Hintergrundinformationen
1. Bedeutung
Hexenprozesse sind ein Phänomen, das fast überall in Mittel-, 
 West- und Südeuropa anzutreffen war. Die Fürstpropstei Ellwangen war ein 
 trauriger Spitzenreiter in Sachen Hexenverfolgung. 1588 und nochmals 1611-1618 
 fielen 450 Menschen, also 100 Männer und 350 Frauen den Hexenprozessen zum 
 Opfer. Dies entsprach etwa der Hälfte der weiblichen Einwohner und jedem 
 sechsten Mann. Kein einziger Angeklagter wurde freigesprochen.
 
 Heute erinnert dort, wo einst der Galgen stand, ein schlichtes Mahnmal, 
 das aus einem Scheiterhaufen und einem schwarzen Kreuz besteht, an die Opfer 
 der damaligen Verfolgungswellen. 
 
 Um die Leiden der vielen Opfer nicht in Vergessenheit geraten zu lassen, ist es 
 wichtig, mit Einzelschicksalen zu arbeiten.
 
 Das Unterrichtsbeispiel stellt vier Menschen vor, die der Hexerei bezichtigt 
 wurden. Bei ihnen lassen sich unterschiedliche Varianten der "Hexenverfolgung" 
 aufzeigen:
- 
 Barbara Ruf, die die zweite Prozesswelle 1611 auslöste, 
- 
 Maria Ostertag, die sich selbst bezichtigte, 
- 
 Anna Lutzin, die unter der Folter alle Vorwürfe gestand, 
- 
 Caspar Pfitzer, der als einziger entfliehen konnte. 
Daneben werden die wirtschaftlichen Auswirkungen eines 
 Hexenprozesses für die betroffenen Familien dargestellt.
 
 Das Vernehmungsprotokoll der Barbara Ruf bietet einen idealen Spiegel für den 
 "Hexenhammer". Genau wie dort beschrieben und aufgelistet, gesteht sie nach und 
 nach unter der Folter alle Delikte, wie sie vom Hexenhammer und von den 
 Richtern erwartet werden. Dabei wird deutlich, wie Hexen "gemacht" wurden.
 
 Am Beispiel von Maria Ostertag kann gezeigt werden, wie die Richter die 
 familiären Beziehungen der Beschuldigten für weitere Besagungen ausnutzten.
 
 Bei Anna Lutzin lassen sich die angeblichen Vergehen erarbeiten, und Caspar 
 Pfitzer schließlich ist Beispiel für das Leid und den Ruin einer Familie.
 
 
 2. Geschichte
 Die Fürstpröpste waren im 16. und 17. Jahrhundert in ihren Gebieten nahezu 'unumschränkte' Herrscher und eifrige Hexenjäger. Die Verfahrensweise bei den Ellwanger Hexenprozessen entsprach im Wesentlichen den anderen im süddeutschen Raum durchgeführten Prozessen: Verhaftung nach einer "Besagung" - Feststellung des Hexenmals - Kerkerhaft und Folter. Wirkungsvoll verteidigen konnten sich die Angeklagten nicht, am Schluss standen Geständnis und Tod.
 
 
 Das Ellwanger Schloss - Blick aus der Stadt auf den Schlossberg
 © Wilhelm Lienert
 
 Schon bei den ersten Verfolgungen im Jahr 1588 führte die Tortur, die bei den 
 Beklagten angewandt wurde, in allen Fällen zum Geständnis der Hexerei mit all 
 ihren obligatorischen Bestandteilen (Teufelspakt, Teufelsbuhlschaft, Hexenflug, 
 Teilnahme am Hexensabbat, Schadenzauber) - sofern die Beschuldigten nicht 
 bereits in der Haft verstorben waren. 
 
 Auslöser für die zweite Prozesswelle 1611 war die Verhaftung der Barbara Ruf, 
 einer alten Frau, der Hostienschändung vorgeworfen wurde. Auf ihre zahlreichen 
 Besagungen reagierte der Fürstpropst sofort und setzte bereits Ende Mai 1611 
 zwei Hofräte ein, die ausschließlich Hexenprozesse führten. Diese änderten das 
 Indizienrecht und verkürzten und standardisierten damit die Prozesse. Nur so 
 war die hohe Zahl an "Geständnissen" überhaupt zu erreichen.
 
 
 Ellwanger Schlossgefängnis neben der Brücke unter dem Torturm
 © Wilhelm Lienert
 
 Die hohe Zahl der Opfer zwischen 1611 und 1618 hatte enorme Auswirkung auf das 
 gesellschaftliche und wirtschaftliche Leben in Ellwangen. Niemand konnte mehr 
 sicher sein, da Personen jeden Alters, Geschlechts und Standes besagt und 
 angeklagt wurden. Reisen in das Verfolgungsgebiet wurden zu einem gefürchteten 
 Risiko, die Propstei wurde von Handwerksburschen wie von Kaufleuten gemieden. 
 Selbst bei der 1616 geplanten Errichtung eines Jesuitenkollegiums wurden 
 Stimmen laut, dass womöglich aus Furcht vor Gefangennahme keine Schüler nach 
 Ellwangen kommen würden. Jedes gesellschaftstragende Vertrauen war zerstört, 
 schon die Bekanntschaft mit Beschuldigten konnte sich als lebensgefährlich 
 erweisen. Da oft mehrere Erwachsene aus einer Familie hingerichtet wurden, 
 machte dies viele Kinder zu Waisen; diese Hinterliebenen von Hingerichteten in 
 anderen Haushalten unterzubringen, war kaum mehr möglich, da in den letzten 
 Verfolgungsjahren besonders Personen mittleren Alters hingerichtet wurden. 
 
 Aber auch wirtschaftliche Aspekte lassen sich erkennen. Viele Hinterbliebene 
 waren genötigt, zur Zahlung der Prozesskosten, der Verpflegung der Verhafteten 
 und der Strafen ihre oft sehr ansehnlichen Häuser zu verkaufen. Und wenn schon 
 der Käufer nicht aus der Familie oder Umgebung des Fürstpropsts kam, so 
 verdiente dieser doch an den Abgaben, die beim Besitzerwechsel eines Anwesens 
 anfielen.
 
 
 Gasthaus Zur goldenen Kanne - ein lukratives Verkaufsobjekt der Hexenzeit
 © Wilhelm Lienert
 
  
 
 
 3. Anlage
  
 1990 entdeckte der Ellwanger Lehrer Hans Gerhard in einem Waldstück außerhalb 
 Ellwangens verscharrte menschliche Skelette. Herausgerissene Wurzeln nach dem 
 Orkan "Wiebke" hatten im Bereich "Galgenwald" ein Stück der dunklen 
 Vergangenheit der Stadt zu Tage gefördert. Im Frühjahr 1991 legten Mitarbeiter 
 des Landesdenkmalamts die Fundamente des dreiseitigen Galgens frei, an dessen 
 Fuße die Gehenkten ihre letzte Ruhestätte gefunden hatten.
 
 1998 stellte dann ein Stadtrat der Freien Bürger den Antrag, dass die Stadt den 
 Opfern des religiösen Wahns in der Zeit der Hexenprozesse ein Denkmal setze. 
 Dass sich die Kirche dann an den Kosten für das Denkmal beteiligte und auch 
 dass ein Kreuz zu diesem Denkmal gehören sollte, war in Ellwangen heftig 
 umstritten. Schon in der Nacht vor der Einweihung des Denkmals Anfang November 
 2001 sägten Unbekannte das Kreuz direkt beim Mahnmal ab. Sie hinterließen einen 
 Zettel, auf dem es hieß, die katholische Kirche habe kein Recht, der von ihr 
 umgebrachten unschuldigen Opfer zu gedenken. 
 
 
 
 
 Ort der Hinrichtungen im Galgenwald nordwestlich von Ellwangen
 © Wilhelm Lienert
 
 
 Mauersteine vom alten Friedhof grenzen das Mahnmal ab. Früher haben sie die 
 vermeintlichen Hexen ausgegrenzt, die außerhalb des Friedhofs begraben wurden. 
 Holzbalken symbolisieren die Scheiterhaufen, darüber steht ein senkrechter 
 Pfahl und erinnert an jene, an denen die Menschen festgebunden und verbrannt 
 wurden. Aus dem Pfahl entsteht der Galgen und das Kreuz mit der Inschrift: "Non 
 confundar in aeternum (Ich werde nicht zuschanden in Ewigkeit)".
- Arbeitskreis Landeskunde/Landesgeschichte RP Stuttgart -


