Hintergrundinformationen

Museum zur Geschichte der Juden im Ostalbkreis in der ehemaligen Synagoge Bopfingen-Oberdorf

1. Bedeutung

1993 wurde die Gedenk- und Begegnungsstätte in der ehemaligen Synagoge in Oberdorf eröffnet. Seit 1997 befindet sich hier das Museum zur Geschichte der Juden im Ostalbkreis.
Auf didaktisierten Schautafeln bietet das Museum:

  • eine Darstellung der Ereignisse, die von der Herkunft der deutschen Juden bis zum Holocaust reichen,

  • einen Eindruck vom friedlichen Zusammenleben von Juden und Christen in Ostwürttemberg vor der Zeit der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft,

  • die Erinnerung an die Opfer des Nationalsozialismus: auf Tafeln stehen die Namen der Männer, Frauen und Kinder aus Oberdorf, die in Vernichtungslager deportiert und dort ermordet wurden,

  • einen Abriss der Geschichte der weiteren jüdischen Gemeinden auf dem Gebiet des heutigen Ostalbkreises, nicht nur der jüdische Gemeinde in Oberdorf selbst,

  • zahlreiche Texte, Bilder, Grafiken und Zeichnungen, die die jüdische Geschichte Oberdorfs, der einst größten jüdischen Gemeinde Ostwürttembergs, lebendig werden lassen.

Bei der Gestaltung der Didaktiktafeln wurde auf eine überzogene Darstellung und Effekthascherei bewusst verzichtet. Das Museum entspricht so in seinem Charakter einer Gedenkstätte und erlaubt den Besuchern, sich anhand authentischer Fakten eine eigene Meinung zu bilden.


2. Geschichte

Zur Geschichte der jüdischen Gemeinde

Die Entstehung der jüdischen Gemeinde in Oberdorf wird auf Anfang des 16. Jahrhunderts angesetzt. 1507 erfolgte die Ausweisung der Juden aus Nördlingen, 1510 werden erstmals Juden im oettingischen Teil von Oberdorf vermutet. 1587 belegen die Besucherbücher der Nördlinger Messe Juden aus Oberdorf. 1659 wurden die Juden vorübergehend aus Oberdorf ausgewiesen, 1688 lebten aber wieder sechs jüdische Familien im Ort.

Die höchste Zahl jüdischer Einwohner wurde 1838 mit 545 Personen gezählt, das entsprach über 40 % der Gesamtbevölkerung. Oberdorf war seit 1832 Sitz eines Bezirksrabbinates, zu dem auch die Gemeinden in Aufhausen, Pflaumloch, Lauchheim, Ellwangen und später Schwäbisch Gmünd gehörten. 1930 wurde das Rabbinat aufgelöst.

Die jüdischen Familien lebten zuerst vor allem vom Handel mit Waren aller Art. Seit dem 19. Jahrhundert gab es unter den jüdischen Ortsbewohnern auch Handwerker, Landwirte, Fabrikanten und Inhaber von Einzelhandelsgeschäften. Großes Ansehen genossen der Fabrikant Karl Weil, der 1921 Ehrenbürger wurde, und Rabbiner Dr. Hermann Kroner, ein angesehener Wissenschaftler. 1933 lebten in Oberdorf 87 Personen jüdischen Glaubens. Vom Boykott am 1. April war das Geschäft der Familie Heimann betroffen, ersten Verfolgungsmaßnahmen wie der Schutzhaft wurden mehrere Oberdorfer Juden unterzogen. Seit 1933 setzte die Auswanderung nach Palästina und in die USA ein. Das Berufsverbot für jüdische Viehhändler 1938 traf die gesamte Gemeinde hart, da es einen hohen Steuerausfall bewirkte.

Ab 1939 wurden Juden v. a. aus dem Stuttgarter Raum in Oberdorf interniert, 1941 begannen die Deportationen in den Osten nach Riga, Izbica, Theresienstadt und Auschwitz. Aus Oberdorf wurde bis 22.8. 1942 die gesamte jüdische Bevölkerung deportiert, es ist nur eine Überlebende bekannt.


Die ehemalige Synagoge heute

Die ehemalige Synagoge heute
© Wilhelm Lienert


Zur Geschichte der Synagoge

1587 werden erstmals Juden in Oberdorf nachgewiesen. Es wird vermutet, dass seit 1704 eine Synagoge oder ein Betraum vorhanden war. 1745 wurde eine Synagoge eingeweiht und 1809 ein Neubau auf den alten Fundamenten begonnen, der im Laufe der Zeit mehrfach renoviert wurde, letztmals 1933.

In der Nacht zum 10. November 1938 blieb es um die Synagoge in Oberdorf ruhig. Die örtliche SA-Führung weigerte sich, die Synagoge zu zerstören. In der folgenden Nacht kamen auswärtige SA-Leute, die die Polsterbänke aufschlitzten und in der Synagoge Brand legten. Ein Teil der Inneneinrichtung wurde dadurch zerstört, doch konnte das Feuer gemeinsam von jüdischen und nichtjüdischen Oberdorfer Einwohnern gelöscht werden. Auch die Thorarollen wurden gerettet. Nach der Pogromnacht hatten die Juden keinen Zugang mehr zur Synagoge. Das Gebäude wurde 1939 an die politische Gemeinde Oberdorf verkauft, die sie wiederum an den örtlichen Turnverein zur Nutzung als Turnhalle weiterverkaufte. Im weiteren Verlauf des Krieges diente das Gebäude als Unterkunft für Zwangsarbeiter.

Nach Kriegsende stand das Gebäude zunächst leer. 1950 richtete die katholische Gemeinde in der ehemaligen Synagoge eine Kirche für die Heimatvertriebenen ein. Nach dem Neubau einer katholischen Kirche in Oberdorf wurde die ehemalige Synagoge von 1969 bis 1988 als Lagerraum verwendet.

1989 erwarb ein damals gegründeter "Trägerverein ehemalige Synagoge Oberdorf e.V." das Gebäude. Nach umfangreichen Baumaßnahmen konnte 1993 das Haus als "Gedenk- und Begegnungsstätte ehemalige Synagoge Bopfingen-Oberdorf" eröffnet werden.


3. Anlage

Seit 1997 ist in der ehemaligen Synagoge auch das "Museum zur Geschichte der Juden im Ostalbkreis" untergebracht. Regelmäßige Ausstellungen, Konzerte und Vorträge halten die Erinnerung an das Judentum wach. Von den ursprünglich 17 Thorarollen der Synagoge ist heute eine ausgestellt, die der aus Oberdorf stammenden Karl Heimann 1993 der Begegnungsstätte als Dauerleihgabe überließ. Vor der Nische des ehemaligen Thoraschreins mit der freigelegten Freskenbemalung steht ein Werk des Künstlers Georg Sternbacher: aus verkohltem Holz erwächst der Menora-Leuchter als Lebensbaum.

Menora von Georg Sternbacher

Menora von Georg Sternbacher
© Wilhelm Lienert

In fünf Vitrinen werden viele Originalexponate gezeigt.
Die Schrifttafeln stellen die Geschichte des Judentums in Deutschland von den Anfängen bis 1942 mit besonderem Schwerpunkt auf Oberdorf dar.

 

- Arbeitskreis Landeskunde/Landesgeschichte RP Stuttgart -