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China, Japan, Indien: Die wichtigsten Staaten in Asien verflechten sich wirtschaftlich immer stärker

Ein Kontinent wird zum Koloss

Von Jutta Lietsch, Peking

Manches Mal bewegen sich Felsen aufeinander zu. Zum Beispiel, wenn Staaten miteinander reden, die sich jahrelang eisig ignorierten. China und Japan sind zwei solche Staaten, und zwischen beiden bahnt sich Tauwetter an. Erstmals seit sechs Jahren wird wieder ein Pekinger Regierungschef nach Tokio reisen. Voraussichtlich im April schon besucht Premier Wen Jiabao den Inselstaat im Osten, mit dem die Chinesen zwar wirtschaftlich verbunden sind, politisch aber große Probleme haben, die nicht zuletzt in der Vergangenheit wurzeln; während des Zweiten Weltkriegs nämlich unterhielt das kaiserliche Japan, damals eine imperial-aggressive Macht, große Lager, in denen chinesische Frauen als Sexsklaven dienen mussten. Japanische Offiziere wurden dort "betreut" von Chinesinnen, die aus ihrer Heimat verschleppt worden waren. Sie wurden niemals entschädigt, jahrzehntelang durften sie nicht einmal darüber reden.

Besuch im Schrein

Dennoch, das Gespräch am Rande des Gipfeltreffens der südostasiatischen Staatengemeinschaft Asean diente der Vergangenheit. In Asien spricht man nicht gerne über Vergangenes. Auf der philippinischen Insel Cebu verabredeten Wen und sein neuer Amtskollege Shinzo Abe am Wochenende das historische Treffen. Bessere Beziehungen dienten "den Interessen beider Länder", zitierten Pekings Medien ihren Regierungschef, der zugleich vor zu hohen Erwartungen warnte: "Die Schwierigkeiten sind nicht gering." Damit spielte Wen unter anderem auf die regelmäßigen Besuche hoher japanischer Politiker im Yasukuni-Schrein von Tokio an, in dem auch Kriegsverbrecher aus dem Zweiten Weltkrieg geehrt werden. In China, wo Millionen Menschen in jener Zeit ihr Leben oder Hab und Gut verloren, wird diese Geste als schwere Kränkung empfunden. Der Streit hatte in den letzten Jahren alle anderen Themen überschattet und die Beziehungen belastet.

Erst als der neue Premier Abe nach seinem Amtsantritt im vergangenen Herbst zu verstehen gab, dass er sich rücksichtsvoller als sein Vorgänger verhalten werde, begann das Eis zu tauen. Seine erste Auslandsreise führte im Oktober gleich nach China. Beide Regierungen verabredeten mittlerweile eine gemeinsame Historikerkommission - etwa nach deutsch-polnischem Vorbild - einzurichten, um die Vergangenheit aufzuarbeiten. Außerdem wollen sie über strittige Gebietsansprüche, Umwelt- und Energiefragen verhandeln.

Für Pekings Politiker ist die Annäherung an Japan Teil der Strategie, sich in Asien als friedliche und wohlmeinende Macht zu zeigen, deren überwältigende wirtschaftliche Entwicklung auch anderen Ländern zugute komme: Dazu gehören wohl ebenso die beim Asean-Gipfel vereinbarten Handelserleichterungen zwischen China und den zehn Asean-Mitgliedsländern - ein Gebiet mit insgesamt 1,7 Milliarden Bewohnern. Chinas Premier Wen pries die Übereinkunft als "Grundlage für ein vollständiges und zeitgerechtes" Freihandelsabkommen zwischen China und der südostasiatischen Region. Es soll möglichst schon im Jahr 2015 unterschrieben werden. Damit macht China inzwischen ordentlich Druck. War es früher stark isoliert, da die meisten Nachbarn kapitalistisch wirtschafteten, so öffnet sich das Riesenreich nun.

Offenbar hat die sprunghaft steigende Produktion das Ihre beigetragen: Die Volksrepublik sucht neue Absatzmärkte für ihre billigen Erzeugnisse - warum also nicht gleich die Nachbarländer? Die wiederum wollen sich mit dem roten Reich gut stellen und vom Wohlstand dort profitieren. China ist in Südostasien mittlerweile der wichtigste Käufer von Rohstoffen wie Holz oder Kautschuk. Gleichzeitig beliefert es die Nachbarn mit Elektronik, Plastikprodukten und Textilien: Im vergangenen Jahr stieg der Wert des gesamten Handels zwischen China und den Asean-Ländern um 23 Prozent auf über 160 Milliarden US-Dollar an. Keiner möchte diesen Markt verpassen. Wer chinesische Waren abnimmt, kann auch Eigenes in China besser verkaufen.

Chinesische Banker finanzieren immer mehr Geschäfte in der Region: Im vergangenen Jahr zum Beispiel vergaben sie Berichten zufolge in den Asean-Staaten Kredite von über 750 Millionen Dollar. Damit fließt das Geld zum Teil zurück, das die Volksrepublik durch ihre Exporte in die Kassen bekommt.

Die Asean-Staaten, China und weitere fünf sogenannte Dialogstaaten, zu denen auch Australien, Südkorea, Indien, Neuseeland und Japan zählen, verabredeten auch eine engere Zusammenarbeit bei der Entwicklung von sparsamer Energienutzung und erneuerbaren Energien wie Biotreibstoffen, außerdem die Förderung von zivilen Atomkraftwerken. Damit wollen sie, wie es in der Erklärung von Cebu heißt, ihre "Abhängigkeit von konventionellen Brennstoffen verringern". Auch dieses Thema ist nicht neu, da in Asien traditionell nur wenig Öl und Gas gefördert werden. Dass dieser Raum jedoch auf erneuerbare Quellen setzt, ist ein neuer Zungenschlag. Die Erforschung und Entwicklung derartiger Energieträger überließ man bisher den Europäern, um später dann zu kopieren. So einfach war das in der Vergangenheit.

Neben verstärkter wirtschaftlicher Kooperation versucht Peking zugleich, die politischen Beziehungen zu den Nachbarn zu stärken und das Misstrauen gegenüber dem chinesischen Drachen abzubauen: Chinesen und Südostasiaten wollen künftig enger im Kampf gegen den Terrorismus, Drogenhandel und die Ausbreitung von Epidemien wie Aids enger zusammenarbeiten, hieß es. Diese Passage klingt am meisten nach Wolkenkuckucksheim, da die Staaten im politischen Bereich weit auseinander liegen. Malaysia und Indonesien sind muslimische Staaten, China kehrt zu einem Neo-Konfuzianismus zurück bei gleichzeitiger Einparteien-Herrschaft, die meisten anderen Staaten Asiens sind (halb-)demokratisch und kulturell von Buddhismus oder Hinduismus geprägt. In der Politik also sind die Unterschiede so krass, dass ein Projekt wie die gemeinsame Terrorabwehr unwahrscheinlich erscheinen mag. In der Wirtschaft aber, da weht der Wind des Wandels jedem in Asien um die Nase.


Artikel des SÜDKURIER vom 16. Januar 2007

Mit freundlicher Genehmigung des Südkurier


Aufgabe:

Arbeite aus dem Artikel heraus, wie die Geschichte die Beziehungen zwischen China und Japan belastet und wie die beiden Staaten heute mit diesem Erbe umgehen.


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