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Motive und Antriebskräfte: Europäische Selbstbehauptung in der Welt und nationale Selbstbehauptung

Die einstigen europäischen Großmächte wie Frankreich oder Großbritannien mussten schmerzlich erfahren, wie ihre Bedeutung nach 1945 im Zeichen des Ost-West-Konflikts sank. Die europäische Integration ist in diesem Kontext ein Akt der Selbstbehauptung Europas in der Welt. Diese enthält sowohl eine politische als auch eine ökonomische sowie eine ideologische Komponente (z.B. das Sozialstaatsmodell). So kamen bald nach 1945 Pläne auf, Europa und die europäische Integration als Kern einer neuen Weltmacht auf Augenhöhe mit den USA, der Sowjetunion oder zukünftig auch China zu etablieren. Verstärkt wurde dies nicht zuletzt durch den Schock der Suez-Krise 1956: Man erkannte, dass man sich nicht mehr unbedingt auf die Amerikaner verlassen kann. Gerade die Suez-Krise stellt den Beginn einer Öffnung Großbritanniens für die europäische Integration dar und führte letztlich zur Errichtung der EFTA als erstem Schritt Richtung Europa. Neben der politischen weist dieses Motiv eine kulturelle Komponente auf: Während in Europa europäische Werte gepflegt werden, werden die USA und die Sowjetunion als nicht-europäische Kulturen wahrgenommen. Das vermeintliche Desinteresse der USA an europäischen Entwicklungen und die Idee von der kulturellen Überlegenheit Europas verstärkten diese Entwicklung noch.

Port Said. Brennende Öltanks nach dem Angriff der Briten und Franzosen

Auch der Wunsch nach einer Gemeinschaftswährung entstand aus dem Willen, sich aus der Abhängigkeit vom Dollar zu lösen. Die Ölkrise fungierte hier als Katalysator. Während dies wirtschaftliche und politische Impulse waren, die die Entwicklung beschleunigten, entwickelte die Europäische Gemeinschaft 1973 in Kopenhagen auch ein Leitbild für die "Identität Europas" . Im Jahre 1976 forderte der sog. Tindemans-Bericht eine umfassende Erneuerung der EG. Diese gemeinsame politische Konzeption wurde seit den 80er-Jahren zunehmend ergänzt um den Wunsch nach engerer Kooperation in der Außenpolitik. Hieraus entstand die „Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik“ (GASP), auf deren Basis militärische Kooperationen wie das Eurokorps entstanden sind. Ob die Kosovo-Krise mit mehr militärischem Drohpotential leichter gelöst hätte werden können, ist eine offene Frage. Die Grundrechtecharta der EU aus dem Jahre 2000 hat diese Werte- und Identifikationsgemeinschaft abgerundet.

Werbeplakat für Europa (1992)

Die europäische Integration wurde durchaus auch schon von einzelnen Staaten genutzt, um sich in der internationalen Staatengemeinschaft zu behaupten. Ein frühes Beispiel hierfür ist Italien, das die europäische Integration als Instrument zur Aufnahme als vollwertiges Mitglied der Staatengemeinschaft genutzt hat. Bis 1947 als Feindstaat behandelt und sogar mit Gebietsabtretungen für seine Loyalität zu Hitler bestraft, fand es über die europäische Integration in die Staatengemeinschaft zurück. Die Gelegenheit, sich als Demokratie zu bewähren, erhielten in den 80er-Jahren auch Spanien, Portugal und Griechenland, später die osteuropäischen Staaten und das Baltikum. Natürlich ist es spekulativ, zu bewerten, wieweit die europäische Integration kleinen Staaten es ermöglichte, ihre Souveränität im Innern zu erhalten.


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