturm (Höhe: 161,53 Meter) freilich erst 1890
vollendet.
Konsolbüste vom Turmbaumeister, am Münster in Freiburg (um 1300)
©
www.lmz-bw.de (Hecker)
Ulmer Münster
©
www.lmz-bw.de (Sauter)
Beeindruckende Konstruktionen bewerkstelligte auch der im Hochmittelalter wieder in Gang gekommene Brückenbau. Rheinbrücken entstanden bei Breisach (vor 1283) und bei Konstanz (vor 1296), Brücken über den Neckar bei Heidelberg (vor 1284) und Esslingen (Pliensaubrücke; vor 1259; ursprünglich 9 bis 10 Brückenbögen, Gesamtlänge der Brücke ca. 200 m) und eine Donaubrücke bei Ulm bereits vor 1240.
In hohem Maße war der mittelalterliche (wie auch der frühneuzeitliche) Mensch auf die regenerative Ressource des Holzes angewiesen, diente Holz doch als Wärme- und Energiequelle und als Roh-, Bau- und Werkstoff. Um das Holz von den weitgehend unbesiedelten Waldgebieten zu den menschenreicheren Regionen, insbesondere in die urbanen Gewerbezentren zu bringen, wurde an Rhein (erster Beleg 1209), Neckar, Würm, Enz, Nagold, Murg, Kinzig und Schutter die Flößerei entwickelt. Diese entwickelte sich seit dem Spätmittelalter zu einem das gesamte Wirtschaftsleben dynamisierenden "technischen System" (Joachim Radkau), das seine volle Entfaltung zu Zeiten des "Holländerhandels" im 18. Jahrhundert erreichte. Um die Flößerei zu ermöglichen, mussten Gleitbahnen, auf denen die Stämme zu den Wasserstraßen niedergingen, geschaffen, Wasserstuben angelegt, Vorrichtungen zum Auffangen von Triftholz (sogenannte Essel) und Triftkanäle angelegt werden. Flüsse und Bäche wurden mit großem Arbeitsaufwand floßbar gemacht und eine komplexe Floßbautechnik entwickelt (z. B. das Einbinden der Stämme zu einem trapezförmigen Gestör mittels Wieden und die Koppelung mehrerer Gestöre zu einem bis zu 300 m langen Gestör-Floß).
"Das Flößen im Schwarzwald" (Holzstich von Karl Roux um 1890)
© Landesmuseum für Technik und Arbeit in Mannheim
Die waldreichen Regionen Badens und Württembergs ermöglichten auch das
Harzgewerbe, das seit dem 15. Jh. insbesondere um Baiersbronn zentriert
war. Die Harzer sammelten, schmolzen und reinigten das Harz, das dann vor allem
den Schiffs- und Fassbauern als Abdichtmaterial diente. Von größerer Bedeutung
im Bereich der Waldwirtschaft war die Glasmacherei, wobei die
Produktionsstandorte infolge Waldverwüstung häufig wechselten. Zur
Glasherstellung wurde in einem Schmelzofen, in dem eine Hitze von 1.100 Grad
Celsius zu erzeugen war, ein Gemisch von Quarz-Sand und Holzasche (als
Flussmittel) zum Schmelzen gebracht. Hierbei wurden, um 100 kg Glas
herzustellen, ca. 20 Ster (= 10 t) Holz benötigt. Die bekannteste
südwestdeutsche Glasmacherregion bildete der Schwarzwald mit über 200
nachgewiesenen oder vermuteten Hüttenstandorten. Bereits im 12. Jahrhundert ist
dort mit einer "florierenden Glasproduktion" (Bertram Jenisch, Alles
glaswergkh, das m�glich ist … Spätmittelalterliche Glashütten im
Oberrrheingebiet, in: Spätmittelalter, Aufsatzband, S. 195) zu rechnen. Die
frühesten Belege für die Glasmacherei in den schriftlichen Quellen stammen aus
der Zeit der Wende vom 12. zum 13. Jahrhundert (Langenwald, Freiamt). Im
Spätmittelalter bestanden Glashütten im Nordschwarzwald bei Völkersbach, im
Nagoldtal bei Würm, bei Hirsau und Emberg, im Mittleren Schwarzwald im Bühler
Tal, bei Oppenau, im Raum Freudenstadt, bei Lahr-Kuhbach, auf dem Langenhardt
bei Lahr, bei Mundingen, bei St. Georgen, in Langenschiltach, bei Hinterstraß
und Bräunlingen-Unterbränd. Im Südschwarzwald lassen sich Glashütten im
Münstertal, südlich des Kandertals und im Gebiet des Klosters St. Blasien
nachweisen.
Im Schönbuch ist durch archäologische Ausgrabungen zwischen 1992 und 1999 die
Glashütte Glaswasen unweit des Klosters Bebenhausen bekannt geworden. Die wohl
1476/77 in Zusammenhang mit der Errichtung der Gebäude für die Tübinger
Universität in Betrieb genommene Glashütte stellte in protoindustrieller
Massenfertigung v. a. Flachglas für Glasfenster her.
Der mittelalterliche Bergbau in Baden und Württemberg nahm z. T. schon im 9. Jahrhundert seinen Anfang (so in Wiesloch im Kraichgau), eine Blütezeit erlebte er im 13. und dann wieder im 15 und 16. Jahrhundert. Als Zentren des Bergbaus können Hohensachsen (Silber), Schriesheim (Silber), Weinheim (Silber, Kupfer, Blei), Wiesloch/Nußloch (Blei, Zink, Silber), Freiburg (Zink-, Blei- und Silberbergbau im Schauinsland; vgl. Bergbaudarstellungen im Schauinsland- und Tulenhauptfenster des Freiburger Münsters), Sulzburg, Todtnau, Haslach, Hausach, Wolfach (Silberbergbau), Freudenstadt (Eisen, Silber), Neubulach (Kupfer, Silber), Königsbronn, Aalen und Wasseralfingen (Eisenerz) betrachtet werden. Der Vortrieb im Bergbau erfolgte durch Feuersetzen, Zertrümmern des Gesteins mit der Keilhaue, seit dem 14. Jahrhundert auch mit Schlägel und Meisel und die Förderung des gewonnenen Materials mit Trögen, Schubkarren und "Hunden" (hölzernen Grubenwagen, belegbar für das 16. Jh.).
Bergwerk bei Schriesheim (1528); GLA J-N-B Nr. 7
© Generallandesarchiv Karlsruhe
Die Agrartechnik erfuhr während des Mittelalters starke Veränderungen. Die zelgengebundene Dreifelderwirtschaft, die bis ins 19. Jahrhundert die vorherrschende agrarische Nutzungsweise blieb, war im Altsiedelland im 8./9. Jahrhundert bereits eine weit verbreitete Institution, z. B. ist sie schon seit 763 bei Weigheim (Villingen-Schwenningen) nachweisbar Im Zuge des hochmittelalterlichen Landesausbaus kamen dann weitere agrartechnische Neuerungen zur Anwendung: der Beetpflug mit Schar und Streichbrett (bald auch mit beweglichem Streichbrett und symmetrischer Pflugschar versehen), die allgemeine Verbreitung des hölzernen Dreschflegels, des gepolsterten Kummets sowie des Ortscheits und schließlich diverse Verfeinerungen von Sense und Egge.
Der industriell-gewerbliche Aufschwung wie auch der technische Fortschritt wurde im 16., 17. und 18. Jahrhundert in Baden und Württemberg im Wesentlichen von der Eisenindustrie, der Textilindustrie, der Papierherstellung und von Luxusgütermanufakturen getragen. Bemerkenswerte Innovationen erfolgten auch auf dem Feld der Uhrenherstellung.
Die Eisenwerke an Kocher und Brenz, die noch im 18. Jahrhundert teils in
württembergischer Hand (Heidenheim, Mergelstetten Königsbronn, Itzelberg,),
teils im Besitz der Propstei Ellwangen (Ober- und Unterkochen, Wasseralfingen)
gestanden hatten, waren seit 1803 unter dem Dach der württembergischen
"Königlichen Hüttenwerke" vereint. Das Königsbronner Eisenwerk stellte seit
1661 in technisch anspruchsvollem Stückguss Kanonen und Glocken her und
bediente sich seit 1772 einer Aufsehen erregenden technischen Neuerung, des
"Eisernen Wasserkastens". In Auftrag gegeben vom damaligen Pächter des
Königsbronner Werks, Johann Georg Blezinger, wurde im "Eisernen Wasserkasten"
das Wasser des Brenztopfs gesammelt und anschließend über Fallen zur
Regulierung des Wasserstroms neun oberschlächtigen Wasserrädern zugeführt, um
hydraulische Energie für die Metallverarbeitung zu gewinnen. Zu einem weiteren
Zentrum der württembergischen Metall verarbeitenden Industrie entwickelte sich
seit dem frühen 17. Jahrhundert Christophstal, in dem mehrere Hammerwerke, eine
Glockengießerei und eine Drahtzieherei betrieben wurden.
In Baden arbeitete seit 1680 bei Pforzheim ein markgräfliches Eisenhammerwerk.
1756 kam es in den Besitz der Unternehmerfamilie Benckiser, unter deren Führung
die Firma in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts zu einem weltbekannten
Brückenbau-Unternehmen heranwuchs.
Im Textilbereich kam es im gesamten Südwesten zur Gründung von großen Manufakturen. Bei der "Calwer Zeughandlungskompagnie", die 1650 eine Gesellschaft von Färbern und Kaufleuten begründet hatte, handelte es sich um eine dezentralisierte Manufaktur, die mit verlagsmäßig organisierter Produktion verbunden war. So arbeiteten im Jahr 1787 933 Wollzeugproduzenten und 3.000-4.000 Spinnerinnen und Garnkämmer für die Zeughandlungskompagnie, von denen jedoch nicht mehr als 168 in der Manufaktur selbst arbeiteten. Gleichfalls im Württembergischen entstanden in Sulz (1744) und Heidenheim (1766) Kattunmanufakuren (Kattun: glattes, leinwandartig gewebtes, ziemlich dichtes Baumwollzeug), deren preisgünstige Produkte mit der Zeugmacherei und dem Leinengewerbe in Konkurrenz traten. Der Gründer der Heidenheimer Manufaktur, der Kaufmann, Erfinder, Techniker und Chemiker Johann Heinrich Schüler, entwickelte hierbei als erster Unternehmer in Deutschland ein Verfahren, um Kattunstoffe mit Kupferplatten zu bedrucken, was allerdings erst in der Schülerschen Kattunfabrik in Augsburg (gegr. 1770) zur Reife kam. Die älteste noch bestehende württembergische Baumwollweberei, Kolb & Schüle, wurde 1760 durch Johannes Kolb 1760 in Kirchheim/Teck begründet.
Auch in der Kurpfalz entstand - 1766 in staatlicher Regie - eine Kattunfabrik, die Heidelberger Zitz- und Kattunfabrik. Sie beschäftigte um 1774 rund 200 Menschen, hatte jedoch nur bis 1784 Bestand. Hingegen wurde die 1753 in Lörrach gegründete Koechlinsche Indiennefabrik (Indienne: farbig bemaltes oder bedrucktes Kattungewebe) im 19. Jahrhundert zu einem der größten Arbeitgeber Badens und existiert als Koechlin, Baumgartner & Cie. AG noch heute.
Zu einem Zentrum der deutschen, ja der europäischen Papierherstellung hatte sich in der frühen Neuzeit Ravensburg entwickelt, wo 1560 an einem Kanal des Flappbachs sechs Papiermühlen bestanden. Durch die ständige Zunahme der Buchproduktion erlebte die Papierproduktion seit dem frühen 16. Jahrhundert bis zum Dreißigjährigen Krieg und dann wieder mit dem Einsetzen der Aufklärung und dem Aufkommen des Zeitungswesens im 18. Jahrhundert einen markanten Aufschwung. Dieser wurde durch technische Neuerungen beschleunigt. Zum einen gingen die Papiermacher seit dem 16. Jahrhundert allmählich vom Glätten des Papiers auf einer Marmorplatte mit dem polierten Glättstein zum Glätten mit dem wassergetriebenen Hammer, im 18. Jahrhundert dann mit mechanischen Satinierwalzen über. Vor allem aber löste seit etwa 1720 der "Holländer", eine in den Niederlanden entwickelte (Lumpen-) Zerfaserungsmaschine, die bisher in den Papiermühlen betriebenen Stampfwerke ab. 1809/10 bestanden dann in Baden wohl 21, in Württemberg 44 Papiermühlen, auf dem Gebiet des heutigen Bundeslandes Baden-Württemberg insgesamt 75 (letzte Angabe bezogen auf das Jahr 1800).
Manufakturen für die Produktion von Luxuswaren wiesen häufig einen hohen Grad der Arbeitsteilung und technologisch komplexe Produktionsprozesse auf. Fayence-Manufakturen entstanden 1709 in Ansbach, 1715 in Crailsheim, 1723 in Durlach, Porzellanmanufakturen 1755 in Frankenthal, 1758 in Ansbach und Ludwigburg und 1770 in Mosbach. Lederfabriken arbeiteten in Ludwigsburg (seit 1724), Hirsau (seit 1766) und Mosbach (seit. 1775), eine Seiden- und Borten-Fabrik in Mannheim (seit 1765) und mit der Gründung der Pforzheimer Bijouterie im Pforzheimer Waisenhaus (1767) wurde der Grundstein für die Pforzheimer Schmuckindustrie gelegt. (Bis 1845 bildeten sich in Pforzheim 17 Schmuckbetriebe mit insgesamt 1.048 Arbeitern heraus.) Die von 1752 bis 1798 existierende Seidenstrumpf- und Seidenzeugmanufaktur in Heidelberg stellte schließlich mit im Jahr 1786 mit nahezu 500 Beschäftigten "den ersten industriellen Großbetrieb Südwestdeutschlands" (Willi A. Boelcke, S. 135) dar.
Als neues Handwerk entstand seit der Mitte des 17. Jahrhunderts im Schwarzwald das Uhrmacherhandwerk. Es entwickelte sich im 18. Jahrhundert vor allem um Furtwangen, Lenzkirch und Neustadt und erlebte bis in die 40er Jahre des 19. Jahrhunderts eine Blütezeit. Die frühen Schwarzwälderuhren hatten ein aus Holz gefertigtes 12-Stunden-Uhrwerk, als Antrieb diente ein Feldstein an einer Schnur mit Gegengewicht. Ab etwa 1740 setzte sich die Pendeluhr durch, zeitgleich kamen die Kuckucksuhren auf, die ab 1850 im auf Friedrich Eisenlohr zurückgehenden "Bahnhäusle"-Design zu erwerben waren.
Schwarzwälder Bahnhäusle-Kuckucksuhr (2. H. 19. Jh.)
© Landesmuseum für Technik und Arbeit in Mannheim
Neben der Kuckucksuhr stellten die Jockele-Uhr (Kleinwanduhr, Bezeichnung nach Jacob "Jockele" Herbstreith aus Hinterzarten, ab 1790), die Sorg-Uhr (extrem kleine Wanduhr, benannt nach der Uhrmacherfamilie Sorg in Neustadt, ab 1820) und die Lackschilduhr der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts bekannte Schwarzwälder Uhrentypen dar.
Das theoretische Wissen um den Uhrenbau im Schwarzwald wurde sehr stark durch Thaddäus Rinderle, Benediktinerpater in St. Peter und Mathematikprofessor an der Universität Freiburg (1748-1824), gefördert. Rinderle - bei der Bevölkerung als "Uhrenpater" bekannt und beliebt - tüftelte stets an neuen Uhrenmodellen und 1787 gelang ihm sogar der Bau einer astronomisch-geographischen Uhr (zu besichtigen im Deutschen Uhrenmuseum Furtwangen).
An dieser Stelle seien noch zwei weitere herausragende Einzelpersönlichkeiten der Frühen Neuzeit genannt, die der Entwicklung der Technik in Württemberg ihren Stempel aufdrücken konnten, Heinrich Schickhardt und Philipp Matthäus Hahn. Heinrich Schickhardt (1558-1635) war im Dienst der Herzöge von Württemberg als Städteplaner (Entwürfe für die Stadtanlage von Freudenstadt), Architekt ("Neuer Bau" in Stuttgart), Ingenieur und Kartograph tätig und beschäftigte sich eingehend mit nahezu jeder technischen Frage seiner Zeit, so dass er nicht zu Unrecht als der "schwäbische Leonardo" bezeichnet wird.
Technische Darstellung eines Lumpenstampfwerks. Heinrich Schickhardt, 1596
© Landesmuseum für Technik und Arbeit in Mannheim
Der Onstmettinger und Kornwestheimer Pfarrer Philipp Matthäus Hahn (1739-1790) kann hingegen als Pionier der feinmechanischen Industrie im Zollernalbkreis und insbesondere in Albstadt gesehen werden. Hahn konstruierte astronomische Instrumente, Barometer, Blitzableiter, Taschenuhren, Kirchturmuhren (Echterdingen), Sonnenuhren (Stadtkirche Balingen), Waagen und die ersten funktionstüchtigen Rechenmaschinen, darunter eine zwölfstellige Rechenmaschine, die nach dem Staffelwalzenprinzip arbeitete.
Rechenmaschine von Philipp Matthäus Hahn, Kornwestheim 1770-1774
© Landesmuseum für Technik und Arbeit in Mannheim
- Arbeitskreis Landeskunde/Landesgeschichte RP Karlsruhe -