Die Villa Urbana in Heitersheim: Mediterranes Leben am Fuße des Schwarzwaldes

Hintergrundinformationen

Bedeutung

Die herrschaftliche Villa Urbana in Heitersheim ist auf dem Gebiet der römischen Provinzen Germania Superior und Raetia einzigartig.

Die Villa in der Landschaft (Modell)

Die Villa in der Landschaft (Modell) ( B 2 )
© Provinzialrömische Archäologie Universität Freiburg

Die Agrarlandschaft des römischen Baden-Württemberg war geprägt von Einzelgehöften. Bislang sind mehr als 1200 solcher villae rusticae entdeckt worden, die der Lebensmittelversorgung dienten. Lange Zeit hatte man vermutet, dass es sich bei den römischen Überresten auf dem „Scherbenacker“ östlich des Malteserschlosses in Heitersheim um eine solche villa rustica handelte.

Luftaufnahme von 1989 ( B 3 )

Luftaufnahme von 1989 ( B 3 )
© Landesamt für Denkmalpflege

Eine Luftbildaufnahme von 1989 hat aber zu der Erkenntnis geführt, dass es sich um einen Großgrundbesitz handeln müsse, der aus einem palastartigen Villenkomplex – pars urbana – besteht, der mit einem großen Wirtschaftsbereich – pars rustica – verbunden war.
Die seit 1991 regelmäßig von der Abteilung für provinzialrömische Archäologie der Universität Freiburg durchgeführten Grabungen haben diese Erkenntnis bestätigt und präzisiert. Zahlreiche Funde lassen auf ein angenehmes und luxuriöses Leben schließen, das der Villenbesitzer mit seiner Familie und seinen Gästen am Fuße des Schwarzwaldes mit dem Blick auf den Schwarzwald und die jenseits der Rheinebene liegenden Vogesen in der Zeit des Jahres, in der er auf seinem Landgut weilte, genießen konnte.

Sicht nach Osten auf die Hänge des Schwarzwaldes ( B 4 )

Sicht nach Osten auf die Hänge des Schwarzwaldes ( B 4 )
© Götz Distelrath

Im Zuge der Grabungen erschließen sich mehr und mehr auch die wirtschaftlichen Grundlagen dieses Komplexes. Landwirtschaft, Handwerk wie etwa Keramik- und Ziegelproduktion, wahrscheinlich auch Metallverarbeitung sicherten die wirtschaftliche Unabhängigkeit der Villa. Die verschiedenen Ausbaustufen legen die Vermutung nahe, dass die Besitzer mit dem Anwesen in Heitersheim Geld verdienen konnten.

Bezüglich des Namens des bzw. der Besitzer ist noch keine Sicherheit erlangt. Aufgrund verschiedener Keramikfunde nahm man an, dass man einem der Besitzer der Villa auch einen Namen geben könnte: Lucius Iulius Fontus. Jüngere Funde haben diese Lesung wieder in Frage gestellt.

Der Besuch der Villa Urbana in Heitersheim ist für Schülerinnen und Schüler aller Schularten im Rahmen des Geschichts- und Lateinunterrichts lohnend. Im Museum können Zeugnisse römischen Lebens in römischen Überresten erfahren werden. Am Beispiel der Villa lässt sich das Phänomen der Romanisierung von Lebensgewohnheiten und Landschaft untersuchen. Die komplexe Struktur dieser herrschaftlichen Villa bietet einen sinnfälligen Anlass, die Arbeits- und Lebensweise unterschiedlicher sozialer Gruppen zu erarbeiten. Zu ergänzen ist die Rolle des Militärs, die allerdings mit einem Hinweis auf das mögliche Publikum der naheliegenden Thermen in Badenweiler und einem Blick auf zentrale Knotenpunkte des römischen Straßennetzes einzuholen ist.

Archäologie erleben – Grabungen 2008

Archäologie erleben – Grabungen 2008 ( B 5 )
© Provinzialrömische Archäologie Universität Freiburg

Die Villa Urbana ermöglicht weiter in verschiedener Weise einen Einblick in die Arbeit des Archäologen. Die Ausgrabung der Villa ist keineswegs abgeschlossen. Die regelmäßig stattfindenden Lehrgrabungen der Universität Freiburg ermöglichen einen Einblick in die alltäglichen Arbeit am Ort, im Museumsbau werden verschiedene Methoden, zu wissenschaftlichen Erkenntnissen zu kommen, erläutert, und die Entscheidung, den Villenbau in dem Zustand einer bestimmten Bauphase zu rekonstruieren, begründet.


Geschichte

Wie die fortlaufenden Ausgrabungen gezeigt haben, hat die Villenanlage eine wechselvolle Geschichte. Von archäologischer Seite kann man mittlerweile zwei Holzbau- und drei Steinbauphasen unterscheiden. Der restaurierte Zustand gibt den Ausbau der Villa Urbana in der sog. „Älteren Steinbauphase“ wieder, v.a. da der durch den letzten Umbau anfallende Bauschutt in der Villa verbaut wurde. Dieser Bauschutt wiederum ermöglicht eine Rekonstruktion auch der Ausstattung.

Die Villa wurde um 30 n.Chr. als eine einfache Holz-/ Fachwerkkonstruktion begonnen was die Archäologen anhand von Münzen und Keramikfunden feststellten. Das dem Bau zugrunde liegende Konzept war das eines zweiflügeligen, italischen Landhauses mit Binnenhof und eines im Westen liegenden Wirtschaftstrakts, der ebenfalls um einen Hof gruppiert war. In den folgenden zwei Jahrhunderten wurde der Bau dreimal vergrößert, aber nie grundlegend verändert.

Im ersten Jahrhundert wurde der Holzbau durch einen Nachfolgebau von 750 m2 ersetzt, der bereits auf Sockelmauern aus Stein stand.


Zweiter Bauzustand: Holzbau mit Steinsockeln (Museumsbau in grau)

Zweiter Bauzustand: Holzbau mit Steinsockeln (Museumsbau in grau) ( B 6 )
© Provinzialrömische Archäologie Universität Freiburg

Dieser Bau wurde zu Beginn des 2. Jahrhunderts n. Chr. abgebrochen.

Dritter Bauzustand

Dritter Bauzustand ( B 7 )
© Provinzialrömische Archäologie Universität Freiburg

Die Grundfläche des dritten Baus, der wieder rekonstruiert wurde, wurde auf 1500 m² erweitert. Für den Bau nutzte man Bruchsteine aus dem nahe liegenden Schwarzwald und Ziegel aus eigener Produktion.

Vierter Bauzustand mit Funktionsbezeichnungen

Vierter Bauzustand mit Funktionsbezeichnungen ( B 8 )
© Provinzialrömische Archäologie Universität Freiburg

Um 180 n.Chr. wurde der Bau nochmals verändert. Er wurde auf 3000 m² vergrößert.

Die Villa war nach Ausweis von Münzfunden bis zur Mitte des 3. Jahrhunderts n.Chr. in Betrieb, als sie ein gewaltsames Ende fand. Sowohl in den Kellern des Hauptgebäudes der Villa wie auch des Verwalterwohnhauses fanden sich deutliche Hinweise auf Brandzerstörungen dieser Zeit.

Für die folgende Zeit fehlen bisher Anhaltspunkte. Da landwirtschaftliche Nutzung die Höhe des Areals um einen halben Meter absenkte, sind für die spätrömische und frühalamannische Zeit keine archäologischen Spuren nachweisbar. Die ehemalige Villa Urbana wurde im frühen Mittelalter als Bestattungsplatz genutzt. In der Mitte des siebten Jahrhunderts wurde ein merowingerzeitlicher Krieger in der Halle des verfallenen Hauptgebäudes bestattet. Das Villenareal wurde jahrhundertelang als Steinbruch genutzt, viele Mauern bis in die untersten Fundamentlagen ausgeraubt. Dieses "Recycling" hängt mit dem Bau des Malteserschlosses zusammen, das aus einem fränkischen Königshof am Platz hervorgegangen ist.


Forschungsgeschichte

1811 beschrieb Chr. L. Fecht aufgedeckte Mauern, die denen von Badenweiler ähnelten. W. Werth vermutete aufgrund von Oberflächenfunden eine villa rustica. Sondagegrabungen durch das Landesdenkmalamt erfolgten 1975, aber erst 1989 ergaben Luftbilder entscheidende Hinweise auf den Baukomplex. Seit 1991 wird das Villengelände von der Abteilung für Provinzialrömischen Archäologie der Universität Freiburg erforscht. Die regelmäßig im Sommer stattfindenden Grabungen vergrößern stetig das Wissen um diesen einzigartigen Baukomplex. In der jeweils aktuellen Ausgabe der Reihe „Archäologische Ausgrabungen“ in Baden-Württemberg kann man sich bequem über die Erkenntnisfortschritte informieren. Seit 1998 wird die Anlage durch die Stadt Heitersheim restauriert. Der nach Entwürfen des Architekten Werner Höfler errichtete gläserne Schutzbau, der über den Kernbereich des ehemaligen Villenhauptgebäudes errichtet wurde, dient seit dem Jahr 2001 als Museum, das von April bis Anfang November geöffnet ist.


Anlage

Lage in der Landschaft

Die römische Oberschicht hatte eine präzise Vorstellung von der genauen landschaftlichen Lage und bauliche Ausgestaltung ihrer auf Repräsentation zielenden Villen. Die Villa Urbana von Heitersheim weist alle Landschaftsbezüge, Standortvorteile und Größenordnungen auf, die von den Römern geschätzt wurden.

Modellausschnitt des Hauptgebäudes von Heitersheim (Dritte Bauphase) (B9)

Modellausschnitt des Hauptgebäudes von Heitersheim (Dritte Bauphase) ( B 9 )
© Provinzialrömische Archäologie Universität Freiburg

Die Lage der Villa Urbana ermöglicht einen freien Blick nach allen Himmelsrichtungen. Sie ist auf einem fruchtbaren Lößrücken gelegen, ganz in der Nähe fließt der Sulzbach vorbei. Kaum drei Kilometer entfernt nach Osten erheben sich die Hügel des Schwarzwaldes. Nach Westen öffnet sich dem Blick die Oberrheinebene von Breisach bis Kembs, jenseits des Rheintals begrenzen erst die Vogesen den Horizont.

Die Villa lag verkehrsgünstig, kaum zwei Kilometer entfernt von der römischen Fernstraße, die – unter heutige B 3 liegend – die Nord-Süd-Verbindung entlang des rechten Rheinufers bildete. Das römische Sulzburg wie auch die Villa Urbana in Heitersheim wurde mit dieser Fernstraße zwischen Müllheim und Bad Krozingen auf Höhe der heutigen Johanniterstraße durch eine nach Osten führende Anschlussstraße verbunden.

Karte mit Umgebung der Villa (B10)

Karte mit Umgebung der Villa ( B 10 )
© Provinzialrömische Archäologie Universität Freiburg


Frischwasser erhielt die Villa über Holzrohrleitungen, die aus Ballrechter Quellen gespeist wurden.


Gesamtanlage

Die Gesamtanlage umfasste zur Zeit ihrer größten Ausdehnung eine Grundfläche von 5,5 ha und war von einer 1040 Meter langen, 0,6 Meter breiten und etwa 2 Meter hohen Mauer umgeben.

Reoknstruktion der Außenmauer (B11)

Reoknstruktion der Außenmauer ( B 11 )
© Götz Distelrath

Die Anlage ist in zwei Teile gegliedert, den Herrschaftsteil (pars urbana) im Osten und den Wirtschaftsteil (pars rustica) im Westen, die auch Mauern trennten. Die höchste Stelle (265 m ü. NN.) nahm der Herrschaftsteil mit verschiedenen Gebäuden (domus) und einem parkähnlichen gestalteten Garten (hortus) ein, auf den etwa 1,35 ha entfielen. Im Gegensatz zu den meisten villae rusticae kennzeichnet Heitersheim eine achsensymmetrische Bauweise.

Übersichtsplan (B12)

Übersichtsplan ( B 12 )
© Provinzialrömische Archäologie Universität Freiburg

Pars urbana

Die Residenz der Eigentümer bestand aus verschiedenen Gebäudeteilen, die unterschiedliche Funktionen erfüllten. Das Zentrum bildete der eigentliche Wohn- und Repräsentationsbereich, der sich in einen Eingangstrakt (atrium) und einen anschließenden Hoftrakt (peristylium) gliederte.


Dritter Bauzustand

Dritter Bauzustand (Grundlage für die heutige Rekonstruktion, für Funktionsbezeichnungen s. B 8 ) ( B 13 )
© Provinzialrömische Archäologie Universität Freiburg


Rekonstruiertes Portal (B14)

Rekonstruiertes Portal ( B 14 )
© Götz Distelrath


Ein Besucher gelangte in den Herrschaftsbereich vom Wirtschaftstrakt im Westen her kommend. Er trat durch ein hervorgehobenes Portal in eine Säulenvorhalle (porticus) ein, die sich nach links und rechts über 90 m erstreckte, um dann in einen Vorhof / eine Vorhalle (atrium) zu gelangen, zu dessen Seiten sich die Räume des Hauspersonals und auch die Küche erstreckten, ehe sich nach Osten ein Portal zum Innenhof (peristylium) öffnete, dessen drei gedeckte Säulengänge die weiteren Gebäudeteile miteinander verbanden. Nach links erreichte der Eintretende im Nordflügel die Repräsentationsräume mit Speisesaal (triclinium). Den nach oben offenen zentralen Säulenhof füllte ein Zierwasserbecken (piscina) von fast 18m Länge und 3,6 m Breite, das aber beim letzten Umbau zugeschüttet wurde. Auf den beiden Apsiden an den Schmalseiten standen einst Brunnenfiguren bzw. Wasserspeier. Die heutige Figur im teilrekonstruierten Brunnen ist eine Neuschöpfung, der ein Heitersheimer Fundstück – eine silberne Gewandspange (fibula), auf der ein auf einem Delfin reitender Amor zu sehen ist – zugrunde liegt.

Rekonstruiertes Zierwasserbecken (B15)

Rekonstruiertes Zierwasserbecken ( B 15 )
© Götz Distelrath

Zierwasserbecken (Modellausschnitt) (B16)

Zierwasserbecken (Modellausschnitt) ( B 16 )
© Provinzialrömische Archäologie Universität Freiburg / Götz Distelrath

Die offene Ostseite des Innenhofs führte unmittelbar in den parkartigen Garten. Gleichzeitig stellte sie die Verbindung mit dem Südflügel her, der zumindest ein Obergeschoss besaß. Dort befanden sich die Privaträume des Villenbesitzers, die zumindest teilweise beheizbar waren. Die Heizstelle wurde vom Personaltrakt aus bedient.

Vom Innenhof betrat man auch ein östlich vorgesetztes Gebäude, in dessen Westteil eine 1,5 m breite Wendeltreppe in einen Keller führte Dessen Größe von 54 m² ist ein weiteres Indiz, für das ausgeprägte soziale Leben der Villeneigentümer.

Keller (Vorratsecke)

Keller (Vorratsecke) ( B 17 )
© Provinzialrömische Archäologie Universität Freiburg

Südlich davon erreicht man das komplett ausgestattete Badegebäude, in dessen Westteil eine wassergespülte Latrine nachgewiesen wurde. Westlich davon schloss sich ein offenes Sportgelände (palaestra) an.

Ausstattung des Hauptgebäudes
Das Hauptgebäude war ziegelgedeckt, besaß Glasfenster; die Wände waren großflächig mit Malereien versehen. Neben geometrischen Mustern und Darstellungen von Pflanzen finden sich auch Motive mit lebensgroßen Figuren, die wahrscheinlich verschiedene Mythen darstellten. Die Sockelzonen der Wände deckten kostbare Arbeiten aus opus sectile – das sind geometrisch geschnittene, vielfarbige Steinplättchen.

Opus sectile (B18)

Opus sectile ( B 18  )
© Provinzialrömische Archäologie Universität Freiburg

Pars rustica
Größere Teile des Wirtschaftsbereichs sind durch das Malteserschloss bedeckt. Es wurden aber Reste der Häuser für den Verwalter (vilicus) und die Landarbeiter gefunden.
Im Nordwesten wurden neben Resten der Außenmauer auch deutliche Spuren von Gewerbetätigkeit wie Keramikproduktion und Metallbearbeitung gefunden. Es ist zu vermuten, dass es auf dem Gelände auch landwirtschaftliche Nutzbauten wie Ställen und Scheunen gegeben hat. Im Osten befand sich ein Speicherbau, der heute – etwas versetzt rekonstruiert – die Villa artis beherbergt.

b19.jpg

Rekonstruierter Speicherbau ( B 19 )
© Götz Distelrath

- Arbeitskreis Landeskunde/Landesgeschichte RP Freiburg -