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4. Station: Zar Alexander II. (1855 - 1881)

Zar Nikolaus I., der "Gendarm Europas", starb 1855 noch während des Krimkriegs. Die Niederlage von 1856 in diesem Krieg machte die Notwendigkeit von Reformen in Russland deutlich, die Zar Alexander II. nun anging. Es ging zunächst vor allem um das Problem der russischen Bauern.

Zar Alexander II.
Zar Alexander II.
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Bauernbefreiung 1861

Mehr als 80% der russischen Bevölkerung war in Leibeigenschaft, d.h. der Herr durfte nicht nur über die Bauern frei verfügen, sondern sie mussten ihm eine Vielzahl von Abgaben leisten und waren an den Ort, an dem sie lebten, fest gebunden. Dieses starre System verhinderte massiv, dass Menschen in Bewegung gerieten: weder gingen sie in die Städte, denen dadurch wiederum die Dynamik fehlte, noch veränderten sie etwas an ihrer Situation auf dem Land. Außerhalb dieses Systems der Leibeigenschaft befanden sich allein die sog. Kosaken.

1861 kam nun die Bauernbefreiung in Russland. Aber wie bei den Preußischen Reformen, so waren auch hier die neu entstandenen Bauernwirtschaften zu klein und unrentabel, um überleben zu können, zumal die Kleinbauern den Gutsherren innerhalb von 49 Jahren eine Entschädigung für ihr Land zahlen mussten. Auch kleine und mittelgroße Grundbesitzer kamen durch die Reform in Schwierigkeiten.

Die Dorfgemeinschaft (sog. "Mir") als Ganzes war verantwortlich dafür, dass das Dorf seine Steuern an den Staat bezahlte und dass die Landverteilung gerecht verlief: Tatsächlich gab es eine ständige Neuverteilung der Böden innerhalb der Dorfgemeinschaft, sodass jeder Bauer immer wieder auf anderen Feldern wirtschaftete. Dadurch dass die Bevölkerung nach der Bauernbefreiung zunahm, stand aber jedem einzelnen Bauern eine immer geringere Fläche zur Verfügung. Dem wiederum konnte der einzelne Bauer nur durch eine noch größere Familie entgegenwirken, was erneut zu Bevölkerungsvermehrung und noch kleineren Flächen führte.

Neben diesen systemimmanenten Problemen fehlte dem einzelnen Bauern innerhalb der Dorfgemeinschaft auch das Know-How, Methoden der Rationalisierung und Modernisierung innerhalb der Landwirtschaft einzusetzen, denn trotz des kollektiven Ansatzes innerhalb der Dorfgemeinschaft, wirtschaftete letztlich jeder Bauer für sich - ohne größere Mengen von Kapital.

Im Ergebnis wurde die Lage der Bauern nicht besser. Hungerkrisen kehrten ständig wieder und waren exzessiv.


Verwaltungsreform 1864

Die Verwaltungsreform von 1864 schuf Rechtsgleichheit und eine Reihe von schwachen Selbstverwaltungsorganen. Im Unterschied zu West- und Mitteleuropa gab es aber kein starkes, selbstbewusstes, ökonomisch vorwärts treibendes und gebildetes Bürgertum, das zum Träger einer Liberalisierung nach westeuropäischem Vorbild hätte werden können. Das Bürgertum beschränkte sich auf abhängige städtische Beamte. Die Bauern blieben mehrheitlich Analphabeten, eine wirksame Bildungsreform unterblieb. So konnte sich in Russland kein funktionierender, starker Parlamentarismus entwickeln.

Reformbewegungen von unten

Dennoch gab es Reformbewegungen von unten, die durch Rückständigkeit und Reformunwilligkeit der Regierung Auftrieb erhielten. Träger war die sog. "Intelligentsija" als gebildete Schicht.

Unter Zar Alexander II. entwickelten sich bereits vormarxistische revolutionäre Bewegungen. Die stärkste waren die sog. Narodniki, die die Bauern, einfache Lebensformen und den Mir trotz deren Rückständigkeit idealisierten. Die Bauern sollten eine Revolution tragen und eine ideale Gesellschaft errichten.

In die Zeit Alexanders II. fiel aber auch die erste Auseinandersetzung mit den Ideen des Marxismus. Es bildeten sich zwei Bewegungen heraus: einerseits die radikalere Partei der Sozialrevolutionäre, andererseits der gemäßigtere Kreis "Befreiung der Arbeit". Mehrere Attentate auf den Zaren führten zur Verschärfung der Zensur und zu polizeistaatlichen Überwachungsmaßnahmen.

Außenpolitisch unterstützte Alexander II. die deutsche Einigung. 1881 schloss er mit Deutschland und Österreich-Ungarn das sog. Dreikaiserbündnis. Unter dem Druck des Panslawismus musste er sich jedoch auf dem Balkan engagieren. In Russland gab es nämlich starke Bestrebungen nach einem politischen und kulturellen Zusammenschluss aller Slawen unter russischer Führung. Insbesondere verstand sich Russland immer wieder als Schutzmacht der orthodoxen Slawen gegen den osmanischen Sultan.

1877- 1878 kam es zum Russisch-Osmanischen Krieg. Anlass war ein bulgarischer Aufstand im April 1876. Russland versuchte, die Kontrolle über die Meerengen Bosporus und Dardanellen und damit einen Zugang zum Mittelmeer zu erlangen und die christlich- slawischen Völker im islamischen Osmanenreich zu befreien. Der Krieg endete 1878 im Frieden von San Stefano.

Dieser Krieg führte 1878 zum Berliner Kongress, denn die Großmächte, insbesondere Russlands Rivale Österreich-Ungarn und Großbritannien, waren mit dem russischen Machtzuwachs nicht einverstanden. Mit dem Ausgang des Berliner Kongresses war Russland unzufrieden. Er führte auch zu einer Verstimmung zwischen Russland und Deutschland.

1881 fiel Zar Alexander II. einem Attentat der Terroristen zum Opfer.


Aufgaben

1. Beschreibe die besonderen Voraussetzungen und die Auswirkungen der Bauernbefreiung in Russland.

2. Zeige das Wechselspiel von Modernisierung und Rückwärtsgewandtheit an einem ausgewählten Beispiel.

3. Erkläre den Zusammenhang zwischen außen- und innenpolitischer Entwicklung für Russland.


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