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Die Bedeutung der Reichsautobahn: propagandistische Dimension

Immer wieder werden die gleichen Phrasen eingeschärft, wenn es um die Autobahn geht: „Friedenswerk“, „Reichseinheit“,  „Straßen des Führers“ und „Lebensadern der Nation“ – mit dem Ziel,  Begeisterung für den Abbau auszulösen, enge Assoziationen zum Regime und dessen Spitze zu wecken und die Bevölkerung zur Identifikation mit dem nationalen Projekt  an zuleiten; je mehr die Autobahn überhöht wurde, desto weniger stellte man rationale Fragen nach Kosten-Nutzen-Verhältnissen.

Weniger als die tatsächliche Verringerung der Arbeitslosenzahlen war der Hinweis darauf wichtig – bei jeder offiziellen Veranstaltung (Bauabschnittseröffnung, Übergabe eines Bauabschnitts) wurde ausdrücklich darauf hingewiesen – die Zahlen sprechen eine andere Sprache.

Die reine Zahl der offiziellen Veranstaltungen an Hitler Autobahnbauabschnitten war enorm hoch – so konnte immer wieder ins Gedächtnis gerufen werden, wie wichtig die Autobahnen für die nationale Sache sind; neben den immer kürzer werdenden Bauabschnitten, die eröffnet wurden, gab es noch zentrale Feiern zu Ehren des 1.000. , 2.000., und 3.000. Autobahnkilometers sowie Feiern zur Eröffnung von Viadukten oder Brücken. Dadurch dass sich jeder einzelne Autobahnkilometer als Teil des Gesamtprojekts definieren ließ, barg jeder kleinste Teilerfolg eine Möglichkeit, die Exzeptionalität des Ganzen zu betonen.

Sehr eindrucksvoll war schon die Inszenierung bei der „Übergabe der Arbeitsgeräte“ an die Arbeiter des ersten Bauabschnittes am 23. September 1933. Hitler fungierte also nicht nur als Erfinder der Autobahnen, sondern auch noch als erster Bauarbeiter. Der reichsweite erste Spatenstich am 21. März 1934 wurde synchron im Rundfunk übertragen: ein Medienereignis erster Güte.

Noch besser propagandistisch verwertbar waren die Einweihungen neuer Teilstücke. Bei der ersten Einweihung wurden hier die Standards gesetzt, die sich von nun an häufig glichen: Die Einmütigkeit zwischen Führer und Gefolgschaft spiegelte sich in einer kilometerlangen Menschenkette, die dem stehend im offenen Wagen vorbeifahrenden Führer Spalier stand. Dem Führer folgte üblicherweise die Parteiprominenz und hernach in Lastwagen die Bauarbeiter, deren Gruß der Führer am Ende des Streckenabschnitts entgegennahm. Die Veranstaltung erhielt so sicherlich nicht ungewollt ein militärisches Gepräge.

 

Adolf Hitler am 23. September 1933 beim ersten Spatenstich zum Reichsautobahnbau der Strecke Frankfurt/Main - Darmstadt-Mannheim, als Mittel zur Beseitigung der Arbeitslosigkeit. Hinter Hitler Bauleiter Jakob Sprenger, NSKK-Korpsführer Adolf Hühnlein und der Generalinspekteur für das deutsche Straßenwesen Ing. Fritz Todt.

 

Häufig wurden die Autobahnen auch ideologisch überhöht. „Straßen der Reichseinheit“, Verbindungsweg zwischen „Stämmen“ und „Gauen“ und „Werden der nationalsozialistischen Kulturlandschaft“ sind nur ausgewählte Prädikate, die die Arbeit adelten. Im Zuge der Expansion wurde auch die Gesamtplanung mehrfach einer Revision unterzogen: Plötzlich erhielt eine (lediglich projektierte) Strecke Bamberg- Eger – Karlsbad – Reichenberg eine strategisch-ideologische Bedeutung. Obwohl ab Kriegsbeginn zunehmend weniger Arbeiter beim Autobahnbau eingesetzt waren, wurden die Planungen immer größenwahnsinniger. In Norwegen plante ein Ingenieursteam eine Autobahn genauso wie von Trier nach Paris oder von Calais nach Köln – auch hier bildet der Autobahnbau einen typischen Zug des NS-Regimes ab: je verzweifelter die Lage, desto großspuriger die Pläne. Oder in Zahlen: Plänen von 20.770 km standen realisierte 3.819 km gegenüber.

Der propagandistische Effekt der Autobahnen war schließlich noch viel weiter geplant – für die Ewigkeit. Mit ihnen sollten „Pyramiden des tausendjährigen Reiches“ entstehen – ein monumentales Denkmal für die Nachwelt. In der Autobahn kulminiert der Anspruch des Regimes auf Modernität, Repräsentation und Monumentalität. In diesem Zusammenhang erhält eine Brücke auch nicht allein die Funktion einer Brücke, sondern repräsentiert einen ideologischen Mehrwert, der vor Ort – insbesondere als Großbrücke – das Regime darstellt. Um die Brücke auch von der Autobahn goutieren zu können, wurden Brückenanlagen mit Rastplätzen und Aussichtsplattformen umgeben. Zugleich wurde der Autobahnbau durch einen Propagandafeldzug begleitet. Autobahnmalerei bis hin zu Ausstellungen, Autobahnlyrik und Autobahnromane, Brettspiele, Abbildungen auf Briefmarken – allerorten wurde das Projekt gefeiert und vermarktet. Doch während man die Autobahn überall bewarb, wurde die Autobahn selbst reklamefrei gehalten. So kann eine „Kultstätte des ‚Dritten Reiches‘“ entstehen (Erhard Schütz) – während man ihre Fertigstellung an einem Ort feiert, kann man ihrer Entstehung an einem anderen erwarten. Der Autobahnbau selbst konnte als durchgängige Erfolgsgeschichte bei jeder Bilanz des NS-Regimes als Positivum zu Buche schlagen, bei jeder Streckenabschnittsneueröffnung konnte man sich selbst feiern.

Briefmarkenserie Winterhilfswerk 1936

 

Selbst bei der Planung neigte man zur ästhetisierenden Verklärung: Der Primat der schwingenden Bahn führte dazu, dass die Einpassung der Autobahn in die Landschaft Vorrang vor einer auf Geschwindigkeit ausgelegten Routenführung genoss. Landschaftsanwälte hatten Einspruchsrecht bei der Linienführung, um sicherzustellen, dass die Harmonie zwischen Straße und Natur nicht gestört wird – deshalb wurde tendenziell eher eine höhere Steigung in Kauf genommen, als dass ein Eingriff in die Landschaft vorgenommen wurde.


Hitler erfindet die Autobahnen

1943 liefert der Dichter Herybert Menzel folgende Version:

„Während seiner Haft, als seine Bewegung zerschlagen war, als seine Gegner ihn vernichtet hielten, als er das Buch der Deutschen schreib, da schlug er auch die Karte unseres Vaterlandes auf seinen Knien auseinander und dachte in sie hinein seine Reichsautobahnen: so werden sie laufen! Da kaum noch einer an ihn glaubte, glaubte er so fest an sich und seine Aufgabe und bereitete alles vor.[…] Adolf Hitler in der Zelle seiner Gefangenschaft vor der Karte Deutschlands, die Bahnen ersinnend, über die einmal die Siegeswagen rollen sollten.“ (nach: Herybert Menzel, in: Hermann Harz/Herybert Menzel, Das Erlebnis der Reichsautobahn, hg. vom Reichsministerium Speer, München 1943, o.S.)

 

Modell der Einfahrt zur Reichsautobahn an der Reichsgrenze bei Salzburg. Entwurf von Alfred Speer

 

Der Mythos der „Straßen des Führers“

Fritz Todt in einer Pressekonferenz am 25. Juli 1933

„Wir haben seit 1926 schon daran gearbeitet, die Straßen dem Auto anzupassen - aber wie. Die Straßen wurden breiter gemacht, Kurven wurden abgeflacht [...], um dann [...] zu sehen, daß es schon wieder zu wenig gewesen ist für den fortgeschrittenen Autoverkehr. So ging es weiter. […] Da kam Adolf Hitler. Mit seinem weit ausschauenden Blick sagte er: >Wir haben nicht eine Straße zu bauen, die dem jetzigen Verkehr genügt. […] Was wir bauen, muß für eine Generation geschaffen sein. Die Straße muß in 20 Jahren noch den Wert besitzen, den sie jetzt andeutungsweise haben kann.“ (nach: Völkischer Beobachter v. 26. Juli 1933, S. 1.)


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