Hintergrundinformationen

Ulmer Wasserversorgung vom Mittelalter bis zur Industrialisierung

1. Bedeutung

Die Bedeutung des Wassers für den Menschen ist nicht hoch genug zu veranschlagen. Jede menschliche Siedlung ist an Wasser gebunden. So war dies in den ältesten Städten der Menschheit in Mesopotamien, Ägypten, Indien und China. Das Nildelta definierte den Siedlungsraum des alten Ägypten. Römerstädte fanden sich auf dem Gebiet des heutigen Deutschland vor allem an Rhein und Donau. Wo Städte weiter vom Wasser entfernt lagen, musste man dieses aufwändig heranleiten, wovon die von den Römern zu technischen Meisterwerken entwickelten Aquädukte zeugen. Auch mittelalterliche Stadtgründungen orientierten sich in der Regel am Vorhandensein von Gewässern. Wasser war wichtig für die Ernährung, für die Hygiene, für das Handwerk (Gerber, Färber, Bleicher), für die Energiegewinnung durch Mühlen, als militärischer Schutz, aber auch für Verkehr und Handel.

Das Gebiet des heutigen Baden-Württemberg zerfällt in Gebiete mit Wasserüberschuss (an Donau, Rhein und Bodensee) und Wassermangelgebiete (Schwäbische Alb, Schwarzwald). Die starke Bevölkerungszunahme und die Industrialisierung im 19. in das 20. Jahrhundert stellten daher neue Anforderungen, was die Wasserverteilung im Land betraf. Ergebnis war die Schaffung eines außerordentlich aufwändigen Wasserversorgungssystems, das Trinkwasser beispielsweise über eine Fernleitung aus dem Donautal bei Ulm in den mittleren Neckarraum leitet.


2. Geschichte

Auch die frühe Besiedlung des Ulmer Gebiets folgte dem Wasser. Reste eines römischen Landhauses wurden nahe der Königswiesenquelle auf dem Kuhberg gefunden. Für die alemannische Zeit lässt sich eine Besiedlung bei den Quellen im Ruhetal und im Örlinger Tal nachweisen. Zur staufischen Zeit befanden sich auf dem Stadtgebiet zahlreiche Zieh- und Schöpfbrunnen sowie eine Quelle mit natürlich austretendem Grundwasser nahe der heutigen Musikschule.

Bereits 1426 existierte ein fließender Brunnen bei der ehemaligen Dreikönigskapelle, dessen Wasser aus dem Gebiet nördlich der Stadt herangeleitet wurde. Der Dominikaner Felix Fabri gibt in seinem Tractatus de civitate ulmensi (Abhandlung von der Stadt Ulm) 1488/89 eine ausführliche Beschreibung der Ulmer Wassertopographie. Unter anderem berichtet er von der Existenz von 23 Brunnen, die in Ulm Röhrenkästen genannt wurden. Deren Zahl schwankte im Laufe der Jahrhunderte.

Ein Bericht von 1810 geht von 33 öffentlichen Röhrenkästen aus. Der Vogelschauplan von 1597 gibt einen genauen Eindruck von der Verteilung der Röhrenkästen sowie der Zieh- und Schöpfbrunnen im Stadtgebiet. Brunnenwerke entstanden entlang der nördlichen Stadtmauer beim Kohlenstadelwerk und beim Gremlinger Turm (beide vor 1458), beim Neuen Tor (1563) beim Frauentor (1584). 1637 wurde der Bau des Seelhausbrunnenwerkes beschlossen und anschließend Stadtbaumeister Furttenbach übertragen. Die genannten Brunnenwerke konnten um 1665 bis 1850 m2 Wasser täglich fördern.

Die befestigte Reichsstadt Ulm war auf der Landseite lange Zeit von zwei wassergefüllten Gräben umgeben. Seit dem Bau der Brunnenwerke trieb nun das von der Blau gespeiste Wasser des Grabens eine Reihe von Wasserrädern an, die ihrerseits über Pumpen Grundwasser durch Brunnenschächte in Wassertürme beförderten, von wo aus dieses über ein weitverzweigtes Rohrsystem seinen Weg in die öffentlichen Brunnen und privaten Wasseranschlüsse der Stadt nahm. Die Rohre bestanden aus den Materialien Ton, Holz und Blei. Gussrohre kamen erst seit dem 19. Jahrhundert zum Einsatz. Das Leitungsnetz nebst Brunnenwerken und Hausanschlüssen wurde seit der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts mehrfach in aktualisierten Plänen festgehalten.

Der sogenannte Fischkasten

B 7 Der sogenannte Fischkasten © Stadtarchiv Ulm

Trinkwasser war ein wertvolles Gut, und so spiegelte die Wasserversorgung auch die gesellschaftlichen Unterschiede in der Stadt wider. Die meisten Stadtbewohner bezogen ihr Wasser aus den über das Stadtgebiet verteilten Röhrenkästen, die mit stets sprudelndem „lebendigem Wasser“ aus dem Leitungssystem versorgt wurden, oder aber aus den noch zahlreicheren Schöpfbrunnen, von denen in Ulm um 1700 noch 200 vorhanden waren.

Wasseranschlüsse von Privathäusern ließ sich die Stadt teuer bezahlen. Dies regelte detailliert u.a. die von 1564 bis 1802 gültige Wasserordnung. Ein Bericht von 1762 führt die öffentlichen und privaten Wasserbezieher auf. Von den insgesamt 237 Wasseranschlüssen entfielen 20 auf städtische bzw. öffentliche Gebäude (Steuerhaus, Gymnasium, Waisenhaus, Heiliggeist-Spital u.a.) und etwa 8 mal so viele auf Privathäuser, was wiederum allerdings nur etwa einem Zehntel der Gesamthäuserzahl entsprach. Streitfälle über die Wasserzuteilungen waren an der Tagesordnung, so dass die Notwendigkeit einer genauen Messung von abgegebenen Wassermengen Anlass zu verschiedenen Erfindungen gab.

Der Bedeutung des Wassers für die Stadtgesellschaft entsprach ein differenziertes Netz von Zuständigkeiten. Waren für den technisch reibungslosen Ablauf die Brunnenmeister mit ihrem Hilfspersonal verantwortlich, so oblag die verwaltungsmäßige Aufsicht dem Ratsausschuss der Wassergeschworenen (inklusive Brunnenmeister), deren Zuständigkeit sich von Bauten über die Trinkwasserverteilung bis hin zu Eichangelegenheiten erstreckte. Auch die Schlichtung von Streitfällen aufgrund von Regelverstößen und Manipulationen bei der Zuteilung von Wasser fiel in den Aufgabenbereich der Wassergeschworenen.

Löwenbrunnen

B 8 Der Löwenbrunnen © Stadtarchiv Ulm

Neben der ausreichenden Wassermenge war auch die Wasserqualität von besonderer Bedeutung, wobei die beiden Parameter mitunter in Widerstreit gerieten. So ließen die städtischen Brunnenmeister in Zeiten des Wassermangels vorschriftswidrig Wasser aus dem Stadtgraben in die Brunnenschächte laufen. Eine weitere Quelle von Verunreinigung des Trinkwassers stellten die zahlreichen Latrinen dar, so dass es häufig zu Seuchen wie Cholera und Typhus kam. Auch an den Röhrenkästen wurde Hygiene oftmals vernachlässigt: Immer wieder untersagte der Rat der Stadt Verunreinigung der Brunnen.

Das beschriebene System der Wasserversorgung war bis weit ins 19. Jahrhundert in Betrieb. In der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts wurden die aus der Reichsstadtzeit stammenden Wasserversorgungsanlagen kaum modernisiert, so dass die Brunnenwerke zunehmend verfielen. Erst auf Druck des Oberamts wurden in den 1830er Jahren schadhaft gewordene Holzrohre teilweise durch zeitgemäße Rohre aus Ton, sogenannte "irdene Teichel", ersetzt. Stadtbaumeister Ferdinand Thrän plädierte im Jahr 1850 in einer vierseitigen Extra-Beilage der Ulmer Zeitung, die bestehende Mängel der maroden Anlagen detailliert auflistete, für einen völligen Umbau der Wasserversorgung.

Diskussionen rief u.a. die Frage hervor, ob die alten Rohre aus Holz und Ton durch neue gusseiserne Rohre, eine relativ neue Technologie, ersetzt werden sollten. Dem Vorteil der größeren Haltbarkeit und Dichtigkeit standen die höheren Kosten und Berichte aus anderen Städten über das Verstopfen der Rohre durch Eisenoxid-Ablagerungen gegenüber. Schließlich rang sich der Stadtrat 1853 zur Entscheidung durch, gusseiserne Rohre anzuschaffen, und 1860 folgte der Beschluss zum Tiefergraben der vorhandenen Brunnen und zur Anschaffung neuer moderner Maschinen für das Neutor- und Kohlenstadel-Brunnenwerk, die 1863 und 1864 in Betrieb gingen.

Alle diese Maßnahmen waren nur bedingt erfolgreich. Es fehlte an ausreichend Quellwasser zur Versorgung der wachsenden Bevölkerung. Die Zumischung von Blauwasser und Oberflächenwasser kam nur im beschränkten Umfang in Frage, da auch schon das Quellwasser mit Ammoniaksalzen und Exkrementen aus den oft undichten Abortgruben und Kloaken belastet war, wie Wasseruntersuchungen ergaben. Aufgrund der fortbestehenden Probleme wurde das alte Versorgungssystem schließlich vom Bau der 1873 errichteten zentralen Wasserversorgung abgelöst.

Um die Versorgung sicherzustellen, suchte man nach Quellwasser am Südrand der Schwäbischen Alb. Ulm entschied sich zunächst für eine Karstquelle im Weiherbachtal in Herrlingen. 1886 bis 1888 wurde eine Karstschüttung im kleinen Lautertal, der so genannte „Kalte Brunnen“, für die Wasserversorgung nutzbar gemacht. Das Wasser floss über eine gusseiserne Leitung in ein Reservoir (Ecke Karlstraße / Neutorstraße), von wo es mittels Dampfkraft in die höher gelegenen Stadtteile gepumpt wurde.

Um diese Zeit entstand auch der Hochbehälter am Michelsberg, der es ermöglichte, das Wasser nicht nur zu den öffentlichen Brunnenanlagen, sondern auch in die einzelnen Häuser zu führen. Die Anlagen reichten nach der Jahrhundertwende nicht mehr aus. Daher wurden weitere Wassergewinnungsmöglichkeiten im Iller-Donau-Dreieck, der so genannten „Roten Wand“, erschlossen. Hier wurden zusammen mit dem Kraftwerk Wiblingen 1905 bis 1907 Vertikal- oder Schachtbrunnen und ein zentrales Pumpwerk, das bis Anfang der 1960er Jahre in Betrieb war, gebaut. Ein neuer Hochbehälter am Mittleren Kuhberg wurde 1907 in Betrieb genommen. Die Hochbehälter auf der Wilhelmsburg, am Michelsberg und am Kuhberg wurden im Lauf der Zeit erweitert.

Delphinbrunnen

B 11 Der Delphinbrunnen © Stadtarchiv Ulm



3. Anlage

Blick ins Gewölbe des Wassermuseums

B 2 Blick ins Gewölbe des Wassermuseums (Ausstellung und Wasserrad) © Stadtarchiv Ulm

Das heutige Ulmer Wassermuseum befindet sich im Gewölbe des Zundelturmes, Griesbadgasse 30. Vor dem Eingang des Museum begrüßt den Besucher auf einem 1994 errichteten Brunnen der „Griesbadmichel“, der im 19. Jahrhundert als Badknecht im damals gegenüberliegenden Griesbad sein Auskommen fand und als schlagfertiges Ulmer Original in die Stadtgeschichte einging.

Im Museum besichtigt werden können der Brunnen (innerhalb der Stadtbefestigung), Wasserleitungen, Eichgefäße, weitere technische Gerätschaften, die für die Wassergewinnung und Verteilung im Einsatz waren, sowie der Nachbau eines Wasserrads. Eine Reihe von Schautafeln illustrieren die historische Entwicklung und den gegenwärtigen Stand der Wasserversorgung in Ulm. Die Abbildung von 1840 ( B 7 jpg-Datei) zeigt den Seelturm (Zundelturm) aus nordwestlicher Richtung. Begehbar ist zudem ein weiteres Brunnenwerk 50 m westlich des Museums.

Die fünf Brunnenwerke befanden sich allesamt entlang der nördlichen Stadtmauer, die im Laufe des 14. Jahrhunderts im Zuge der Stadterweiterung entstanden war. Im 15. und 16. Jahrhundert wurden bereits 4 Brunnenwerke in Betrieb genommen. 1637 beschloss der Rat der Stadt Ulm den Bau des fünften, des Seelhausbrunnenwerkes, das über 200 Jahre der Wasserversorgung diente. Mitte des 19. Jahrhunderts neigte sich die Zeit der Wasserversorgung durch die Brunnenwerke ihrem Ende zu. Die Stadt verpachtete nun die Wasserkraft. Pächter waren insbesondere Metzger sowie das neben dem Seelhausbrunnenwerk gebaute Schlachthaus, dessen Pachtvertrag bis zum Jahr 1920 lief. 1926 ging das Seelhausbrunnenwerk endgültig außer Betrieb. 1998 errichteten die Stadtwerke Ulm/Neu-Ulm im ehemaligen Brunnenwerk das Ulmer Wassermuseum.

 

- Arbeitskreis Landeskunde/Landesgeschichte RP Tübingen -