Buchtipps, Methoden, Konzepte und Projekte rund ums Lesen und Vorlesen bietet der Ideenpool Lesen gegliedert für alle Schularten und auch für den Elementarbereich.

Bücher des Monats September 2015

Oliver Scherz – Wir sind nachher wieder da, wir müssen kurz nach Afrika (ab 6 Jahren)

Paul Maar – Der Galimat und ich (ab 10 Jahren)


Oliver Scherz – Wir sind nachher wieder da, wir müssen kurz nach Afrika


Thienemann
ISBN: 978-3-522-18336-9
Illustrationen: Barbara Scholz
Gebundene Ausgabe: 111 Seiten
Altersempfehlung: ab 6 Jahren


 

An einem stürmischen Abend liegen die Geschwister Joscha und Marie in ihren Betten und können nicht einschlafen. Ihre Eltern sind ausgegangen und die Kinder haben Angst vor den wilden Geräuschen vor ihrem Kinderzimmerfenster.

Auf einmal klopft etwas großes Graues an ihr Fenster und ein kleines Auge späht hinein. Ein Riese? Nein, ein Elefant, der um Einlass bittet und den Kindern von seiner Flucht aus dem Zoo und seiner Sehnsucht nach seiner Großfamilie in Afrika erzählt. Der siebenjährige Joscha kann auf einem Globus zeigen, wo Afrika liegt, und seine zwei Jahre jüngere Schwester Marie ist dem Elefanten Abuu auf Anhieb sympathisch, da sie ebenso unwissend ist wie er. Im Handumdrehen überredet er die Geschwister, ihn auf dem Weg nach Afrika zu begleiten. Die Nachricht für ihre Eltern „Wir sind nachher wieder da, wir müssen kurz nach Afrika“ ist schnell notiert und dann beginnt eine abenteuerliche Reise auf Abuus Rücken gen Süden.

Aus kindlicher Sicht wird von der Bewältigung des abwechslungsreichen Weges erzählt, von einem Gebirge, dessen Bergspitzen bis zu den Wolken reichen, vom Meer, das so tief wie das Gebirge hoch ist, der Wüste, in der sie von der Fata Morgana eines Wassermelonen-Gartens beinahe in die Irre geführt werden und einem dichten Dschungel, indem es so viele verschiedene Tiere gibt wie nirgendwo sonst auf der Welt. Am Ende erreicht Abuu mit Hilfe der Geschwister die Steppe und findet seine Elefantenherde wieder. Die Kinder gelangen auf wundersame Weise zurück in ihr Elternhaus.

Von der ersten Seite an finden sich Leser und Zuhörer in die kindliche Fantasiewelt ein und lassen sich durch die abwechslungsreiche und verständliche Sprache, die vielen humorvollen Einfälle und die spannenden Momente der Abenteuergeschichte mitreißen. Immer wieder durchleuchtet das ethische Thema vom Verhältnis des Menschen zu den Tieren die Erzählung. Abuus Geschichte legt eine - für viele Kinder sicherlich neue - Perspektive dar, nämlich die der Tiere hinter Gittern. Wo leben sie sonst? Wie kommen wilde Tiere in einen Zoo? Neben dem Lesevergnügen gibt es auch Raum für kritisches Denken.

Unterstützt wird die Erzählung durch die fantasievollen Illustrationen von Barbara Scholz. Mit Aquarelltechnik gemalt, erwecken sie Abuu und seine jungen Freunde in liebevoller Weise zu realistischen Figuren und lenken das Auge immer wieder auf neue Details der Umgebung.

Auch Kinder im Grundschulalter mögen es noch gerne, wenn ihnen vorgelesen wird. Neben einem Gefühl der Geborgenheit fördert das Zuhören auch die Konzentration, die Fantasie und den Wortschatz der Kinder. Ein ansprechendes Buch kennt kein Höchstlesealter. So sollte das Vorlesen zu einem Ritual werden, an dem durch die Auswahl des richtigen Buches die ganze Schulklasse und Familien Freude haben können. Dieses Buch eignet sich besonders gut dazu.
Durchaus nachdenklich hinterfragt ein Redakteur der Frankfurter Allgemeinen Zeitung, ob die Szenerie zu Beginn des Buches beruhigt und in den Schlaf wiegt oder doch eher Angst macht. Auf der anderen Seite lobt er die zum Teil spannend bis unheimlichen Erzählmomente, die er aber immer wieder durch die liebevolle Sprache und heiteren Einfälle verharmlost und aufgelöst sieht. Der Redakteur hebt außerdem hervor, dass das Erzählgefüge auf der altbekannten Frage von Traum oder Realität basiere. Er unterstellt, dass die jungen Zuhörer von Anfang an wissen, dass sich da keine echte Abenteuerreise abspielt, sondern alles nur in den Träumen der Protagonisten passiert. Die meisten Kinder werden jedoch in ihrem Denken noch nicht so vorgeprägt sein wie Erwachsene und sich bis zum Ende der Geschichte bereitwillig auf die Abenteuerreise einlassen. Im Gegenteil: Das Buch schließt mit einem offenen Ende, das Raum für Grübeleien und Gespräche lässt, ob diese Geschichte nun wirklich geschehen ist oder nicht.

 

CB, Arbeitsgruppe Ideenpool Lesen

 


Paul Maar – Der Galimat und ich


Oetinger
ISBN: 978-3-7891-4296-3
Illustrationen: Ute Krause
Gebundene Ausgabe. 253 Seiten
Altersempfehlung: ab 10 Jahren


Jim, ein Junge von zehn Jahren, hat eine außergewöhnliche Begabung. Er besitzt ein fotografisches Gedächtnis und kann ganze Lexikonbände auswendig lernen. In der Schule wird er zum Außenseiter, da er ständig mit seinem Wissen herausplatzen muss. Seine Mitschüler und sogar sein Lehrer Herr Senkel stempeln ihn als angeberischen Besserwisser ab. Jim wünscht sich, erwachsen zu sein, um es seinem fiesen Mitschüler Alexander, seinem Lehrer und allen anderen, die ihn ablehnen, heimzahlen zu können.

Da passt es gut, dass eines Abends ein Galimat in seinem Zimmer auftaucht, ein magisches Wesen, das sich selbst hervorzaubern, wegzaubern und wiederum andere Dinge materialisieren kann. „Gali“ ist eine von Paul Maars Phantasiefiguren, ein sympathisches kugelförmiges Wesen, das Jims Leben eine Weile lang begleiten wird. Er schenkt Jim eine „Erwachsen-werden-Pille“, die ihn für kurze Zeit erwachsen macht. Doch so einfach wie Jim es sich vorgestellt hat, ist das Erwachsensein gar nicht…

Auf den ersten Blick ist die Geschichte „Der Galimat und ich“ ein heiteres Buch und ein modernes Märchen für Kinder ab ca. 8 Jahren. Der tiefere Sinn kann aber auch ältere Kinder ansprechen. Die Zutaten von Paul Maars Geschichte sind die Phantasiefigur des Galimats und der Alltag eines ganz normalen Jungen, der sich im Alltag behaupten muss und mit Witz, Schlauheit und viel Sensibilität am Ende als kleiner Held aus seiner eigenen Geschichte hervorgeht.

Es gibt viele Ansätze, sich dem Buch zu nähern und sich damit auseinanderzusetzen.

Jim wächst nicht bei seinen Eltern, sondern bei Onkel und Tante auf, die ihn zwar liebevoll umsorgen, jedoch auf der anderen Seite belügen. Bei Rebekka, die im Verlauf der Geschichte seine Freundin wird, erlebt er die Trennung ihrer Eltern und die daraus entstehenden Schwierigkeiten. Ein Thema des Buches könnten die unterschiedlichen Familienkonstellationen sein.

Auch Paul Maar war in seiner Jugend fasziniert vom Blättern in Enzyklopädien und dem Auswendiglernen von Begriffen aus dem Sprachbrockhaus. Jims ungewöhnliches Hobby ist eine Hommage an die alten Lexika. Im Buch trifft er diesbezüglich teilweise auf Unverständnis, beispielsweise als ihn Rebekka fragt, warum er die Begriffe nicht einfach im Internet googelt. Es werden aber auch die Möglichkeiten, die sich mit einer solchen Begabung und einigem Fleiß eröffnen, aufgezeigt: Jim könnte eines Tages bei der Spielshow „Superwisser“ teilnehmen und gemeinsam mit seinem Onkel eine Million gewinnen.

Das Buch gibt Gedankenanstöße zu Menschen, die sich und ihren Interessen und Grundsätzen treu bleiben, auch wenn sie dadurch in Außenseiterpositionen geraten. Auch der Frage, wieviel Druck und Ehrgeiz gesund sind, um ein bestimmtes Ziel zu erreichen, kann durch die Lektüre des Buches nachgespürt werden.

Die Illustrationen von Ute Krause helfen dem Leser bei der Vorstellung des Galimats und vereinfachen an vielen Stellen das Leseverständnis, ebenso wie die Aufteilung in viele kleine Kapitel mit aussagekräftigen Zwischenüberschriften.

CB, Arbeitsgruppe Ideenpool Lesen


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