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Konfuzianismus, Taoismus und Volksreligion

Das alte, vorrevolutionäre China war bis ins 19. Jahrhundert überwiegend an den Lehren des Konfuzius ausgerichtet. Daneben gab es den Taoismus, der auf Lao-Tse zurückgeht. Der Taoismus der Volksreligion hat aber mit dessen Lehren kaum noch etwas zu tun. Der Buddhismus musste sich an China anpassen, das Christentum blieb unbedeutend.

Chinesischer Tempel

Keine moderne Naturwissenschaft

Konfuzius ging es darum, mit der Natur zu harmonieren, nicht sie zu beherrschen. Ob in der Volksreligion oder im Konfuzianismus der gebildeten Oberschicht: es ging um die "Idee des Zusammenhangs aller Dinge im Ganzen des - den Menschen und sein Handeln einschließenden - Kosmos, dessen Harmonie (...) tabu war" (Mehnert, a.a.O., S. 48).

So entwickelte sich im alten China keine moderne Naturwissenschaft, die ja darauf zielt, die Natur zu beherrschen und sie sich durch Technik nutzbar zu machen.

Als Marco Polo im dreizehnten Jahrhundert nach China kam, traf er zwar auf eine Kultur, die der westlichen überlegen war. Man kannte in China den Buchdruck, das Schießpulver und den Kompass lange vor den Europäern. Aber dann kam lange nicht viel dazu. Das Verhalten der Chinesen "zu den Kräften der Natur war eher spielerisch und es fehlte ihnen an jener überwältigenden und systematischen Neugierde, die in Europa seit dem Ende des Mittelalters bestand" (ebda., S. 46).

Konfuzianische Philosophie ist wesentlich konservative Sozialethik

"Konfuzius geht aus von dem umfassenden, Himmel und Erde, Götter- und Menschenwelt durchdringenden Prinzip des Tao, das er im Gegensatz zum vulgären Taoismus des Dämonen- und Zauberglaubens zu einer im Kosmischen verankerten Sitten-, Gesellschafts- und Staatslehre weiterentwickelt hat" (ebd. S. 48).

Die Philosophie des Konfuzius "ist ausgesprochen den Fragen des täglichen Lebens zugewandt, also pragmatisch. Für die Metaphysik wie für die Erkenntnistheorie hat sie wenig Interesse, und selbst die Logik ist nur schwach entwickelt. In der Substanz ist also diese Philosophie fast gleichbedeutend mit Ethik. [...] Das Denken hat nach dieser Auffassung grundsätzlich dem Handeln, und zwar dem Handeln in der Gemeinschaft zu dienen; gerade Konfuzius sah hier nach generationenlangen politischen Wirren seinen geschichtlichen Auftrag" (ebd., S. 49).

"Nicht was dem Einzelnen, sondern was der Gemeinschaft nützt, ist das Rechte. Die konfuzianische Ethik ist Sozialethik. [...] `Die Sitte dämmt die Entstehung der Unordnung ein, wie der Damm das Kommen des Wassers eindämmt.` [...] Im Grunde war Konfuzius durchdrungen von der Überzeugung, dass die Menschen durch Unterweisung zu besseren Menschen, sicher zu besseren Mitmenschen, und damit wohl auch zu glücklicheren Menschen, gemacht werden können. [...] Als Grundregel lehrte Konfuzius: `Tu anderen nichts, wovon du nicht willst, dass sie es dir antun`" (ebd., S. 50).

Wer fürchtet, durch falsches Handeln nicht nur die menschliche Ordnung, sondern auch das Gleichgewicht der Natur zu stören, wird naturgemäß reformerischen oder gar revolutionären Ideen ganz abgeneigt, also konservativ sein. Der chinesische Weise Lao-Tse bekannte sich gar zum Ideal des Nichthandelns (nach ebd., S. 49). Hier liegt die Wurzel der kommunistischen Angriffe auf den Konfuzianismus während der Kulturrevolution. Ohne Anstoß von außen hätte sich das alte China nicht grundsätzlich verändert.

Keine Verankerung der Ethik in offenbarter Religion

Die konfuzianische Sittenlehre ist nicht in einer offenbarten Religion verankert. Das wie auch ein im Grunde optimistisches Menschenbild hat sie mit der europäischen Aufklärung und deren humanistischer Ethik gemeinsam. Wie diese kennt Konfuzius weder ein starres `Du darfst` noch ein starres `Du darfst nicht`.

Es ist sogar umstritten, ob die Chinesen überhaupt eine Religion haben. In Chinas gebildeter Schicht gab es jedenfalls im Unterschied zu Judentum, Christentum und Islam kein leidenschaftliches Suchen nach Gott (nach: ebd., S. 53).

Konfuzius, dessen Philosophie die Oberschicht prägte, ließ die Frage nach den Göttern offen. Insofern ist er ein Vertreter des Agnostizismus. "Der ursprünglich durchaus vorhandene Begriff eines höchsten Gottes (Schang-ti) verflüchtigt sich zunehmend zu einer anonymen Kraft, des Tao zum Beispiel; aus dem Gegenüber verschiedener Gottheiten wird das Wechselspiel weltbestimmender Prinzipien wie dem des männlichen und weiblichen (Yin und Yang). Konfuzius spricht zwar noch häufig vom "Himmel" (Tien); aber während dieses Wort früher nur ein anderer Name der Gottheit selbst war, ist es für ihn lediglich eine Art unpersönlicher Kraft im Weltall" (ebd., S. 52).

Mehnert fasst zusammen: "Im Vergleich mit der europäischen Entwicklung könnte man sagen: Aufklärung und Rationalismus errangen in China bereits in der Mitte des vorchristlichen Jahrtausends bedeutende Siege, mit dem Erfolg, dass die gebildete Oberschicht Chinas nie wieder einer Offenbarungsreligion zu folgen vermochte. Sofern der chinesische Intellektuelle an Götter glaubt, tut er es nur in einem höchst vagen, sozusagen verdünnten metaphorischen Sinne. Er spricht vom Himmel, vom Absoluten, vom Weltgesetz und natürlich von dem mit einem Wort nicht übersetzbaren, auch das Menschenleben umgreifenden Ordnungsprinzip des Tao (etwa: Der Sinn, der - rechte - Weg). `Unsterblichkeit` kennt er nur im überpersönlichen Sinne; er lebt fort in seinen Kindern und Enkeln, als Glied in der Kette der Generationen, oder, noch unbestimmter, als Teil des als Einheit gedachten und darum unvergänglichen Kosmos. Sogar in seiner Sprache findet die Seele keinen Raum, und die Idee ihrer Unzerstörbarkeit hat er `grundsätzlich aufgegeben`" (ebd., S. 53). Ebenso wenig kennt der Konfuzianismus einen Satan.

Volksreligion

In der Volksreligion zeigte sich noch im 20.Jahrhundert "das Bild einer geradezu ungeheuerlichen Vielfalt von krausestem Geister- und Aberglauben, magischen Bräuchen [...] wie Ernte oder Krankheitszauber, vermischt mit taoistischen, buddhistischen und konfuzianischen Gedanken, jeweils in deren vulgärer Form. Alles Fremde wurde dabei sinisiert. [...] Diese Volksreligion kennt keine klaren Abgrenzungen, keine feste Organisation. [...] Der chinesische Bauer bekannte sich nicht als Buddhist oder Taoist, sondern er verehrte die Götter, Geister und Tempel aller nur denkbaren Art und Herkunft und suchte gegen Naturkräfte und Dämonen Hilfe, wo er sie gerade fand; er konnte innerhalb einer Woche aus verschiedenen Anlässen taoistische Priester, dann buddhistische Mönche bemühen; dazu natürlich die eigenen Ahnen verehren. Die im Volke wirkenden Magier und Schamanen bedienten sich [...] auch der Begriffe der klassischen Philosophie, aber diese wurden rücksichtslos vulgarisiert" (ebd., S. 55).

"Ganze Heerscharen von Priestern ernährte die Geomantik, die in keinem älteren Reisebuch über China fehlt [...]. Die Geomanten wussten Bescheid über die Geisterwelt der Berge, Flüsse, Gräber, ja fast jeden Quadratmeters Erde, und gaben bei allen Bauten, ob groß oder klein, ihr (entsprechend honoriertes) Gutachten ab. Ihre Kollegen, die Chronomanten, wurden bei allen halbwegs wichtigen Unternehmungen zur Berechnung des richtigen Zeitpunkts engagiert" (ebd., S. 56).


Quelle: Klaus Mehnert: Peking und Moskau, Stuttgart, 2. Auflage Stuttgart, 1966


Aufgaben:

1. Arbeite heraus, was das Ziel des chinesischen philosophischen Denkens ist.

2. Erkläre, warum die alten Chinesen einer Revolution abgeneigt waren.

3. Erläutere das Verhältnis des Konfuzius

  • zu einer im Glauben verankerten Ethik,
  • zur Offenbarungs(religion,)
  • zum Glauben an ein Weiterleben nach dem Tod,
  • zu der Auffassung, der Mensch sei schlecht und sündig.

4. Charakterisiere das Verhältnis des chinesischen Bauern zur Religion.

5. Nimm Stellung zu der Aussage, dass die Rückständigkeit des chinesischen Reiches im 19. Jahrhundert im Vergleich zum wissenschaftlich, technisch und militärisch fortschrittlichen Westen im chinesischen philosophischen Denken begründet liegt.


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