Leitgedanken zum Kompetenzerwerb
Autoren: Gabriele Bayer und Dr. Udo Bayer
Fachbezogene und fächerübergreifende Kompetenzen
Der Themenbereich der jüdischen Geschichte in Deutschland berührt naturgemäß
insbesondere die Fächer Religionslehre, Ethik und Geschichte. Es lassen sich
eher fachbezogene Inhalte von übergeordneten fächerübergreifenden
Kompetenzen abgrenzen, wie sie einerseits im Unterricht mit - zumindest
teilweise - sprachlich-sozialwissenschaftlicher Akzentuierung insgesamt
erworben werden sollen und andererseits solchen, die speziell in der
Auseinandersetzung mit dem Lernort Museum zum Tragen kommen. Texterfassung,
Bewusstsein von der Perspektivität, eigene Recherche Ergebnisformulierung,
Begründung von eigenen wertenden Positionen sind hier als wichtige Beispiele zu
nennen.
Museen sind meist Lernorte mit bestimmtem historischem Lokalbezug und der
Möglichkeit, authentischen Zeugnissen in einer arrangierten Umgebung
unmittelbar zu begegnen, Fragen an sie zu stellen oder vorgegebene Aufgaben
selbst zu lösen. Die unmittelbare Anschauung ermöglicht Schülern einen eigenen
neuen, vertieften Kontext; darüber hinaus bietet sie einen stärker emotionalen
und die sinnliche Wahrnehmung ansprechenden thematischen Zugang als der übliche
Unterricht und seine Materialien. Die Originalobjekte schulen die
Beobachtungsfähigkeit und lehren, induktiv Schlüsse aus dem konkreten Einzelnen
zu ziehen.
Die Lehrplanvorgaben der beiden christlichen Konfessionen für alle Schularten
lassen sich verknappt folgendermaßen zusammenfassen: Zentraler Berührungspunkt
mit dem Thema Judentum ist natürlich die biblische Tradition des Christentums
in Gemeinsamkeiten mit und Unterschieden zum Judentum sowie die daraus folgende
Einbeziehung einer Grundkenntnis von jüdischer Tradition, v. a. in Gestalt von
Religionssymbolen und Festen. Für bestimmte Klassenstufen ist das Thema
Judentum noch einmal ausdrücklich formuliert (für beide Konfessionen Kl. 6 u. 9
Hauptschule, Kl. 8 und 10 Realschule, Kl. 6 Gymnasium). In der Klassenstufe 10
ist das Thema der Kirchen im Zusammenhang mit dem NS-Regime ausdrücklich
thematisiert, am deutlichsten im Lehrplan für evangelische Religion für
Gymnasien, wo eine gesonderte Einheit "Kirche und Auschwitz" vorgesehen ist.
Der Lehrplan der Hauptschule thematisiert "Antisemitismus und Holocaust" in
einem anderen Kontext, nämlich dem Fächerverbund "Welt-Zeit-Gesellschaft"
(Kl.9).
Auch der Ethikunterricht bezieht explizit das Thema Judentum (etwa Gymnasium
Kl. 8, Realschule Kl. 10) ein, aber selbstverständlich wird es implizit ebenso
in Themenbereichen wie dem der Religionsphilosophie mitberücksichtigt. Zentral
ist selbstverständlich auch hier der lebenspraktische Bezug zu einer Haltung
der Toleranz und des Respekts.
Hauptbereich für die Beschäftigung mit dem Thema der Geschichte der Juden ist
selbstverständlich das Fach Geschichte mit den Unterrichtseinheiten zur NS-Zeit
in den Plänen für die Realschule und das Gymnasium. Für die Realschule sind
dies Kl. 10, für das Gymnasium Kl. 9 und die Kursstufe. Wenn auch das Thema
Judentum auf anderen Klassenstufen nicht ausdrücklich erscheint, so dürfte es
doch selbstverständlich sein, Bezüge hierzu auch für andere Epochen
herzustellen, zum einen, um für das durchgehende Problem des Verhältnisses
Mehrheit-Minderheit zu sensibilisieren, zum andern um die mehr als
tausendjährige deutsch-jüdische Geschichte gerade nicht auf die Schoah hin zu
verkürzen und so eine verzerrte historische Perspektive zu erzeugen. Aber auch
die Würdigung des großen Beitrags dieser winzigen Minderheit von einem Prozent
zur Kultur der Moderne in Deutschland sollte im Unterricht allgemein
thematisiert werden. Hinzu kommt die ausdrücklich empfohlene Einbeziehung von
Lokal- und Regionalgeschichte, die je nach Ort selbstverständlich auch die
Geschichte von Juden nahe legt.
- Arbeitskreis für Landeskunde/Landesgeschichte RP Tübingen -

