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Soziale Schichtung und Staat

Außerhalb der eigentlichen Gesellschaft standen Sklaven, Dirnen, Schauspieler, Gaukler, Musiker, Barbiere und Berufssoldaten. Diese Gruppen waren für die Beamtenlaufbahn nicht zugelassen.

Darüber standen die Kaufleute, die ebenfalls wenig geachtet und der Willkür der Bürokratie unterworfen waren. Meist waren sie Händler, zum Teil Straßenhändler.

Höher geschätzt wurden Handwerker; das chinesische Kunsthandwerk genoss Weltruf. Im Handwerk herrschte der Familienbetrieb mit Lehrlingen und Gesellen vor. Es gab Zünfte, die Preise und Qualität kontrollierten. Die Verhältnisse waren ähnlich wie in Europa, aber Betriebe, aus denen sich ein Frühkapitalismus hätte entwickeln können, existierten nicht.

Einen wirtschaftlich unabhängigen, selbstbewussten, bürgerlichen Mittelstand aus Händlern und Handwerkern, der - wie im spätmittelalterlichen Europa - Anspruch auf die Regierung von Städten hätte erheben können, gab es ebenfalls nicht. Städte im alten China waren lediglich Wirtschafts- und Verwaltungszentren, keine von den Bürgern selbst verwaltete Einheiten.

Über Kaufleuten und Handwerkern standen die Bauern im Ansehen. Sie waren persönlich frei - Leibeigenschaft gab es praktisch nicht - und verfügten frei über den Boden (frei veräußerliches Privateigentum). Der Anteil wirtschaftlich unselbständiger Pächter oder gar Knechte war im Bereich der Landwirtschaft relativ klein. Noch in den 1930er-Jahren gab es unter den Bauern, obwohl es ihnen bedeutend schlechter ging als in früheren Zeiten, zu 54% Nur-Eigentümer, zu 17% Nur-Pächter und zu 29% solche, die eigenes Land besaßen als auch Pachtland bearbeiteten. Großgrundbesitz gab es relativ wenig, Großbetriebe existierten nicht, weil das Land in Parzellen verpachtet wurde.

Insgesamt war eine Situation, die den Klassenkampf begünstigt hätte, nicht vorhanden, zumal die Sippen Gegensätze zwischen Arm und Reich zusätzlich abmilderten. Wenn es Bauernunruhen gab, dann vor allem als Folge von Kriegen und wirtschaftlicher Verelendung und seit Ende des 18. Jahrhunderts als Folge des Bevölkerungswachstums, mit dem die Bodenerschließung nicht Schritt halten konnte.

Am meisten Ansehen besaß die Führungsschicht Schen-schi, die engstens mit dem Staat verbunden war und die chinesische Kultur verkörperte. "Schen" ist der Träger eines Ehrengürtels oder dieser Gürtel selbst, ein "Schi" ist ein Gelehrter. Zu den Schen-schi gehörten die Inhaber eines Staatsamts, die sogenannten "Mandarine", aber auch die weit größere Zahl der Anwärter auf Staatsämter. Mitglied dieser Führungsschicht wurde man durch Examina, nicht durch Geburt. Ein Geburtsadel existierte in China nicht mehr.

Klaus Mehnert schreibt: "Als Institution war diese Beamtenschicht das Führungsinstrument des absolutistischen Einheitsstaats, wie er [...] - im 3. Jahrhundert v. Chr. - begründet worden war. Schon die Weiträumigkeit des Reiches und die Vielzahl der Dialekte, wenn nicht Sprachen, verlangten ein Heer von Beamten, die die Sprache der Hauptstadt zu verstehen, die Befehle der Zentrale zu lesen imstande sein mussten. Wer anders sollte dafür in Frage kommen als die Bewahrer der alten Sprache, Schrift und Tradition, die Schulen der "Philosophen", voran und bald ausschließlich die Konfuzianer, die von jeher die Beratung der Fürsten durch die Edlen und Weisen gefordert hatten. Die Beherrschung aller wichtigen Bereiche der chinesischen Kultur, in erster Linie des Konfuzianismus, die in staatlichen Prüfungen nachzuweisen war, wurde zum eigentlichen Qualifikationsnachweis des Beamten" (Mehnert, a.a.O., S.85). Die chinesischen Beamten wurden jährlichen Prüfungen unterzogen.

Im 19. Jahrhundert - bereits im Verfallsstadium - entstammten etwa 65% der Oberschicht Familien, die dieser schon vorher angehört hatten. Nur eine Minderheit stieg noch aus einfacheren Bevölkerungskreisen auf, weil Beziehungen eben doch wichtig waren. Nicht wenige konnten sich einkaufen, was früher undenkbar war. Die direkten Einkommen vom Staat im Zuge der Beamtentätigkeit waren wichtiger als die Einkünfte aus Landbesitz, die unter der letzten Dynastie, den Mandschu, etwa ein Drittel ausmachten.

Schon die Tatsache, dass die Beamten(anwärter) die schwierige Schrift beherrschten, was wiederum Voraussetzung für Bildung und damit sozialen Aufstieg war, sicherte ihnen Respekt und Bewunderung der Bevölkerung. Eine Kluft zwischen Macht und Geist, wie in Europa tendenziell vorhanden, existierte in China nicht.

"Der Kaiser ist in seiner Person der Mittler zwischen der himmlischen und der irdischen Welt. Seine höchste Aufgabe ist daher die Ordnung der Beziehungen zum Kosmos und die Ausübung der entsprechenden Riten. ... Er weiß sich daher auch für Naturkatastrophen persönlich verantwortlich." (ebd., S. 94) Als "Sohn des Himmels" hatte sich der Herrscher dadurch auszuweisen, dass es dem Volk gut ging. War das nicht der Fall, fehlten ihm die Qualitäten, die der Himmel verlangte. Das konnte ihn das Amt kosten, was eine neue Dynastie begründete. Die Abschaffung der Monarchie als Institution mit dem Ergebnis einer Republik war dagegen undenkbar.

Für die Masse des Volkes war der Herrscher allerdings fern.

(Nach ebd., S.81 ff.)


Quelle: Klaus Mehnert: Peking und Moskau, Stuttgart, 2. Auflage Stuttgart, 1966


Aufgaben

1. Erstelle ein Schema der sozialen (gesellschaftlichen) Schichtung im alten China.

2. Vergleiche den chinesischen Staat und seine Träger mit den Verhältnissen in West- und Mitteleuropa im Zeitalter des Absolutismus.


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